Asien

Putin auf dem Weg zu seinen Waffenbrüdern

Der russische Präsident wird Hanoi und Pjöngjang einen offiziellen Besuch abstatten. Sowohl Vietnam als auch Nordkorea sind sich noch der guten Beziehungen zur Sowjetunion und dem einstigen gemeinsamen Kampf gegen den Imperialismus bewusst. Und sie können Russland in seinem Ringen um die Errichtung einer multipolaren Welt tatkräftig unterstützen.
Putin auf dem Weg zu seinen Waffenbrüdern© RIA Nowosti / durch KI generiert

Von Pjotr Akopow

Die Reise von Wladimir Putin in asiatische Länder beginnt heute – der Präsident wird Nordkorea und Vietnam besuchen. Die Bedeutung dieser Staatsbesuche geht über die bilateralen Beziehungen hinaus, da beide Länder zunehmend die Aufmerksamkeit der wichtigsten Weltmächte auf sich ziehen. Für Russland sind sowohl Nordkorea als auch Vietnam von besonderer Bedeutung.

In den 1950er und 1960er Jahren wurden zunächst Nordkorea und dann Vietnam zu einem Symbol für den Kampf zwischen Ost und West – und zwischen Kommunismus und Imperialismus. Anfang der 50er Jahre herrschte in Korea ein regelrechter Krieg zwischen China und der UdSSR auf der einen Seite und den USA und ihren Verbündeten auf der anderen. Der Krieg zwischen den Vietnamesen und den Franzosen, der in den 50er Jahren begann, wurde seinerseits zu einem Krieg zwischen dem kommunistischen Norden und dem Süden, wobei die USA zunächst Letzteren unterstützten und dann auf seiner Seite kämpften. Während das kommunistische Vietnam mithilfe der UdSSR und Chinas den Krieg gewann und das Land vereinigte, blieb Korea gespalten. Der Norden zog sich nach dem Zusammenbruch der "sozialistischen Welt" in sich selbst zurück, kämpfte ums Überleben und bewaffnete sich.

Im Ergebnis wurde die DVRK [Demokratischen Volksrepublik Korea] zu einer Raumfahrt- und Atommacht, die dem enormen Druck der USA standhielt, während Vietnam den Weg der chinesischen Reformen einschlug und seinen Status als ernstzunehmende Regionalmacht ausbaute. Beide Länder schätzten ihre Beziehungen zu Moskau sehr, die in den 1990er Jahren ohne ihr Verschulden zusammengebrochen waren. Schrittweise wurden die Beziehungen wiederhergestellt, und Wladimir Putin war — trotz der freundschaftlichen Beziehungen zu Sowjetzeiten — der erste Staatschef unseres Landes, der die DVRK und Vietnam besuchte. Sein Besuch in Pjöngjang im Jahr 2000 blieb zwar der einzige, doch Hanoi besuchte Putin im Laufe der Jahre viermal. Nunmehr unternimmt Putin seine erste Reise in gleich zwei Länder, und sein Besuch in der DVRK ist zugleich der erste Staatsbesuch in der Geschichte unserer Staatsbeziehungen.

Im gegenwärtigen globalen Kontext ist die Position Vietnams mit seinen 100 Millionen Einwohnern und Nordkoreas mit seinen 25 Millionen Einwohnern sehr unterschiedlich: Nordkorea ist nach wie vor der geschlossenste und autonomste Staat der Welt. Dies ist nicht nur das Ergebnis eigener Wahl: Das Land hält den Weltrekord in Bezug auf die Strenge der gegen es verhängten internationalen Sanktionen. Der Anlass dafür war das Raketen- und Atomwaffenprogramm, das allerdings nicht gestoppt werden konnte. In den letzten Jahren — noch vor Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine — waren sowohl Russland als auch China für eine Lockerung des Sanktionsregimes, doch eine Aufhebung der vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen war aufgrund des westlichen Widerstands nicht möglich. Unter diesen Umständen begannen sowohl China als auch Russland, die Sanktionen durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der DVRK zu umgehen. Und nach dem letztjährigen Besuch von Kim Jong-un in Russland ist die Frage einer umfassenden Entwicklung der russisch-koreanischen Beziehungen noch aktueller geworden.

Die beiden Nachbarländer haben viele Möglichkeiten zu einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit — und das ist nicht nur der militärisch-industrielle Komplex, über den sich die USA, Japan und Südkorea so viele Sorgen machen. Jahrzehntelang stellten diese Länder die Kims als eine Bedrohung zunächst für ihren südlichen Nachbarn und dann für die globale Sicherheit dar. In Wirklichkeit fühlte sich die DVRK jedoch schon immer in einem feindlichen Umfeld und unter ständiger Bedrohung durch die USA — und ihr gesamtes Waffenprogramm war defensiver, abschreckender Natur. Da Pjöngjang nun über Raketen mit Nuklearsprengköpfen verfügt, die sogar US-Territorium (und natürlich US-Stützpunkte in der Region) erreichen können, könnte es sich viel sicherer und ruhiger fühlen und sich auf die Entwicklung des nichtmilitärischen Teils seiner Wirtschaft konzentrieren. Doch harte Wirtschaftssanktionen, die die außenwirtschaftlichen Aktivitäten der DVRK auf ein Minimum reduzierten, sowie der Wunsch der USA, die nordkoreanische Karte gegen Peking auszuspielen (und von China zu verlangen, seinen störrischen Verbündeten in der Atomraketenproblematik zu beeinflussen — was die Chinesen nicht können und wollen), gaben Pjöngjang keinen Handlungsspielraum. Der Beginn der direkten Konfrontation zwischen Russland und dem Westen im Jahr 2022 eröffnete der DVRK daher die Möglichkeit, aus der Isolation herauszukommen — jetzt gibt es für Moskau nicht mehr den geringsten Grund, sich in Fragen der bilateralen Beziehungen zu Nordkorea am Westen zu orientieren.

Es gibt allerdings noch den südkoreanischen Faktor. Trotz der Tatsache, dass sich Seoul den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat, wird Moskau die Brücken zu diesem Land nicht völlig abbrechen und rechnet — wie Putin kürzlich sagte — damit, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Südkorea und Russland mit der Zeit wieder aufgenommen werden. Dies ist auch von südkoreanischer Seite gewollt — zudem sieht Moskau, dass Seoul von direkten Waffenlieferungen an die Ukraine absieht (was allerdings die sehr umfangreichen und wachsenden Waffenexporte nach Polen nicht aus der Welt schafft).

Diese bilaterale Zurückhaltung Moskaus und Seouls sollte Pjöngjang keine besonderen Sorgen bereiten, zumal Kim Jong-un in letzter Zeit sogar von seinem erklärten Wunsch nach einer Wiedervereinigung des Nord- und Südteils der Halbinsel abgerückt ist. Dabei kann Russland es sich leisten, die Beziehungen zu Nordkorea zu stärken, ohne die Türen für eine künftige Zusammenarbeit mit Südkorea dauerhaft zu verschließen: Südkorea wird früher oder später aus dem Sanktionsregime herauskommen und zu den ersten gehören, die nach Russland "zurückkehren".

Unsere Beziehungen zu Vietnam sind für beide Länder wichtig — nicht zuletzt, weil das vietnamesische Volk unsere Unterstützung in seinem Kampf gegen die Okkupanten schätzt und sich daran erinnert. Auch wenn die USA Hanoi seit langem auf jede erdenkliche Art und Weise umwerben, ist das Hauptziel der Amerikaner jedem klar: sie brauchen Vietnam als Element der Anti-China-Achse in der Region. Hanoi ist sich dessen sehr wohl bewusst, und obwohl es auf die Vorteile des Handels und der Zusammenarbeit mit den USA nicht verzichten möchte, wird es sich nicht an irgendwelchen Anti-China-Projekten beteiligen (trotz des bestehenden Streits mit Peking über Inseln im Südchinesischen Meer). Dieses Arrangement im Dreieck Peking — Hanoi — Washington macht Moskau zu einem noch attraktiveren Partner für die vietnamesische Staatsführung. Hinzu kommt, dass der heutige vietnamesische Staatschef Nguyen Phu Trong seine Promotion in Geschichte einst in Moskau absolvierte.

Sowohl der 80-jährige Nguyen als auch der 40-jährige Kim regieren ihre Länder seit 2011 und sehen, wie sehr sich die Welt in dieser Zeit verändert hat. Und da sie erkennen, in welche Richtung sich die Veränderungen beschleunigen, setzen sie auf Russland.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 18. Juni 2024 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.

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