Eine Provinzhauptstadt nach der anderen: Taliban erobern Kundus im Norden Afghanistans
Die militant-islamistischen Taliban haben am Sonntagmorgen in Afghanistan zwei Provinzhauptstädte im Norden des Landes eingenommen, darunter Kundus. Wie drei Provinzräte und ein Bewohner der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagten, sei die Stadt am Sonntag nach heftigen Kämpfen gefallen. Kundus wurde seit langem von Taliban-Kämpfern belagert.
Wie die Provinzräte der dpa sagten, hätten die Taliban in den vergangenen zwei Tagen ihre Angriffe intensiviert. Abgesehen von einer Militärbasis rund drei Kilometer von dem Stadtzentrum und dem Flughafen kontrollierten die Taliban nun die ganze Stadt. Die Menschen in der Stadt hätten weder Wasser noch Essen. Sie hielten sich in ihren Häusern versteckt.
Auf Twitter wurden Fotos und Videos veröffentlicht, die den Einmarsch der Taliban in die Stadt zeigen sollen.
During clashes, #Taliban also used Humvee's #Kunduz#Afghanistanpic.twitter.com/dUkKWEJ11D
— Dr. Drexluddin Khan Spiveyzai Kayani (Drexy Baba) (@RisboLensky) August 8, 2021
In der Stadt kam es demnach zu chaotischen Szenen.
Market area also caught fire #Kunduz#Afghanistanpic.twitter.com/ptXld73kHg
— Dr. Drexluddin Khan Spiveyzai Kayani (Drexy Baba) (@RisboLensky) August 8, 2021
Erst kurz zuvor haben sie auch die Stadt Sar-i Pul erobern können. Die Lage in der Stadt mit geschätzt 180.000 Einwohnern war demnach der in Kundus ähnlich. Provinzräten zufolge hätten die Islamisten seit Sonntagmorgen die wichtigsten Regierungsgebäude unter ihrer Kontrolle. Die Sicherheitskräfte hätten sich in der Nacht schwere Gefechte mit ihnen geliefert. Als allerdings der zweite Polizeibezirk gefallen sei, hätten sie ihre Posten verlassen und sich in eine Militärbasis einen Kilometer vom Stadtzentrum zurückgezogen. Auch Regierungsvertreter befänden sich nun in dieser Militärbasis. Die Taliban feuerten Mörsergranaten auf sie. Die Provinzrätin Massuma Schadab sprach von mehreren Leichen in den Straßen. Es traue sich aber niemand, diese zu bergen.
#سرپلطالبان د سرپل ښار په مرکز کې طالبان در مرکز شهر سرپلTaliban in capital city of Saripul province. #Saripulpic.twitter.com/CQvTyYYtJy
— IEA (Videos) (@IEAFG) August 8, 2021
Am Freitag war schon die kleine Provinzhauptstadt Sarandsch in Nimrus an der iranischen Grenze praktisch kampflos an die Taliban gefallen. Am Samstag folgte die Stadt Schiberghan in Dschausdschan im Norden. Damit brachten die Taliban innerhalb von drei Tagen vier Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle.
In Deutschland ist Kundus vor allem bekannt, weil die Bundeswehr jahrelang in der Nähe der Großstadt mit etwa 370.000 Einwohnern ein großes Feldlager hatte. Ende Juni hatten sich die deutschen Soldaten nach fast 20 Jahren aus Afghanistan abgezogen. Nirgendwo in Afghanistan fielen mehr Deutsche als in Kundus und der Nachbarprovinz Baghlan.
Seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan Anfang Mai laufen mehrere Offensiven der Taliban. Sie kontrollieren mittlerweile mehr als die Hälfte der rund 400 Bezirke des Landes und auch mehrere Grenzübergänge. Nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums fliegen die USA, die ihren Abzug aus Afghanistan praktisch abgeschlossen haben, weiter Luftangriffe in dem Land. Die US-Militärmission in Afghanistan endet am 31. August. Der Abzug ist nach US-Angaben zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen.
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(dpa/rt)
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