Asien

Trauer um Atomwissenschaftler Khan: Wie der Vater der pakistanischen Atombombe dem Mossad entkam

Abdul Kadir Khan ist tot. Der pakistanische Atomwissenschaftler zählte zu den umstrittensten Wissenschaftlern der Welt. Khan machte Pakistan zur atomaren Macht. Seine Kenntnisse soll er aber auch an Nordkorea, Libyen und Iran weitergegeben haben.
Trauer um Atomwissenschaftler Khan: Wie der Vater der pakistanischen Atombombe dem Mossad entkamQuelle: AFP © Rizwan Tabassum

Der als Vater der pakistanischen Atombombe bekannt gewordene Nuklearwissenschaftler Abdul Kadir Khan ist tot. Der 85-Jährige starb nach längerer Krankheit in einem Krankenhaus in Islamabad. Für Pakistaner ist Khan ein Nationalheld, da er dem Land die Atombombe brachte, nachdem Indien mit einem eigenen Atomprogramm begonnen hatte. Pakistans Regierungschef Imran Khan bedauerte auf Twitter den Tod des Wissenschaftlers. Für die Menschen in Pakistan sei er eine nationale Ikone gewesen. Der Premier twitterte: "Er wurde von unserer Nation geliebt, da er entscheidend dazu beigetragen hat, uns zu einem Atomwaffenstaat zu machen." 

Von 1972 bis 1976 arbeitete Khan für das Physical Dynamics Research Laboratory (FDO), einen Unterauftragnehmer der niederländischen Urenco-Gruppe, die Zentrifugen zur Urananreicherung baute.  

Dort bekam er dank nachlässiger Sicherheitsmaßnahmen Zugang zu den fortschrittlichsten Zentrifugenentwürfen. Khan stahl Dokumente und Daten der Urenco-Gruppe und floh nach Pakistan. Dort enttarnte ihn der niederländische Geheimdienst. In Pakistan überzeugte er den amtierenden Premierminister Zulfikar Ali Bhutto, ein Nuklearprogramm zur Abwehr indischer Nuklearwaffen zu starten. 

Durch Zufall war im selben Jahr auch Arnon Milchan, ein israelisch-amerikanischer Filmproduzent und späterer israelischer Spion, in einen ähnlichen Diebstahl verwickelt. Milchan kaufte zusammen mit dem israelischen Geheimdienst Zentrifugenentwürfe eines deutschen Ingenieurs. Mit diesen bauten sie in Dimona ähnliche Zentrifugen für Israels Atomwaffen, berichtet Haaretz. Milchan gab in einem Interview für das Fernsehen am 25. November 2013 zu, dass er während seiner Zeit in Hollywood als Agent des israelischen Geheimdienstes tätig war. Dabei verschaffte er mit einem Embargo belegte Technologien und Materialien, die Israel den Bau von Atomwaffen ermöglichten. Nach einer Reihe indischer Atomtests führte auch Pakistan ab 1998 unter Premierminister Nawaz Sharif ähnliche Tests durch. 

Khan wurde durch den Vorwurf, sein Wissen und seine Verbindungen nicht nur Pakistan, sondern auch anderen Ländern wie Libyen, Iran, Nordkorea zur Verfügung zu stellen, zur umstrittenen Person. Über ein geheimes Netzwerk soll er seine Nukleartechnologie auch an Iran und Nordkorea weitergegeben haben.

Libyens damaliger Revolutionsführer Muammar Gaddafi bat aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Strukturen Khan, für Tripolis ein schlüsselfertiges Projekt zu liefern. Dabei war Khan mutmaßlich für die Herstellung einsatzfähiger Nuklearkapazität verantwortlich. Iran verfügte hingegen nach der Revolution bereits über ein relativ fortgeschrittenes Nuklearprogramm, das bereits unter der Herrschaft des Schahs entwickelt wurde. Iran soll von Khan die Entwürfe und Pläne für Pakistans Zentrifugen, die als P1 und P2 bekannt sind, gekauft haben. Iranische Wissenschaftler bauten unter der Leitung von Prof. Mohsen Fachrisadeh, der unlängst durch Auftragsmörder des Mossad ermordet wurde, ihre eigenen Zentrifugen und nannten sie den Berichten zufolge in Ir-1 und Ir-2. 

Gaddafi selbst enthüllte schließlich Khans Netzwerk. Nachdem die USA 2003 in den Irak einmarschiert waren, befürchtete der libysche Herrscher, seinerseits von den USA gestürzt zu werden. Libyen hatte deswegen im Jahr 2003 seine Atomprogramme aufgegeben und internationalen Waffeninspektoren den Zugang zu ihnen gewährt. Libyen stand nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Bau einer eigenen Atombombe. Gaddafi begann Verhandlungen mit der CIA und dem britischen MI6 und gewährte Einsicht in die Unterlagen, auf deren Grundlage Khans Netzwerk Atomanlagen errichtete. Die CIA und der MI6 in Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) demontierten schließlich sowohl Libyens Nuklear- als auch Chemieprogramm. Von den Verhandlungen mit Gaddafi erfuhr der Mossad im Dezember 2004 durch einen Bericht der BBC

Khan reiste Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre mehrfach durch den Nahen Osten und bot seine Dienste an. Der israelische Geheimdienst, der seinerzeit von Schabtai Schavit geleitet wurde, nahm Kenntnis von diesen Reisen, ohne deren genauen Zweck feststellen zu können. Schavit sagte später, er habe erwogen, ein Team zu entsenden, um Khan zu ermorden und damit "den Lauf der Geschichte zu ändern" – zumindest im Kontext der israelisch-iranischen Beziehungen.

Als Khans Rolle in Libyen 2004 öffentlich gemacht wurde, verhörten ihn die pakistanischen Behörden infolge starken internationalen Drucks. Damit sollte eine formelle Anklage wegen illegalen Verkaufs von nuklearen Geheimnissen abgewendet werden. Die pakistanischen Behörden verweigerten der IAEA die direkte Befragung von Khan. Nachdem Khan im nationalen Fernsehen seine Rolle bei der Weitergabe seiner Kenntnisse in der Region gestanden und jegliche Beteiligung des pakistanischen Staates oder dessen Mitwissen bestritten hatte, wurde er vom damaligen Präsidenten Pervez Musharraf begnadigt. Ein Gericht in Islamabad entließ ihn 2009 schließlich aus dem staatlich verhängten Hausarrest.

Khan zählte zu jenen Forschern, die das Nuklearmonopol einiger weniger Staaten als ungerecht betrachteten. Dass der Westen ihm nachstellte, liege daran, dass er deren strategische Pläne durchkreuzt habe, sagte er einmal.

Um andere Länder in der Region davon abzuhalten, nukleare Infrastruktur aufzubauen, setzt sich Israel lange Zeit – unterstützt vom Mossad – für eine umstrittene Präventionsstrategie ein, um die eigene "Überlegenheit" über die benachbarten aufstrebenden Mächte im Nahen Osten nicht zu verlieren. Bestandteil dessen war auch die Ermordung einflussreicher muslimischer Wissenschaftler durch den Mossad. Erfolgreich war dieses Vorgehen im Falle von Yahya al-Meshad, einem ägyptischen Atomwissenschaftler, der das irakische Atomprogramm leitete. Er wurde im Juni 1980 in einem Pariser Hotelzimmer ermordet. Für die Tat wird der Mossad verantwortlich gemacht. Die einzige Person, die den Wissenschaftler am Vorabend traf, war eine Prostituierte, die sich Marie Express nannte. Auch sie wurde wenige Wochen später durch einen vorgeblichen Unfall ermordet. 

Die israelische Luftwaffe zerstörte zudem im September 2007 in Syrien einen Reaktor zur Herstellung von Plutonium. Diesen hatte Syrien mutmaßlich mithilfe Nordkoreas entwickelt. Zudem wird der Mossad für den Mord an mehreren iranischen Nuklearwissenschaftlern verantwortlich gemacht – so auch für die Ermordung des iranischen Nuklearphysikers Mohsen Fachrisadeh im November 2020. 

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