Hat Russland die Türkei "ausgebootet"? Lawrow spricht mit Çavuşoğlu über Regulierung in Bergkarabach
In der diplomatischen Offensive um die Beendigung des Krieges in der südkaukasischen Region Bergkarabach versucht Russland derzeit, die Türkei von einer friedlichen Lösung des Konflikts zu überzeugen. So fand am Sonntag ein Telefongespräch des russischen Außenministers Sergei Lawrow mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu statt. Sie hätten die Lage in der Region "erörtert", hieß es in der Pressemitteilung zum Gespräch.
Während des Gesprächs fand ein Meinungsaustausch über die Lage in der Konfliktzone Bergkarabach statt, die sich als Ergebnis der Dreiergespräche vom 9. bis 10. Oktober in Moskau abzeichnete", berichtet die Webseite des russischen Außenministeriums.
Es wurde die Notwendigkeit festgestellt, dass alle Bestimmungen der zuvor angenommenen, gemeinsamen Erklärung der russischen, armenischen und aserbaidschanischen Außenminister eingehalten werden müssen.
Die russische Seite bestätigte ihre Bereitschaft, die aktiven Vermittlungsbemühungen fortzusetzen, um eine Lösung des Bergkarabach-Konflikts unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Moskauer Erklärung zu erreichen", heißt es in der Meldung.
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Moskau-Gespräche
Nach den schwersten Kampfhandlungen seit Jahren in der Region Bergkarabach hatten sich Armenien und Aserbaidschan in der Nacht zum 10. Oktober unter der Vermittlung Russlands auf eine Waffenruhe geeinigt. Die Verhandlungen zwischen dem russischen Außenminister Lawrow und seinen Amtskollegen aus Armenien und Aserbaidschan, Sohrab Mnazakanjan und Dscheichun Bairamow, dauerten mehr als zehn Stunden.
Danach teilte Lawrow mit, die Waffenruhe werde am 10. Oktober um 12 Uhr (Ortszeit) in Kraft treten und solle dazu genutzt werden, Kriegsgefangene und andere inhaftierte Personen auszutauschen und die Leichname toter Soldaten in ihre Heimat zu überführen. Grundlegende Friedensverhandlungen solle es unter Führung der Minsk-Gruppe der OSZE geben.
OSZE-Vermittlung erneut aufnehmen
Nun gab das armenische Außenministerium bekannt, dass der Außenminister Armeniens während seines nächsten Moskau-Besuchs am 12. Oktober bereit ist, mit den Co-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE zusammenzutreffen.
Auch Deutschland hat sich klar für eine humanitäre Waffenruhe ausgesprochen. "Die Kampfhandlungen müssten unverzüglich eingestellt und substanzielle Verhandlungen im Rahmen der Minsker Gruppe aufgenommen werden", sagte die Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Telefonat mit dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan am 11. Oktober.
Noch am 2. Oktober erklärte das Außenministerium in Jerewan, es sei bereit für Gesprächen über die Rückkehr zu dem vor Jahrzehnten vereinbarten Waffenstillstand. Russland, Frankreich und die USA bilden die sogenannte OSZE-Minsk-Gruppe. Sie soll bei der Konfliktlösung helfen und hatte eine Feuerpause gefordert. Aserbaidschan ging darauf zunächst nicht ein. Die mit Aserbaidschan verbündete Türkei lehnt eine OSZE-Vermittlung ab.
Türkei fühlt sich ausgebootet
Die türkische Seite sei besorgt über das Problem der Abwesenheit Ankaras im Konfliktlösungsprozess, schreibt der russische Türkei-Experte Yaşar Niyazbayev auf seinem Telegram-Kanal unter Berufung auf türkische Medien.
Der Präsident Erdogan kritisierte die Minsker Gruppe der OSZE und sagte, dass sie nicht nur entscheiden, sondern die Entscheidung auch verhindern. Çavuşoğlu sprach auch über die Tatsache, dass der Waffenstillstand nutzlos sei und betonte, dass alle Co-Vorsitzenden der Organisation mit der armenischen Seite sympathisieren. Mit anderen Worten sollte laut Ankara jemand die Interessen Aserbaidschans vertreten. Daher die Kritik der Minsker Gruppe sowie die Erklärungen Bakus, Ankara solle in den Prozess der Suche nach einer friedlichen Lösung einbezogen werden.
Aus den Aussagen der Experten lässt sich auch schließen, dass von Moskau erwartet wurde, dass es Ankara einlädt, die Krise gemeinsam zu bewältigen. In der Erklärung vom 10. Oktober wurde die Türkei nicht erwähnt, hebt der Experte hervor. In einem Punkt hieß es sogar, dass niemand sonst in den Prozess einbezogen würde außer Russland, Armenien und Aserbaidschan.
In der Türkei ist derzeit die Meinung vorherrschend, dass ein solcher Schritt Russlands eine "strategische Grätsche" sei, die Ankara als Ergebnis eines wohlüberlegten politischen Manövers aus dem Geschäft lässt. Die türkische Zeitung Karar schreibt heute darüber auf der Titelseite.
Aserbaidschan, das sagte, es würde ohne die Türkei nicht am Verhandlungstisch über Karabach sitzen, war gezwungen, ein Abkommen zu akzeptieren, das die Rolle Ankaras ausschloss", so Karar.
Türkei trat für militärische Lösung ein
Der russische Außenpolitiker Alexej Puschkow lässt diese Kritik nicht gelten:
Es kann keine Rede von einer 'strategischen Grätsche' für Ankara sein. Die Türkei war ursprünglich nicht Teil des Regulierungsprozesses. Demzufolge kann sie sich auch nicht benachteiligt fühlen.
"Ankara beschloss, die Militäroperation von Baku voll und ganz zu unterstützen, und hat sich damit als Unterstützer einer gewaltsamen Lösung, aber nicht eines diplomatischen Prozesses positioniert. Darüber hinaus gab es viele Äußerungen aus Ankara, dass es keine andere Lösung für das Problem gibt als die militärische und 'dieses Mal muss Aserbaidschan es durchziehen'. Nachdem Ankara eine solche Position in dieser Frage eingenommen hat, hat es sich, soweit ersichtlich, nicht mit Moskau beraten. Wie sieht es hier aus? Die Türkei ist kein Mitglied der Minsker Gruppe, sie hat einen ganz anderen Weg gewählt. Man sollte sich also nicht beschweren, dass Moskau seine Rolle auf der diplomatischen Schiene gespielt hat", schrieb der Senator von der Regierungspartei Einiges Russland auf seinem Telegram-Kanal.
Interesse Moskaus
Obwohl Russland Mitglied im Verteidigungsbund OVKS mit Armenien ist, pflegt Moskau auch mit Aserbaidschan gute Beziehungen. Die offizielle Vertreterin des Außenministeriums, Marija Sacharowa, sagte kürzlich in einem Interview, dass die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Armenien und die Stabilität in diesen Ländern für Russland von grundlegender Bedeutung seien.
Die Einzigartigkeit der heutigen Situation besteht darin, dass, wenn wir unsere eigenen nationalen Interessen haben – wir haben sie und wir verteidigen sie – die Stabilität sowohl Aserbaidschans als auch Armeniens für uns als Priorität wichtig ist", so Sacharowa.
Sie betonte auch, dass die russische Seite es sich nicht erlaubt, mit den Gefühlen der Völker anderer Länder zu spielen und "sich nie in leere Rhetorik verstrickt". Aufgabe der russischen Außenpolitik sei es, die internationalen Beziehungen zu harmonisieren.
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