Asien

Rainer Rupp: Die Lage im Nahen Osten – und Chinas Rolle in der Region

Chinas Beziehungen zum arabischen Raum, insbesondere zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, werden aufgrund des nicht mehr aufzuhaltenden globalen Trends in Richtung Multipolarität immer enger, während die USA im Mittleren Osten die Kontrolle bereits verloren haben.
Rainer Rupp: Die Lage im Nahen Osten – und Chinas Rolle in der RegionQuelle: AFP © JADE GAO / AFP

von Rainer Rupp

Das 19. Jahrestreffen des China-Arab States Cooperation Forum (Kooperationsforum zwischen China und den arabischen Staaten, CASCF) in Peking am 29. Mai dieses Jahres stand unter dem Eindruck des von Washington und dem kollektiven Westen unterstützten israelischen Genozids und des zehntausendfachen Massenmordes an Kindern und Zivilisten in Gaza. Das  (CASCF) ist eine formelle Dialoginitiative zwischen China und der Arabischen Liga, die 2004 gegründet wurde.

Die Stärkung der chinesisch-arabischen Beziehungen wurde im Rahmen des parallel zum Forum stattfindenden "Treffens zum 8. Strategischen Politischen Dialog auf hoher Beamtenebene" besonders deutlich. Diese Gespräche fanden statt vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen geopolitischen Verschiebungen im Mittleren Osten, der sich abzeichnenden Niederlage von USA/NATO/EU im Ukraine-Krieg und der zunehmenden Drohungen der USA mit einem Handelskrieg, aber auch mit einem heißen Krieg gegen China.

Auf dem Kooperationsforum betonte der chinesische Präsident Xi Jinping Chinas Engagement für eine Partnerschaft für Frieden und Stabilität. Bereits zuvor hatte es bei Gesprächen eine übereinstimmende arabisch-chinesische Einschätzung der Katastrophe in Gaza gegeben, wobei China die Gründung eines souveränen Staates Palästina unterstützt.

An dem Forum nahmen führende Politiker aus Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Tunesien teil. Darüber hinaus haben sich China und Russland als Anführer der BRICS positioniert, zu denen nun auch die VAE und Ägypten gehören und zu denen auch Saudi-Arabien eingeladen wurde.

Die arabischen Staaten haben Chinas Friedensplan für die Ukraine stärker unterstützt als westliche Vorschläge, wobei Saudi-Arabien die Volksrepublik China als wichtigen Vermittler für einen Waffenstillstand im Gazastreifen vorgeschlagen hat.

Engere politische Beziehungen werden natürlich durch gute, für beide Seiten vorteilhafte wirtschaftliche Beziehungen auf ein solides Fundament gestellt. Das ist auch im Verhältnis Chinas zu den arabischen Staaten der Fall. Hier folgen einige Beispiele für die wirtschaftliche Grundlage der arabisch-chinesischen Annäherung:

China bezieht mehr als ein Drittel seines Öls von sechs Mitgliedern des Golfkooperationsrates, wobei nur Russland mehr als Saudi-Arabien liefert (85,9 Millionen Tonnen im Jahr 2023). Ein erheblicher Teil des saudisch-chinesischen Ölhandels wird in "Petro-Yuan" abgewickelt, was laut dem Vorsitzenden des Silk Road Fund (Seidenstraße-Fonds), Zhu Lun, auf die mit dem Dollar verbundenen "geopolitischen Risiken" zurückzuführen ist.

Die Entdollarisierung und die Ausweitung des arabisch-chinesischen Handels auf den Nicht-Energie-Sektor waren die Ziele, die Xi bei seinem Besuch in Riad im Dezember 2022 formuliert hatte. Beim gerade beendeten Forum in Peking rief er zu mehr gemeinsamen arabisch-chinesischen Investitionen in KI und grüne Technologien auf.

Im Juni 2023 unterzeichnete Riad ein Abkommen über 5,6 Milliarden Dollar mit einem chinesischen Elektroautohersteller zur Gründung eines Joint Ventures in Saudi-Arabien.

Xi schlug vor, ein "gemeinsames Zentrum zur Beobachtung von Weltraummüll" einzurichten und gemeinsam mit arabischen Ländern Raumflugzeuge für wissenschaftliche Flüge und Passagierflüge zu entwickeln.

Auf dem Kooperationsforum zwischen China und den arabischen Staaten unterzeichnete Peking im Rahmen des Seidenstraßen-Programms mit allen 22 arabischen Ländern und der Arabischen Liga Kooperationsvereinbarungen für über 200 Großprojekte, von denen fast zwei Milliarden Menschen profitieren werden. Zugleich wurde beim Forum-Treffen in Peking deutlich, dass China von den arabischen Staaten diplomatische Unterstützung in der Taiwan-Frage erwartet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Nahe und Mittlere Osten dem Würgegriff Washingtons entgleitet.

In ihrer größenwahnsinnigen Arroganz haben die kriegsgeilen Eliten in Washington die seit Langem schwelende Unzufriedenheit in den arabischen Ländern mit dem US-Diktat komplett ignoriert. Sie glaubten z. B., dass das saudische Königshaus ohne US-Schutzgarantie nicht überlebensfähig sei, sowohl wegen innenpolitischer Probleme als auch wegen angeblich böser iranischer Absichten. Folglich glaubte man in Washington, man könne Saudi-Arabien so behandeln, wie dies der Kaiser in Rom zu Glanzzeiten des Imperiums tat, indem er seine Vasallen herumkommandiert und ausgebeutet hat.

Der beste Beweis für diese Hybris war ein Artikel von Präsident Bidens Nationalem Sicherheitsberater, Jake Sullivan. Der war eine Woche vom dem 7. Oktober letzten Jahres erschienen, dem Tag des blutigen Ausbruchs der Hamas aus dem israelischen "Gefangenenlager" Gaza mit 1300 toten israelischen Soldaten und Zivilisten. In dem Essay hatte Sullivan geschrieben, wie schön und ruhig der Nahe Osten sei und wie dies den USA ermögliche, die Dinge in anderen Regionen, wie z. B. in der Ukraine oder im Indo-Pazifik, zu regeln.

Die irrationale israelische Überreaktion auf den Hamas-Angriff und die massive politische und militärische Unterstützung des israelischen Genozids und der zehntausendfache Massenmord an Kindern und Zivilisten (nach derzeitigem Stand sind es über 35.000 Tote) durch den kollektiven Westen unter Führung Washingtons haben vor allem den USA, aber auch Deutschland weltweit enormen diplomatischen Schaden zugefügt.

Schon vor ein paar Monaten wurde in der Financial Times ein westlicher Diplomat zitiert, der vor dem Hintergrund dessen, was in Gaza geschieht, gesagt habe, "dass der Globale Süden nie wieder auf uns hören wird, wenn wir über Russland und die Ukraine oder über Menschenrechte sprechen".

Wahrscheinlich hat der Globale Süden dem Westen schon lange nicht mehr zugehört, aber jetzt hat der Westen, der stets gern als Moralapostel und Musterdemokrat andere Länder verurteilt, selbst den lebenden Beweis für seine abscheuliche und verräterische Doppelzüngigkeit geliefert. Die US-/NATO-/EU-Propagandalügen mögen bei indoktrinierten westlichen Bevölkerungen immer noch funktionieren, besonders in den USA, Großbritannien und Deutschland, aber sie funktionieren nicht mehr im Rest der Welt.

Die USA und der Westen haben den Rest der Welt verloren und können ihn nicht mehr wie früher tyrannisieren und Schutzgeld fordern. Russland und China haben den Ländern der Welt bewiesen, dass es auch anders geht, z. B. mit der Aussöhnung der beiden islamischen Staaten Iran und Saudi-Arabien. Von deren jahrzehntelanger Feindschaft haben nur die USA profitiert, die die saudische Gegnerschaft und deren Furcht vor Iran kräftig geschürt haben, was ihnen ermöglichte, einerseits den Saudis teure US-Waffen zu verkaufen und andererseits das Niveau der saudischen Ölproduktion entsprechend US-amerikanischer Prioritäten zu steuern und – nicht zuletzt – darauf zu bestehen, dass die Saudis ihr Öl international nur gegen US-Dollar verkaufen, was die Position des Dollars im Weltwährungssystem stärkte.

Es ist nicht erst seit der Katastrophe in Gaza und der US-Haltung dazu so, dass der Widerstand in den wichtigen arabischen ölproduzierenden Ländern gegen die US-Gängelei und Willkür gewachsen ist, aber Gaza hat diese Entwicklung beschleunigt und durch die Unterstützung der gesamten Bevölkerung des arabischen Raums auf ein breiteres Fundament gestellt.

Selbst langjährige westliche Verbündete wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar haben genug davon, von den USA schikaniert zu werden, und haben sich der großen antiwestlichen Bewegung der von China und Russland geführten BRICS+ angeschlossen. Niemand lässt sich mehr von den USA einschüchtern. Die US-Autorität wird sogar von den Huthi im Jemen infrage gestellt, die seit Monaten Raketen gegen westliche Schiffe abfeuern, die etwas mit Israel zu tun haben oder die einem israelischen Unterstützerstaat gehören. Damit wollen sie die Palästinenser im Kampf gegen Israel unterstützen. Vor wenigen Tagen haben die Huthi sogar einen US-Flugzeugträger im Roten Meer mit Raketen beschossen, und weder die USA noch der kollektive Westen sind aktuell dazu fähig, etwas dagegen zu unternehmen.

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