Nahost

Syrische Kurden fordern Unterstützung von Russland – Erste türkische Angriffe anscheinend abgewehrt

Die kurdische Selbstverwaltung in Nordostsyrien will sich zur Abwehr der türkischen Militäroffensive mit Russland und der syrischen Armee abstimmen. Ein Angriff türkischer Streitkräfte auf Tall Abyad sei bereits abgewehrt worden. Russland ruft zum Dialog auf.
Syrische Kurden fordern Unterstützung von Russland – Erste türkische Angriffe anscheinend abgewehrtQuelle: www.globallookpress.com

Die Autonome Territorialverwaltung der Kurden im Nordosten Syriens ist bereit, sich angesichts des Angriffs der türkischen Streitkräfte mit der syrischen Armee abzustimmen. Man erwarte die Lieferung von Luftabwehrsystemen, erklärte Riyadh Darar, Vorsitzender des Syrischen Demokratischen Rates, gegenüber dem ägyptischen Nachrichtenportal Youm7. Der Syrische Demokratische Rat (engl.: Syrian Democratic Council, MSD) ist der politische Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF).

Bereits am Mittwoch verurteilte das syrische Außenministerium die Erklärungen Ankaras über seine Absicht, einen militärische Einsatz in Nordsyrien durchzuführen. Syrien werde dieser Aggression "mit allen legalen Mitteln" entgegentreten und sei bereit, "seine verlorenen [kurdischen] Kinder wieder anzunehmen, wenn sie zur Vernunft zurückkehren und den richtigen Weg einschlagen".

Darar kommentierte den Aufruf aus Damaskus an die Kurden und stellte fest, dass "auf Worte Taten folgen" sollten. Er erklärte:

Wenn die syrische Armee die Region schützen will, kann sie Luftverteidigungssysteme zur Unterstützung der SDF liefern.

Die Kurden seien bereit, sich mit der syrischen Armee abzustimmen, um die Grenzen des Landes zu schützen, zitiert  RIA Nowosti Darar weiter. Der kurdische Funktionär wörtlich:

Die syrische Armee ist die Armee von ganz Syrien, die keine Grenzen innerhalb des Landes kennt. Sie ist für alle Grenzen der Syrischen Arabischen Republik verantwortlich, und sie ist auch verpflichtet, auf die Forderungen des Volkes zu reagieren.

Die erklärten Hauptziele der türkischen Militäroffensive, die Ankara seit dem Frühjahr plant, sind die militärische Bereinigung des syrischen Grenzgebiets zur Türkei von syrisch-kurdischen Selbstverteidigungskräften, die Schaffung einer Sicherheitszone und die dortige Unterbringung syrischer Flüchtlinge. Diese halten sich aktuell in der Türkei auf. Ankara hatte zuvor erklärt, vier Millionen Flüchtlinge aufgenommen zu haben und nicht unbegrenzt für ihren Unterhalt aufkommen zu können.

Das offizielle Damaskus erkennt die autonome kurdische Selbstverwaltung im Nordosten Syriens und ihren militärischen Flügel, die SDF, nicht an. Diese kontrollieren das Gebiet östlich des Euphrat. Die syrische Regierung führte mehrere Gesprächsrunden mit der kurdischen Autonomieverwaltung – allerdings ohne Erfolg. Die syrischen Behörden haben die Besatzungspolitik der Türkei in Nordsyrien wiederholt verurteilt.

Erster Rückschlag für das türkische Militär?

Die Syrischen Demokratischen Kräfte geben ihrerseits an, ebenfalls auf Worte Taten folgen zu lassen: Arabisch-kurdische Einheiten der SDF sollen einen Bodenangriff der türkischen Armee auf die syrische Grenzstadt Tall Abyad zurückgeschlagen haben, erklärte der Sprecher der Miliz Mustafa Bali auf Twitter:

Der Bodenangriff türkischer Streitkräfte wurde von SDF-Kämpfern in Tall Abyad abgewehrt.

Zuvor berichtete ein Augenzeuge gegenüber RIA Nowosti, dass die türkische Armee in die Stadt einmarschiert und mit SDF-Kämpfern in Feuergefechten zusammengestoßen sei. Bali sagte außerdem, dass die türkische Armee mit Artilleriebeschüssen der Stadt Kobanê (Ain al-Arab) an der Grenze zwischen den beiden Ländern begonnen habe.

Laut dem syrischen Staatsfernsehen gibt es derzeit Artillerieduelle zwischen den SDF und der türkischen Armee.

Die türkische Luftwaffe startete am Mittwoch die Militäroperation "Quelle des Friedens" gegen kurdische Formationen im Nordosten Syriens – mit Bombardements von Zielen in der Stadt Ras el-Ain in der Provinz Hasaka. Am Mittwoch wurde eine weitere syrische Stadt an der Grenze zur Türkei, Tall Abyad, von türkischen Luftangriffen heimgesucht. Eine Reihe arabischer und anderer Länder hat die Operation bereits scharf verurteilt.

Am Nachmittag des 9. Oktober kündigte die Autonome Territorialverwaltung im Nordosten Syriens über ihren Pressedienst eine allgemeine Mobilmachung gegen die türkische Invasion an:

Wir rufen all unsere Institutionen und Verwaltungen, unser ganzes Volk auf, an die Grenze zur Türkei zu gehen, um ihre Pflicht zu erfüllen und in diesem besonderen Moment der Geschichte Widerstand zu leisten.

Das SDF-Koordinations- und Militäroperationszentrum hat seinerseits die internationale Gemeinschaft aufgefordert, ein Flugverbot über Nordostsyrien zu verhängen, um die Sicherheit der kurdischen Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Rechnung ohne den Wirt gemacht

Russland ist der Ansicht, dass die Konfliktparteien eine Einigung erzielen müssen. Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte noch im Vorfeld der türkischen Militäroffensive in Syrien, dass alle Probleme im Norden des Landes im Dialog gelöst werden sollten. Er sagte auf einer Pressekonferenz:

Wir haben wiederholt unsere Position zu dem, was im Nordosten Syriens, einschließlich der syrisch-türkischen Grenzgebiete, geschieht, zum Ausdruck gebracht. Und unsere Position ist eindeutig. Sie gründet in der Notwendigkeit, alle Probleme dieses Teils der Syrischen Arabischen Republik durch einen Dialog zwischen der Zentralregierung in Damaskus und Vertretern der kurdischen Gemeinschaften, die traditionell in diesem Gebiet leben, lösen zu müssen.

Der Diplomat fügte hinzu, dass Russland an der Aufnahme eines sachlichen Dialogs zwischen den Kurden und Damaskus mitwirken wird, und betonte, dass Moskau sowohl mit der kurdischen Seite als auch mit Vertretern der offiziellen Regierung Syriens über die Lösung der Probleme an der türkisch-syrischen Grenze gesprochen hat.

Auch das iranische Außenministerium hatte seinerseits die Türkei vor einem militärischen Angriff gewarnt. Der Außenminister der Islamischen Republik Iran, Mohammad Dschawad Sarif, betonte, dass Ankara von Maßnahmen gegen die Souveränität und Sicherheit Syriens in keiner Weise profitieren werde.

Grenzübergreifende kurdische Solidarität trotz schlechter Beziehungen

Bei einem Treffen mit Lawrow am Montag forderten die Vertreter der irakischen Region Kurdistan Russland auf, einzugreifen und die Kurden in Syrien zu schützen. Die Aufforderung erfolgte, nachdem die USA mit ihrem Rückzug aus Nordsyrien den Weg für eine einseitige türkische Militäroperation frei gemacht hatten.

Lawrow besuchte am Montag den Irak und die irakische Region Kurdistan, um ein breites Themenspektrum zu diskutieren – darunter auch energiewirtschaftliche Beziehungen.

Obwohl die Beziehungen zwischen der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) im Irak und der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) im Nordosten Syriens seit Langem schlecht sind, nutzten Vertreter der Region Kurdistan die Gelegenheit, Russland gemeinsam aufzufordern, die Kurden in Syrien zu schützen. Das kurdische Nachrichtenportal Rudaw zitierte eine Erklärung des Büros von Masud Barzani, dem Vorsitzenden der KDP und ehemaligen Präsidenten der kurdischen Region im Irak:

Präsident Barzani äußerte gegenüber dem russischen Außenminister seine Besorgnis über die Zukunft der Kurden in Syrien und forderte, dass Russland bei möglichen Vorfällen oder Veränderungen seine Rolle spielt, um weiteres Leid und Schmerz vom kurdischen Volk in Syrien abzuwenden.

Barzani selbst wiederholte am Dienstag seine Besorgnis über die Ereignisse in der nordsyrischen Region und versprach nachhaltige Unterstützung für dieses Gebiet.

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