Lateinamerika

Stichwahl in Kolumbien – Droht eine US-Intervention bei einem linken Wahlsieg?

Nachdem bei den Präsidentschaftswahlen in Kolumbien kein Kandidat die nötigen Stimmen erhielt, steht eine Stichwahl an. Dabei tritt ein Ex-Mitglied einer linken Rebellengruppe gegen einen Rechts-außen-Mogul an, der von einem Mitte-Rechts-Politiker unterstützt wird.
Stichwahl in Kolumbien – Droht eine US-Intervention bei einem linken Wahlsieg?Quelle: AFP © Raul ARBOLEDA / AFP

Das kolumbianische Präsidentschaftsrennen wird im kommenden Monat in einer Stichwahl entschieden, nachdem keiner der sechs Kandidaten bei der Wahl am Sonntag die erforderliche Stimmenmehrheit auf sich vereinigen konnte.

In der ersten Wahlrunde standen sich der Linke Gustavo Petro und Rodolfo Hernández vom rechten Rand des politischen Spektrums gegenüber. Petro ist ein ehemaliger Guerillakämpfer der linken aufständischen Gruppierung M-19, die in den 1990er-Jahren gleich nach der FARC die zweitstärkste Kraft war. Die Gruppe ging in die Politik, nachdem die M-19 einer Entwaffnung zugestimmt hatte. Hernández ist ein 77-jähriger Baumagnat und wurde berühmt, als er im Jahr 2018 einem politischen Gegner vor laufender Kamera ins Gesicht schlug. Die Videoaufnahme ging viral.

Beim doch recht knappen Wahlrennen lag Petro am Sonntag in Führung. Er hatte rund 40 Prozent der Stimmen auf sich vereint, während Hernández nach einer vorläufigen Auszählung mit 28 Prozent an zweiter Stelle lag.

Federico Gutiérrez, der ehemalige Bürgermeister von Medellin, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, kam mit rund 24 Prozent überraschend lediglich auf den dritten Platz. Dabei hätte er laut Umfragen problemlos den zweiten Platz einnehmen sollen. Nicht zuletzt hätte ihm die Unterstützung des amtierenden rechtsgerichteten Präsidenten Ivan Duque dazu verhelfen müssen. Duque selbst durfte zur Wiederwahl nicht antreten.

Nach dieser Niederlage forderte Gutierrez am Sonntagabend seine Anhänger auf, bei der kommenden Stichwahl nun für Hernández zu stimmen, um so sicherzustellen, dass der Linke Petro die Stichwahl nicht gewinnt.

Der politische Beobachter Benjamin Norton sah seine diesbezüglichen Erwartungen bestätigt und kommentierte:

"Das hat ja gar nicht lange gedauert. Kolumbianische Politiker, die den rechtsgerichteten Uribista-Kandidaten Fico Gutiérrez unterstützt hatten, haben sofort klargestellt, dass sie den rechtsextremen Demagogen Rodolfo Hernández gegen den Mitte-links-Kandidaten Petro unterstützen werden."

Hernández bezeichnet sich selbst als Korruptionsbekämpfer gegen das Establishment und positioniert sich als Anhänger einer Austeritätspolitik. Er hat versprochen, verschwenderische Staatsausgaben einzudämmen.

Petro sicherte im Rahmen der Wahlkampagne zu, die Erkundung von Erdölfeldern im Land zu beenden und die Rentenfonds umzuverteilen. Falls er die Stichwahl im Juni gewinnt, würde er der erste linksgerichtete Präsident in der Geschichte Kolumbiens werden. Der 62-Jährige war Abgeordneter im kolumbianischen Kongress und wurde im Jahr 2011 zum Bürgermeister von Bogotá gewählt. In den vergangenen Wochen musste er die Sicherheitsvorkehrungen verstärken und führte seinen Wahlkampf hinter kugelsicheren Schilden. Grund hierfür seien Morddrohungen gewesen.

In Kolumbien wurden in der Vergangenheit immer wieder Attentate auf linke Kandidaten verübt. Nicht zuletzt Carlos Pizarro, der oberste Befehlshaber von Petros Rebellengruppe M-19, wurde als Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen im Jahr 1990 von einem antikommunistischen Meuchelschützen getötet. Auch Bernardo Jaramillo, ein weiterer linkspolitischer Kandidat, wurde im selben Jahr ermordet.

Petros Kandidatur wird von einer jüngeren, progressiven Wählerschaft mitgetragen, wohingegen er der rechtsgerichteten amtierenden Regierung Duques gleichsam ein Dorn im Auge ist. Kritiker aus den Reihen der Rechten halten beständig an der These fest, dass Petro als Präsident Kolumbien in ein Ebenbild des angeblich "sozialistischen" (in Wirklichkeit lediglich sozialstaatlichen) und von Sanktionen in die Armut gestürzten Nachbarlandes Venezuela verwandeln würde.

Obwohl Petro bei den Wahlen 2018 gegen Duque verlor, hat sich die mit den USA verbündete Regierung in Bogotá in den vergangenen vier Jahren nicht gut geschlagen. Vielmehr geriet Kolumbien aufgrund der Reaktion seiner rechten Regierung auf die COVID-19-Pandemie in eine Wirtschaftskrise, die den bereits zuvor durch die brutale Niederschlagung landesweiter Proteste gegen Ungleichheit in der Gesellschaft, grassierende Korruption und Polizeigewalt angerichteten Schaden noch vergrößerte. 

Francia Márquez, Kolumbiens Spitzenkandidatin für das Amt des Vizepräsidenten an Petros Seite, warnte wenige Tage vor der Wahl am 29. Mai, die US-Regierung mische sich in die Wahlen in Kolumbien ein, um der linken Koalition Pacto Histórico zu schaden. Hierfür, so Márquez sinngemäß, bedient sich die Regierung Biden einer "Haltet den Dieb"-Taktik. Sie bezichtige Russland und Venezuela, dass sie es seien, die sich in die kolumbianischen Wahlen einmischen würden.

Auf diese Mühle der Vizepräsidentschaftskandidatin Márquez gießt auch das US-Parlament reichlich Wasser. Die republikanische Kongressabgeordnete für den US-Bundesstaat Florida Maria Elvira Salazar forderte am Freitag US-Präsident Biden unverblümt zur Intervention auf, um zu verhindern, dass Petro Präsident wird. Sie gab sich dabei – für die politische Streitkultur der USA nicht ungewöhnlich – recht ungehalten

"Gustavo Petro ist ein Dieb, ein Marxist und ein Terrorist. Und er will der nächste Präsident Kolumbiens werden, um die Kolumbianer in Elend, Hunger und Landesflucht zu stürzen. Sei sehr vorsichtig, Kolumbien. Die Entscheidungen von heute bestimmen das Morgen."

Nach Angaben des Roten Kreuzes ist die Gewalt in Kolumbien derzeit auf dem höchsten Stand, seit die Regierung im Jahr 2016 ein Friedensabkommen mit der Rebellengruppe FARC unterzeichnet hat. Petro kritisiert den von den USA geführten "Krieg gegen Drogen". Nicht zuletzt hätten die massiven Sicherheitsausgaben Kolumbien mitnichten davon abgehalten, ein führender Kokainproduzent zu bleiben oder der Bandengewalt ein Ende zu setzen. Kolumbien, so Petro, sollte auch seine Politik der Auslieferung mutmaßlicher Drogenbosse an die USA überdenken.

Weniger als eine Woche vor der Wahl unterzeichnete Biden ein Memorandum, welches Kolumbien den Status eines "wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten" Washingtons zuspricht – und zwar nachdem Bogota zugesagt hatte, ein Truppenaufgebot für die Ausbildung ukrainischer Soldaten für Minenräumungsarbeiten einzusetzen. Dieser Status bringt zwar wirtschaftliche Privilegien und Verteidigungsaufträge mit sich, beinhaltet aber keine ausdrücklichen Garantien im Verteidigungsfall wie eine NATO-Mitgliedschaft.

Mehr zum Thema – USA: Kolumbien ist neuer "wichtiger Nicht-NATO-Verbündeter" 

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