Europa

Europäischer Gerichtshof rügt Frankreich: Auch BDS-Aktivisten haben Recht auf Meinungsäußerung

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied, dass Frankreich die Meinungsfreiheit von Palästina-Aktivisten verletzt hat. Deren Verurteilung war demnach unzureichend begründet. Menschenrechtler und BDS-Vertreter sehen das Urteil als Meilenstein.
Europäischer Gerichtshof rügt Frankreich: Auch BDS-Aktivisten haben Recht auf MeinungsäußerungQuelle: Reuters © Reuters / Vincent Kessler

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Donnerstag entschieden, dass die Aktionen mehrerer BDS-Aktivisten (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) keine Anstiftung zur Diskriminierung darstellen, wie ein französisches Gericht befunden hatte.

In den Jahren 2009 und 2011 wurden in Frankreich elf BDS-Aktivisten festgenommen, weil sie unter anderem mit Flugblättern in Supermärkten und durch das Tragen von T-Shirts auf die Kampagne aufmerksam gemacht hatten. Ihr Anwaltsteam argumentierte, dass die Aktivitäten dem Grundprinzip der Meinungsfreiheit entsprachen.

Nach den Verhaftungen wurden die Aktivisten von der Anklage freigesprochen. Ein Berufungsgericht hob das Urteil im Jahr 2015 jedoch auf und befand sie für schuldig, Menschen zum Boykott von Produkten aus Israel angestiftet zu haben. Die Angeklagten mussten Strafen unter anderem an die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (LICRA) zahlen. Erneut betonten die Verteidiger, dass die Aktionen nichts anderes als die Ausübung von Meinungsfreiheit waren. 

Das bestätigte nun der Gerichtshof mit Sitz im französischen Straßburg und entschied einstimmig, dass die Verurteilung der Aktivisten gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Meinungsfreiheit verstößt. Diese bietet laut dem Gericht wenig Spielraum für die Einschränkung politischer Meinungsäußerungen, solange sie nicht zu Gewalt, Hass oder Intoleranz aufrufen, was diesen Aktivisten nicht angelastet werden konnte. Ihre Aktionen stellten demnach auch keine Anstiftung zur Diskriminierung Israels dar.

Das Gericht war der Ansicht, dass die Verurteilung der Antragsteller keine relevanten oder ausreichenden Gründe hatte", heißt es im Urteil.

Die französische Regierung wurde zur Zahlung von 7.380 Euro Schadenersatz an jeden der Kläger und weiteren 20.000 Euro (22.700 Dollar) zur Deckung ihrer gemeinsamen Prozesskosten verurteilt. Die französische Regierung kann noch Berufung einlegen. 

Europaweite Bedeutung – vor allem für Deutschland

Das Urteil könnte einen Präzedenzfall schaffen. Entsprechend begrüßten es Vertreter und Sympathisanten der Kampagne.

Dieses bedeutsame Gerichtsurteil ist ein entscheidender Sieg für die Meinungsfreiheit, für Menschenrechtsverteidiger und für die BDS-Bewegung für palästinensische Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit", kommentierte Rita Ahmad im Namen des Palästinensischen Nationalkomitees für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BNC).

Das Urteil werde erhebliche Auswirkungen auf die staatliche Unterdrückung der BDS-Bewegung in ganz Europa haben, insbesondere in Deutschland, wo "Verfechter der Rechte der Palästinenser heftigen Einschränkungen ihrer Bürgerrechte ausgesetzt sind", so das BNC.

Amnesty International verband mit dem Urteil die Hoffnung, dass es "eine klare Botschaft an alle europäischen Staaten sendet, dass sie die Verfolgung friedlicher Aktivisten einstellen müssen".

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Die BDS-Kampagne versteht sich als gewaltfreie Reaktion auf die Völkerrechtsverletzungen Israels und ruft unter anderem zum Boykott israelischer Waren, Dienstleistungen und Institute auf. Damit verbunden sind Forderungen wie der Rückzug aus den besetzten Gebieten und Gleichberechtigung der arabisch-palästinensischen Bürger Israels sowie die Wahrung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre Häuser und auf ihr Eigentum. Die Kampagne wird vom palästinensischen BDS-Nationalkomitee organisiert und koordiniert.

Bereits im Jahr 2016 hatte die damalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärt, dass die Aktivitäten von BDS durch die Meinungsfreiheit geschützt seien, auch wenn sich die EU gegen die Ziele der Kampagne stellt.

Teile der israelischen Führung sehen als Motivation der BDS-Bewegung einzig Antisemitismus. Die Ministerin für strategische Angelegenheiten Orit Farkash-Hacohen plant Medienberichten zufolge, eine Einheit für "schmutzige Tricks" einzurichten, um "gemeinnützige Organisationen oder Gruppen, die nicht mit Israel verbunden sind, zu gründen, einzustellen oder dazu zu bringen, negative Informationen über BDS-Anhänger zu verbreiten".

Derzeit erwägt Israels Regierung in Übereinstimmung mit dem Nahostplan von US-Präsident Donald Trump, jüdische Siedlungen und das strategisch wichtige Jordantal im besetzten palästinensischen Westjordanland zu annektieren. Die Pläne riefen Kritik in Europa hervor. Frankreich betonte, dass Israel sanktioniert werden könnte, sollten die Pläne so umgesetzt werden. Der deutsche Außenminister Heiko Maas betonte bei seinem Besuch in Israel am Mittwoch, dass eine Annexion nicht mit dem Völkerrecht vereinbar sei und der von Deutschland unterstützten Zweistaatenlösung im Wege stünde.

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