Europa

Wahl in Montenegro: Partei des Dauerherrschers Đukanović hat vorerst keine Regierungsmehrheit

Seit rund 30 Jahren lenkt er machtbewusst die Geschicke Montenegros, mal als Premier, mal als Staatschef. Nun droht Đukanović erstmals die Niederlage bei einer Parlamentswahl. Seine Partei wurde wieder die stärkste Kraft, doch die Opposition könnte eine neue Regierung bilden.
Wahl in Montenegro: Partei des Dauerherrschers Đukanović hat vorerst keine RegierungsmehrheitQuelle: Reuters © Stevo Vasiljevic

Die Parlamentswahl am Sonntag hat dem montenegrinischen Langzeit-Präsidenten Milo Đukanović schwere Verluste beschert. Seine Regierungspartei "Demokratische Partei der Sozialisten Montenegros" (DPS) kommt der Wahlkommission zufolge auf 35,12 Prozent der Stimmen und 30 Mandate. Mit ihren potenziellen Bündnispartnern – zwei kleineren sozialdemokratischen Parteien und Listen der albanischen und bosniakischen Minderheiten – kommt die Präsidentenpartei nach einem Auszählungsstand von 98,55 Prozent auf 40 Sitze im neuen Parlament und hat damit derzeit die Regierungsmehrheit verfehlt. Bei der letzten Wahl vor vier Jahren ist die DPS noch auf 41 Prozent der Stimmen und auf 36 von 81 Parlamentsmandaten gekommen.

Die oppositionellen Bündnisse hätten Regierungsmehrheit – weichen jedoch in  vielen Positionen stark voneinander ab

Die Opposition trat in drei unterschiedlichen Wahlbündnissen an, deren Positionen stark voneinander abweichen. Das Oppositionsbündnis "Für die Zukunft Montenegros", angeführt von der proserbischen und als russlandfreundlich geltenden Demokratischen Front (DF), kommt demnach auf 32,54 Prozent und 27 Mandate. Die liberale prowestliche Allianz "Frieden ist unsere Nation" kommt auf 12,55 Prozent und zehn Mandate, das von Bürgeraktivisten getragene Bündnis "Schwarz auf Weiß" kommt laut vorläufigen Ergebnissen auf 5,57 Prozent und vier Mandate.  

In vielen Positionen weichen diese Parteiblöcke jedoch stark voneinander ab. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich auf ein gemeinsames Regierungsprogramm werden einigen können. Dennoch gingen in vielen Städten des Landes Anhänger der Opposition auf die Straße, um den Sieg über die Regierungspartei zu feiern. 

Đukanović wandte sich in der Wahlnacht an seine Anhänger in der Hauptstadt Podgorica und machte deutlich, dass noch nichts entschieden sei.

Wir haben derzeit zusammen mit den traditionellen Partnern 40 Mandate. Der Kampf um eine Mehrheit im Parlament geht also weiter.

Außerdem seien noch die offiziellen Ergebnisse der Staatlichen Wahlkommission abzuwarten. 

Die Wahlbeteiligung war hoch: Etwa 75 Prozent der 540.000 Berechtigten haben ihre Stimme abgegeben, wie die Wahlkommission mitteilte. Zuvor waren lange Schlangen vor den Wahllokalen zu sehen gewesen. Insgesamt elf Parteien und Wahlallianzen bewarben sich um die 81 Sitze der Volksvertretung, die aus einer Kammer besteht.

Unterstützung in den westlichen Länder sicherte er sich stets mit seinem Opportunismus

Der heute 58-jährige Đukanović herrscht seit rund 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen über die ehemalige jugoslawische Teilrepublik an der Adria – mal als Ministerpräsident, mal als Staatsoberhaupt. Zeitweise war er nur Vorsitzender der Regierungspartei, agierte aber aus dem Hintergrund. In seiner Ära gab es bisher bei keiner Parlaments- oder Präsidentenwahl einen demokratischen Machtwechsel.

Die Opposition und Kritiker werfen ihm vor, das ganze Land mit seinen rund 630.000 Einwohnern wie ein privates Unternehmen zu führen. Die wichtigsten Positionen im Land hat er mit seinen Familienmitgliedern und mit einem Kreis von loyalen Partei- und Geschäftspartnern besetzt. Korruption, Vetternwirtschaft, Wahlmanipulation und Verfolgung von unabhängigen Medien stehen ebenfalls als Vorwürfe im Raum. Italienische Behörden hatten zudem gegen ihn ermittelt, weil er an einem großangelegten Zigarettenschmuggel beteiligt gewesen sein soll.

Unterstützung von den westlichen Ländern sicherte er sich stets mit seinem Opportunismus. Er schaffte es immer wieder, sich rechtzeitig auf jene Seite zu schlagen, die ihm seinen Machterhalt sicherte. Bereits im Alter von 23 Jahren wurde er kommunistischer Funktionär im Zentralkomitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, um 1991 mit Unterstützung des damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević zum Regierungschef ernannt zu werden. Heute steht er für einen pro-westlichen Kurs. 2006 hatte Đukanović das Land in die Unabhängigkeit von Serbien geführt. Das kleine Land an der Adria ist seit 2012 EU-Beitrittskandidat, 2017 wurde Montenegro NATO-Mitglied. Nach nahezu 30 Jahren unangefochtener Macht verspürte er anfangs dieses Jahres jedoch heftigen Gegenwind. Zehntausende Menschen im ganzen Land gingen wegen der Verabschiedung des sogenannten Gesetzes über die "Religionsfreiheit und den gesetzlichen Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften" auf die Straße. Die Proteste wurden zunehmend zu Massendemonstrationen gegen die Regierung und allen voran gegen Đukanović. 

Doch die Bevölkerung selbst ist zutiefst gespalten, vor allem in den Grundsatzfragen wie dem Verhältnis zu Serbien oder zum Westen und der NATO. Kritiker werfen Đukanović vor, diese Spaltung vorangetrieben zu haben, um sich weiterhin an der Macht halten zu können und von den wirtschaftlichen Problemen im Land abzulenken. Vor diesen Wahlen waren die Fronten zwischen den politischen Lagern verhärtet wie selten zuvor. 

Mehr zum Thema - Drei Jahre in der NATO: "Montenegro hat intensiv gelernt und sich fleißig weiterentwickelt"

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.