Erdoğan gibt bekannt: Türkei beginnt Militäroffensive gegen Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien
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Die Türkei hat ihre angekündigte Offensive in Nordsyrien begonnen. Das gab der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bekannt. Die türkischen Streitkräfte hätten die Operation gemeinsam mit pro-türkischen Rebellen gestartet, schrieb er am Mittwoch auf Twitter:
#OperationPeaceSpring [Frühling des Friedens] wird die Terrordrohungen gegen die Türkei neutralisieren und zur Einrichtung einer Sicherheitszone führen, die die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat erleichtert.
Wir werden die territoriale Integrität Syriens wahren und die örtlichen Gemeinden von Terroristen befreien.
#OperationPeaceSpring will neutralize terror threats against Turkey and lead to the establishment of a safe zone, facilitating the return of Syrian refugees to their homes.We will preserve Syria’s territorial integrity and liberate local communities from terrorists.
— Recep Tayyip Erdoğan (@RTErdogan) October 9, 2019
Erdoğans Sprecher, Fahrettin Altun, hatte zuvor in einem in der Nacht zu Mittwoch veröffentlichten Meinungsbeitrag in der Washington Post angekündigt:
Das türkische Militär, zusammen mit der Freien Syrischen Armee, wird die türkisch-syrische Grenze in Kürze überqueren.
Die syrische Nachrichtenagentur Sana zitierte einen Korrespondenten mit den Worten, dass die "türkische Aggression" im Grenzort Ras Al-Ain begonnen habe. Ras al-Ain liegt gegenüber dem türkischen Ort Ceylanpinar in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa. In Sanliurfa befindet sich die Kommandozentrale für die lange geplante Offensive.
Die syrischen Kurden hatten zuvor eine Generalmobilmachung ihrer Truppen verkündet. Angesichts der zunehmenden Drohungen der Türkei und ihrer syrischen "Söldner" seien alle aufgerufen, sich an die Grenze zu begeben, um in diesen "kritischen historischen Momenten" Widerstand zu leisten, hieß es in einer Erklärung am Mittwoch. Kurden weltweit wurden aufgefordert, gegen die Offensive zu demonstrieren.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas verurteilte die türkische Offensive in einer Erklärung am Mittwoch:
Wir verurteilen die türkische Offensive im Nordosten Syriens auf das Schärfste. Die Türkei nimmt damit in Kauf, die Region weiter zu destabilisieren und riskiert ein Wiedererstarken des IS. Das vom Krieg der letzten acht Jahre schwer getroffene Syrien braucht Stabilität und einen politischen Prozess, an dessen Anfang die Einberufung des Verfassungskomitees in Kürze steht. Die türkische Offensive droht nun jedoch eine weitere humanitäre Katastrophe sowie neue Fluchtbewegungen zu verursachen. Wir rufen die Türkei dazu auf, ihre Offensive zu beenden und ihre Sicherheitsinteressen auf friedlichem Weg zu verfolgen.
Der Einmarsch folgte auf widerstreitende Signale aus den USA. Die USA hatten am Montag im Morgengrauen zunächst ihre Truppen aus der Grenzregion abgezogen. In einer überraschenden Erklärung aus dem Weißen Haus wurde signalisiert, dass sich die USA einer Offensive nicht mehr in den Weg stellen wollten.
Nach scharfen Protesten – auch aus den eigenen Reihen in den USA – vollzog US-Präsident Donald Trump jedoch teilweise eine Kehrtwende und drohte der Türkei, dass jede "nicht zwingende oder unnötige" Kampfhandlung für ihre Wirtschaft und Währung "verheerend" sein werde. Am Dienstag betonte er, die USA hätten die Kurden nicht im Stich gelassen und unterstützten sie weiter finanziell wie auch mit Waffen.
Die von der YPG angeführten Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) waren im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) lange ein enger Verbündeter der USA. Ihre Kräfte gingen als Boden-Truppen in Syrien gegen die Extremisten vor und konnten dabei wichtige Gebiete im Norden und Osten Syriens einnehmen.
Die Türkei will jedoch die Kurdenmilizen aus der Grenzregion vertreiben und dort in einer sogenannten "Sicherheitszone" syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit als Flüchtlinge in der Türkei und in Europa leben. Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Mittlerweile kippt aber die anfangs von vielen gelebte Willkommenskultur, unter anderem wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage im eigenen Land.
Die Türkei warb in den vergangenen Wochen aggressiv für diese "Sicherheitszone" und um Gelder für den Aufbau der Infrastruktur, unter anderem bei einem Besuch des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) in Ankara am Donnerstag und Freitag. Seehofer sagte zu deutschen Journalisten: "Ich habe deutlich gesagt, dass es ja viele Regierungen gibt, unsere eingeschlossen, die da ihre Probleme haben."
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte schon am Samstag vor Parteimitgliedern in Ankara angekündigt, dass die Türkei kurz vor einem Militäreinsatz stehe. Ein Sprecher der SDF hatte daraufhin heftigen Widerstand angekündigt. "Wir werden nicht zögern, jeden Angriff von türkischer Seite in einen umfassenden Krieg entlang der ganzen Grenze zu verwandeln, um uns und unser Volk zu verteidigen", schrieb Mustafa Bali auf Twitter.
Von dem Abzug der USA aus der Grenzregion fühlten sich die SDF verraten. "Die US-Kräfte vor Ort haben uns gezeigt, dass sie Freundschaft und Allianz nicht wertschätzen", schrieb SDF-Sprecher Bali auf Twitter. Er fügte hinzu: "Wir erwarten nicht, dass die USA Nordostsyrien beschützen." Aber sie schuldeten "den Menschen hier" eine Erklärung zu ihrem Versagen, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
Die Türkei war zuvor schon zweimal auf syrisches Gebiet vorgerückt, beide Male aber westlich des Flusses Euphrat. Im Jahr 2016 hatte sie mit der Offensive "Schutzschild Euphrat" in der Umgebung des syrischen Orts Dscharabulus den IS von der Grenze vertrieben, aber auch die YPG bekämpft. Anfang 2018 hatten von der türkischen Armee unterstützte Rebellen in einer Offensive gegen die YPG die kurdisch geprägte Grenzregion Afrin eingenommen.
Bis heute kontrolliert die türkische Armee dort gemeinsam mit verbündeten syrischen Rebellen ein Gebiet. Der Bundestag kam 2018 in einem wissenschaftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, die türkische Präsenz erfülle alle Kriterien einer militärischen Besatzung.
(rt deutsch/dpa)
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