Nahost

Notre-Dame liegt nicht im Nahen Osten: Das westliche Desinteresse an brennenden Kirchen in Syrien

Mit Bestürzung schaute die Welt auf die brennende Kathedrale Notre-Dame in Paris. Gering war dagegen das mediale Interesse an den vielen zerstörten Kirchen in Syrien. Kein Wunder: Die dafür verantwortlichen "Rebellen" agieren als Bündnispartner des Westens.
Notre-Dame liegt nicht im Nahen Osten: Das westliche Desinteresse an brennenden Kirchen in SyrienQuelle: RT © Karin Leukefeld

von Karin Leukefeld, Damaskus

Als kürzlich die ehrwürdige Pariser Kathedrale Notre-Dame im Zentrum von Paris in Flammen stand, gab es für Politik und Medien kein Halten mehr. Sondersendungen, Live-Berichterstattung, öffentliche Gebete und schließlich die Spendenzusagen. Der französische Präsident Emmanuel Macron setzte eine Sonderkommission ein und versprach, dass Notre-Dame in fünf Jahren wieder aufgebaut sein werde, und zwar "schöner als zuvor".

Firmen und Multimillionäre übertrafen sich mit öffentlichen Spendenzusagen, und in wenigen Tagen waren über eine Milliarde Euro beisammen, um den Schatz wieder aufzubauen. "Die ganze Welt ist an unserer Seite", sagte Stéphane Bern, der im Auftrag von Staatschef Macron für die Renovierung historischer Baudenkmäler in Frankreich zuständig ist. Ein Kommentator beschrieb Notre-Dame, die auch Weltkulturerbe ist, als "eine Idee, ein Monument, ein Wahrzeichen, eine Erinnerung wie kaum eines auf der Welt, was ihre Schönheit als auch ihre Verletzbarkeit anbelangt".

Der Kommentator kennt seine Wurzeln nicht. Syrien gilt als "Wiege der Zivilisation", und das Christentum hat dort seinen Ursprung. Die verbrannten Kirchen des Landes aber erreichen nie die Öffentlichkeit wie die brennende Notre-Dame. Die christlichen Dörfer entlang des Jarmuk im Nordosten des Landes starben einen stillen Tod unter der Gewalt des "Islamischen Staates" (IS). Harasta, Deir Mar Elian, Maalula, Qaryatayn, Tadmor, Zabadani sind nur einige Namen von Orten, deren Kirchen im syrischen Krieg lichterloh brannten. Alle wurden ganz oder teilweise gebrandschatzt, geplündert und verwüstet. Die Christen flohen, wurden gefangen genommen, zur Zwangsarbeit gezwungen oder verschleppt. Viele starben.

Zur Erinnerung:

Harasta: Kämpfer machten die beiden Kirchen in dem Damaszener Vorort zu militärischen Stützpunkten. Eine  Kirche wurde zum Sammelpunkt, in der anderen Kirche wurde ein Tunnel ausgehoben, das Erdreich füllte das Kirchenschiff. Der Tunnel wurde an das unterirdische Tunnelnetz der Kämpfer angeschlossen, durch das Lebensmittel, Medikamente, Menschen und Waffen transportiert wurden.

Deir Mar Elian: Das Kloster Deir Mar Elian östlich von Homs war nur wenige Jahre vor dem Krieg renoviert und ausgebaut worden. Neben der Kapelle mit dem Grab des Heiligen Elian war eine archäologische Grabungsstelle mit einem kleinen Museum entstanden. Elian soll die Kapelle im 4. Jahrhundert nahe der Stadt Qaryatayn gebaut haben. Der Name bedeutet "Vier Quellen", und der Ort war wegen seiner heißen Quellen ein beliebter Rastplatz für Reisende und Pilger. Der "Islamische Staat" zerstörte Kapelle und Ausgrabungsstätte mit einem Bulldozer. Die später errichtete Kirche und anliegende Gasträume gingen in Flammen auf.

Maalula: Der Ort ist einer der bekanntesten christlichen Orte in Syrien. Hier sprechen die Menschen noch Aramäisch, die Sprache Jesu. Alle Kirchen des Ortes wurden gebrandschatzt. Die beiden bekannten Kloster der Heiligen Sergius und Bacchus und der Heiligen Thekla wurden angezündet und  verwüstet.

Qaryatayn: Hier lebte vor dem Krieg eine große christliche Gemeinde; es gab zwei Kirchen. Beide Gotteshäuser wurden in Brand gesetzt; eine Kirche verlor das Dach des Kirchenschiffes, das abgesprengt wurde. Dutzende christliche Familien wurden von Kämpfern des „Islamischen Staates“ entführt, mit ihnen der leitende Priester von Deir Mar Elian.

Tadmur/Palmyra: Weiter östlich in Tadmur, der Stadt, die Anfang der 1930er-Jahre unter dem französischen Mandat neben dem Weltkulturerbe von Palmyra entstand, gab es vier Kirchen. Nur die syrisch-katholische Kirche wurde genutzt, als der „Islamische Staat“ 2015 die Stadt überfiel. Die Kirche betreute 55 Familien und weitere, die auf den Phosphat-Feldern vor der Stadt arbeiteten. Heute liegt die Kirche ebenso in Schutt und Asche wie der angrenzende Gemeindesaal, in dem viele Hochzeiten gefeiert wurden.

Zabadani: Der alte Teil des einstigen Erholungsortes am Qalamun-Gebirge liegt in Trümmern. Die beiden Kirchen im Zentrum wurden zur Kampfzone. Das am Rande gelegene Kloster, in dem vor dem Krieg Flüchtlinge aus dem Irak untergebracht waren, wurde zum militärischen Stützpunkt und zerstört.

Diese Liste der zerstörten Kirchen in Syrien ist unvollständig; doch haben Sie von diesen brennenden Kirchen und Klöstern in Syrien gehört? Ein Zehntel der 23 Millionen Syrer vor dem Krieg – der 2011 begann – waren Christen, viele von ihnen Nachfahren der Armenier, die während des Ersten Weltkrieges ermordet und vertrieben wurden.

Notre-Dame und die Kirchen in Syrien wurden durch Menschenhand zerstört. In Notre-Dame wurde der Brandschutz von den Verantwortlichen sträflich vernachlässigt; in Syrien wurden die Brandstifter von Medien und Politikern der westlichen Welt und der Golfstaaten als "Rebellen" nicht nur verharmlost, sondern sie wurden medial und politisch angefeuert, mit Geld und Waffen unterstützt.

Und während das Feuer in Notre-Dame in aller Munde war, haben die Feuer in den syrischen Kirchen Politik und Medien im Westen noch nicht einmal interessiert. Für den Wiederaufbau von Notre-Dame gibt es Millionen, der Wiederaufbau und die Restauration der syrischen Kirchen findet nur vereinzelt mit kirchlichen und privaten Geldern statt. Stattdessen wird der Wiederaufbau in Syrien durch EU-Sanktionen und ein US-Ölembargo blockiert.

Wenn Feuer Kirchen zerstört – oder andere Gotteshäuser –, gehen Zivilisation und Geschichte verloren. Notre-Dame würde es gar nicht geben ohne die Christen, die in der syrischen Wüste, im Küstengebirge und in ganz Syrien schon zur Zeit Jesu ihre Kirchen tief unter der Erde bauten, um Verfolgern zu entgehen. Europa – das sich heute für die Krönung der Menschheit hält – gäbe es ohne die Zivilisation Syriens und den „Fruchtbaren Halbmond“ nicht.

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