Nahost

Der unantastbare Verbündete: Die US-Regierung stellt sich erneut hinter Israel

Eine Pressemitteilung des US-Außenministeriums zur Untersuchung der Ermordung der palästinensisch-amerikanischen Journalistin Shireen Abu Akleh hat breite Empörung und den Vorwurf der Beschönigung von Tatsachen ausgelöst. Die Untersuchung widerspricht dabei mehreren früheren Erkenntnissen.
Der unantastbare Verbündete: Die US-Regierung stellt sich erneut hinter IsraelQuelle: Gettyimages.ru © picture alliance

Eine Analyse von Robert Inlakesh

Fast zwei Monate nach der Tötung einer altgedienten Journalistin von Al Jazeera gab Washington bekannt, dass eine Untersuchung des US-Sicherheitskoordinators (USSC) zu dem Schluss gekommen sei, dass Schüsse der israelischen Armee "wahrscheinlich dafür verantwortlich" gewesen seien. In der Erklärung wurde jedoch behauptet, die Beweise seien nicht schlüssig und es könne nicht gesagt werden, dass die israelischen Streitkräfte verantwortlich seien.

Dies widerspricht jedoch verschiedenen anderen Berichten, die das Gegenteil festgestellt hatten. Die US-Regierung behauptete auch, es gebe "keinen Grund zu der Annahme", dass die Tötung vorsätzlich erfolgte. Vielmehr sei stattdessen "das Ergebnis tragischer Umstände" wahrscheinlich. Israels führende Menschenrechtsgruppe B'Tselem reagierte auf diese Aussage, indem sie die Ermittlungen als "Schönfärberei" bezeichnete. "Wir sind fassungslos", sagte die Familie von Shireen Abu Akleh in einer eigenen Erklärung, mit der sie die Pressemitteilung des Außenministeriums kritisierte.

Was an der Mitteilung des Außenministeriums vielleicht am meisten Besorgnis auslöst, ist ihre widersprüchliche Natur. Es wird zwar einerseits Rechenschaftspflicht gefordert, man widerspricht aber gleichzeitig anderen Berichten, die auf eine israelische Schuld hindeuten, und gibt eine schlecht begründete Einschätzung über die Tötungsabsicht ab. Wenn die Untersuchung der US-Regierung die Schuld aufseiten Israels nicht feststellen oder beweisen kann – nämlich dass ein israelischer Soldat den Schuss abgegeben hat –, wie kann sie dann zu dem Schluss kommen, dass der "wahrscheinliche" Täter nicht die Absicht hatte, Abu Akleh zu töten?

Laut einer investigativen Recherche von CNN wurde Abu Akleh bei einem "gezielten Angriff israelischer Streitkräfte" getötet. Weiter hieß es, die Beweise deuteten darauf hin, dass die Tötung beabsichtigt war. Die Behauptung der israelischen Regierung, dass es in den Minuten vor der Tötung zu einem Schusswechsel gekommen sei, wurde im Rahmen einer Untersuchung des Vorfalls durch die Washington Post widerlegt.

Dies ist wichtig, weil das Argument des israelischen Militärs, warum die Schüsse unbeabsichtigt waren, auf der Behauptung basiert, dass israelische Soldaten wahrscheinlich versucht hätten, auf militante Palästinenser zu schießen. Darüber hinaus, so die Washington Post, "wären Abu Akleh und andere, deutlich als Presse markierte Journalisten, wahrscheinlich von der Position des Konvois der israelischen Armee aus sichtbar gewesen".

Auch die New York Times führte eine Untersuchung zu dem Fall durch, in der sie aufzeigte, "dass sich keine bewaffneten Palästinenser in der Nähe von Abu Akleh befanden, als sie erschossen wurde". Zudem widerlegte diese Untersuchung die Behauptungen der israelischen Regierung über die Anzahl der Schüsse, die in Richtung der Journalistin abgefeuert wurden. Die New York Times erklärte auch, dass "der Schuss, der Abu Akleh tötete, von der ungefähren Position des israelischen Militärkonvois abgefeuert wurde, höchstwahrscheinlich von einem Soldaten einer Eliteeinheit". Die Untersuchung der Vereinten Nationen kam ebenfalls zu Schlussfolgerungen, "die mit vielen Erkenntnissen übereinstimmen, dass die Schüsse, die sie töteten, von israelischen Sicherheitskräften stammten".

Das andere beunruhigende Element im Zusammenhang mit der US-Ermittlung war das Umschwenken des Weißen Hauses bei seinem Ansatz zur Durchsetzung von Gerechtigkeit. Als am 11. Mai zum ersten Mal die Nachricht vom Tod Abu Aklehs bekannt wurde, erklärte der Sprecher des Außenministeriums Ned Price, dass "die Israelis über die Fähigkeiten verfügen, eine gründliche und umfassende Untersuchung durchzuführen". Er schien damit anzudeuten, dass eine US-Untersuchung nicht notwendig sei. Später wurde jedoch bekannt, dass Israel keine Untersuchung der Tötung durchführen würde. Zudem deutete eine Aussage eines Militäranwalts der israelischen Armee an, wenn ein israelischer Soldat für die Abgabe des tödlichen Schusses verantwortlich gemacht werden könne, dann habe er sich "ohne weitere Beweise" nicht eines kriminellen Fehlverhaltens schuldig gemacht.

Die oben genannten Informationen müssen auch mit der Tatsache gepaart werden, dass das israelische Außenministerium und verschiedene politische Persönlichkeiten nach der Tötung ein Video von palästinensischen Schützen verbreiteten, von denen sie behaupteten, diese seien für das Verbrechen verantwortlich. Das Video wurde jedoch von B'Tselem umgehend als Fake entlarvt, nachdem durch eine Untersuchung vor Ort bewiesen werden konnte, dass die in dem Video gezeigten bewaffneten palästinensischen Männer unmöglich den Todesschuss abgegeben haben konnten. Auch der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett behauptete, dass wahrscheinlich die Palästinenser für den Tod der Journalistin verantwortlich seien, änderte später aber seine Rhetorik, als es für ihn schwieriger wurde, seine Behauptung zu untermauern.

Um noch zusätzlich Salz in die Wunde zu streuen – und nachdem israelische Streitkräfte bereits die Familie von Abu Akleh belästigt hatten –, griff die Polizei während der Beerdigung in Jerusalem die Sargträger der getöteten Journalistin gewaltsam an. Und was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass die israelische Polizei allem Anschein nach Aufnahmen vom Ort dieses Vorfalls manipuliert hat. Um es so aussehen zu lassen, als hätten Palästinenser vor den Angriffen auf die Trauerprozession Gegenstände in Richtung der Polizei geworfen.

Der US-Sicherheitskoordinator hat keinerlei Klarheit darüber geliefert, wie er in die Lage kam, die Schlussfolgerungen zu ziehen, die er gezogen hat. Untersuchungen der UNO, verschiedener Menschenrechtsgruppen, von CNN, der Washington Post, der New York Times und anderer weisen alle auf eine israelische Schuld hin. Aber keine dieser Untersuchungen konnte die genaue Absicht des israelischen Soldaten, der die Kugel abgefeuert hat, bestimmen.

Die Behauptung seitens der USA, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die Schussabgabe vorsätzlich geschah, widerspricht mehreren Augenzeugen, die genau dies beteuern. Wenn sich die US-Untersuchung auf Behauptungen stützte, dass israelische Soldaten in Feuergefechte mit palästinensischen Militanten verwickelt waren, was ebenfalls durch die oben erwähnten Untersuchungen widerlegt wurde, dann sind die gezogenen Schlussfolgerungen fragwürdig.

Vor allem aber hat die Einschätzung des Sicherheitskoordinators zur Vorsätzlichkeit Israel nun einen bequemen Vorwand geliefert, um die Ermordung einer amerikanischen Bürgerin unter den Teppich zu kehren. Manche mögen das Schönfärberei nennen. Aber in Wirklichkeit sieht die Sache so aus, dass die USA sich wieder einmal auf die Seite Israels gestellt haben, wenngleich diese Tat eine eigene Bürgerin das Leben gekostet hat.

Mehr zum Thema - Untersuchung bestätigt Ermordung von Al-Jazeera-Journalistin durch israelische Sicherheitskräfte

Robert Inlakesh ist politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer und lebt derzeit in London. Er hat aus den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und arbeitet derzeit für Quds News und Press TV. Er ist Regisseur des Films "Diebstahl des Jahrhunderts: Trumps Palästina-Israel-Katastrophe". Man kann ihm auf Twitter unter @falasteen47 folgen.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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