UN-Sonderberichterstatter: Die Sanktionen gegen Venezuela töten viele Menschen
Nachdem sich Parlamentspräsident Juan Guaidó am vergangenen Mittwoch mit Unterstützung Washingtons selbst zum "Interimspräsidenten" Venezuelas ernannt hatte, kommt das südamerikanische Land nicht zur Ruhe.
Am Montag verhängten die USA neue Sanktionen gegen Venezuela, die sich insbesondere gegen das Staatsunternehmen PDVSA (Petróleos de Venezuela S.A.) richten. US-Firmen dürfen zwar weiterhin Öl von dem Unternehmen kaufen, allerdings müssen Zahlungen auf ein Sperrkonto erfolgen. Die Regierung in Caracas unter Präsident Nicolás Maduro soll damit von Geldflüssen abgeschnitten werden. Washington zielt darauf ab, den Ölsektor und damit die wichtigste Stütze der venezolanischen Wirtschaft zum Erliegen zu bringen.
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Welch verheerende Folgen das mit sich bringen würde, darüber gibt ein UN-Bericht Auskunft, der sich mit den Folgen der bereits in den letzten Jahren verhängten Sanktionen beschäftigt. Der US-amerikanische Völkerrechtler Alfred de Zayas ist der erste UN-Sonderberichterstatter seit 21 Jahren, der Venezuela besucht hat. Dort sprach er mit dutzenden Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, mit Oppositionspolitikern, Regierungsvertretern sowie Angehörigen wichtiger gesellschaftlicher Institutionen wie der Kirche.
Seine Eindrücke und die Ergebnisse seiner Recherche fasste er für den UN-Menschenrechtsrat in dem besagten Bericht zusammen. Obwohl dieser bereits im September veröffentlicht wurde, hat sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik davon kaum Notiz genommen – dabei ist der Inhalt durchaus brisant.
"Tödliche Sanktionen" verschärfen Krise
In einem eigenen Kapitel widmet sich der Bericht den einseitigen Sanktionen, die die USA, Kanada sowie die EU gegen Venezuela verhängt haben. Dabei wird darauf hingewiesen, dass der UN-Menschenrechtsrat im März 2018 in einer Resolution unilaterale Zwangsmaßnahmen verurteilt hat, da "wirtschaftliche Sanktionen nachweislich zum Tode führen, Wirtschaftskrisen verschärfen, die Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln und Medikamenten stören, die Migration befördern und zu Verletzungen der Menschenrechte führen". Das gelte auch für die gegen Venezuela verhängten Sanktionen, wie de Zayas darlegt:
Die Auswirkungen der von den US-Präsidenten Obama und Trump verhängten Sanktionen und die einseitigen Maßnahmen Kanadas und der Europäischen Union haben den Mangel an Medikamenten wie Insulin und antiretroviralen Medikamenten direkt und indirekt verschärft.
Durch die daraus entstandenen Verzögerungen bei der Verteilung von Medikamenten hätten diese Maßnahmen "zum Tod vieler (Menschen) beigetragen". Konkret nennt der Bericht etwa die Weigerung Kolumbiens, Medikamente gegen Malaria an sein Nachbarland zu liefern, nachdem in Venezuela im November 2017 die schlimmste Malaria-Epidemie auf dem amerikanischen Kontinent in diesem Jahrhundert ausgebrochen war.
De Zayas beklagt, dass Kolumbiens Medikamenten-Blockade nicht von der internationalen Gemeinschaft verurteilt wurde. Überhaupt sei der Import von Medikamenten und medizinischen Geräten aufgrund der Sanktionen "ungemein schwierig, fast unmöglich" geworden. Grundsätzlich seien Wirtschaftssanktionen vergleichbar mit der "mittelalterlichen Belagerungen von Städten", die zur Kapitulation gezwungen werden sollten. Dazu führt der Bericht aus:
Die Sanktionen des 21. Jahrhunderts versuchen nicht nur eine Stadt, sondern souveräne Länder in die Knie zu zwingen. Ein Unterschied besteht vielleicht darin, dass Sanktionen des 21. Jahrhunderts von der Manipulation der öffentlichen Meinung durch 'Fake News', einer aggressiven PR-Arbeit sowie einer Pseudo-Menschenrechtsrhetorik begleitet werden, um den Eindruck zu erwecken, dass das 'Ziel' der Menschenrechte kriminelle Mittel rechtfertigt.
Die gegen Venezuela verhängten Sanktionen könnten "gemäß Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen", heißt es in dem Bericht. Das Kapitel zu den Sanktionen schließt mit einer kurz gehaltenen Schlussfolgerung ab: "Wirtschaftliche Sanktionen töten!"
Kräfte hinter der Opposition wollen Krise verschärfen
Ein anderes Kapitel widmet sich den Vermittlungsversuchen zwischen Regierung und Opposition. Darin wird der Verlauf der Verhandlungen unter der Schirmherrschaft des ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero nachgezeichnet, die vom Vatikan unterstützt wurden. Zwei Jahre lang trafen sich Vertreter der venezolanischen Regierung und der Opposition zu Vermittlungsgesprächen in der Dominikanischen Republik:
Die Verhandlungen führten zu einem ausgewogenen Dokument mit dem Titel 'Abkommen über die demokratische Koexistenz', das von allen Seiten am 7. Februar 2018 unterzeichnet werden sollte. Die Regierung unterzeichnete es, aber ein Telefonat aus Kolumbien zerstörte den zweijährigen Verhandlungsprozess mit der Anweisung: 'Nicht unterschreiben'. Manche glauben, dass einige Länder keine friedliche Lösung des venezolanischen Konflikts wollen und es vorziehen, das Leiden des venezolanischen Volkes zu verlängern, da sie hoffen, dass die Situation die Schwelle einer 'humanitären Krise' überschreitet und eine militärische Intervention auslöst.
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Noch könne von einer "humanitäre Krise" in Venezuela keine Rede sein, da es sich um eine "wirtschaftliche Krise" handele, "die nicht mit den humanitären Krisen in Gaza, dem Jemen, Libyen, Syrien, dem Irak, Haiti, Mali, der Zentralafrikanischen Republik, Südsudan, Somalia oder Myanmar verglichen" werden könne.
"Entscheidend ist es, die Ursachen der Krise zu untersuchen, einschließlich vernachlässigter Faktoren wie Sanktionen, Sabotage, Horten, Schwarzmarktaktivitäten, induzierte Inflation und Schmuggel von Lebensmitteln und Medikamenten", so der Bericht. Wer von einer "humanitären Krise" spreche, "sollte überprüfen, ob der Wirtschaftskrieg und die Sanktionen nicht eine wesentliche Ursache sind".
Auch im Interview mit RT sprach de Zayas von einem "Wirtschaftskrieg", den andere Länder gegen Venezuela führten. Zudem gebe es einen "internen Wirtschaftskrieg", wozu der Völkerrechtler ausführt:
Es gibt ein echtes Problem mit dem Horten. Der Privatsektor kauft Nahrung und Medikamente, die in Lagerhäusern liegen und auf dem Schwarzmarkt verkauft werden. Intern subventionierte Nahrung und Medikamente werden nach Kolumbien, Brasilien usw. geschmuggelt.
Schlimmer seien jedoch die Auswirkungen des "externen" Wirtschaftskrieges. "Die Sanktionen und insbesondere die finanzielle Blockade haben es praktisch unmöglich gemacht, zu kaufen und zu verkaufen." Der UN-Sonderberichterstatter verurteilt zudem die Anerkennung von Juan Guaidó durch eine Reihe westlicher Staaten. Es sei geradezu "obszön, die Demokratie zu zerstören und (gleichzeitig) Menschenrechte zu beschwören", so de Zayas.
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Das komplette Interview mit Alfred de Zayas können Sie sich hier anschauen:
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