Lateinamerika

Als erstes Land der Welt: Argentinien erlaubt Anbau von Genweizen

Argentinien erlaubt als erstes Land der Welt den Anbau von Genweizen, der brasilianische Markt stellt sich dagegen. Agrarverbände und Umweltschützer schlagen Alarm.
Als erstes Land der Welt: Argentinien erlaubt Anbau von GenweizenQuelle: www.globallookpress.com © Dirceu Portugal/Keystone

von Maria Müller

Als erstes Land der Welt will Argentinien genmanipulierten Weizen im Freiland anbauen und vermarkten. Eine endgültige Entscheidung benötigt jedoch die Bereitschaft des bisherigen Hauptabnehmers Brasilien, dieses Hybridprodukt aufzukaufen. Der gentechnisch veränderte Weizen (GV-Weizen) heißt HB4 (trigo IND-OO412-7), er wurde durch den Erlass 41/2020 am 7. Oktober genehmigt. Die linksprogressive Regierung von Alberto Fernández öffnet damit die Tür für ein weltweit umstrittenes Produkt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) verursachte im Jahr 2004 der erste Typ von Genweizen von Monsanto aus den USA große Probleme auf der ganzen Welt. Anbau und Vermarktung mussten abgebrochen werden. 

Alarm in Brasilien und Argentinien

In Brasilien, dem größten Absatzmarkt für argentinischen Weizen, schlägt man Alarm. Erste Boykottaufrufe kommen vom Verband der Getreidemühlen und den weiterverarbeitenden Produzenten, auch von den kleinen und mittleren Landwirtschaftsbetrieben.

Nach 15 Jahren gemeinsamer Forschung des argentinischen Biotech-Unternehmens Bioceres mit einem Team der staatlichen Universität (UNL) sowie mit der Staatlichen Kommission für wissenschaftliche und technische Forschungen (CONICET) sei die angebliche Unschädlichkeit des GV-Weizens für die menschliche Gesundheit bewiesen worden.  

Sein Vorteil: Die Körner seien "stressresistenter" als die herkömmlichen Weizensorten. Das bedeutet widerstandsfähiger gegen Dürrezeiten, Hitze und Krankheiten. Auch Schädlinge könnten ihm weniger anhaben. Außerdem: Seine Ertragsfähigkeit sei schon im Voraus berechenbar, er würde 20 Prozent mehr erbringen.

Klimawandel als Argument für Genweizen

Das offizielle Argument hinter der umstrittenen Entscheidung ist der Klimawandel. Doch gerade dieses Modell der industrialisierten Landwirtschaft führt zur Zerstörung von riesigen Waldgebieten in Brasilien, Argentinien und Bolivien durch künstlich verursachte Waldbrände. Sie tragen erheblich zum Ausbleiben des Regens bei. Die Firma propagiert die Dürreverträglichkeit des genmanipulierten Saatgutes als Erfolgsschlager.

In Argentinien, dem Land der weiten Pampa-Ebenen, stehen rund 5,6 Millionen Hektar für den Weizenanbau zur Verfügung. Kein Gesetz verpflichtet dazu, die Produkte mit genmanipuliertem Saatgut zu kennzeichnen.

Die Staatliche Kommission für landwirtschaftliche Biotechnologie (CONABIA) Argentiniens versicherte nun (nach mehrjährigen Studien), dass sich die Risiken beim Anbau und der Vermarktung des Weizens HB4 nicht signifikant von denen des herkömmlichen Weizens unterscheiden würden. Er sei für die Ernährung von Mensch und Tier geeignet.

Die alarmierten Agrarunternehmer auf der brasilianischen Seite erklären nun, dass man den Hybridweizen boykottieren werde, auch wenn die brasilianische Regierung ihn genehmigte.

Der brasilianische Verband der Weizenindustrie (ABITRIGO), dessen Getreidemühlen bisher einen Großteil der argentinischen Ernte kauften, lehnt den Anbau und die Verwendung von transgenem HB4-Weizen in seinem Land ab. Die Organisation erklärte:

Wir sind gegen die Vermarktung sowohl des GV-Mehls als auch des GV-Getreides. Wir ersuchen die brasilianischen Institutionen, den Verkauf dieser Produkte in Brasilien nicht zu genehmigen.

Und weiter:

Der GV-Weizen wurde bis heute nicht autorisiert. Er bietet den Konsumenten keinerlei Vorteile, es geht hier nur um höhere Gewinnspannen.

Carlos Iannizzotto, Präsident der argentinischen Landwirtschaftskooperativen (CONINAGRO), erläuterte seinerseits gegenüber der Presse:

Auch wenn die brasilianische Regierung den HB4 autorisiert, bedeutet das noch lange nicht, dass der brasilianische Markt ihn aufkauft. In Brasilien sind 85 Prozent der Produzenten gegen den GV-Weizen, und 90 Prozent sagten, sie würden keinen argentinischen Weizen mehr kaufen, falls dessen Vermarktung und Export nach Brasilien beginnt.

Gefahr der genetischen Verseuchung des gesamten Weizens

Carlos Achetoni, Präsident des argentinischen Agrarverbandes, warnt vor der Gefahr, dass der Hybridweizen das konventionelle Getreide kontaminiert und von den bisherigen Käufern dann zurückgewiesen wird.

Dann verlieren wir auch das noch, was wir bislang schon abgesetzt haben.

Außerdem bestünde die Möglichkeit, dass die Abnehmer Schadensersatz für genetisch kontaminiertes Getreide und Saatgut verlangten. Deshalb fordern die argentinischen Agrarbetriebe das Landwirtschaftsministerium nachdrücklich dazu auf, "die Verantwortung für die direkten Folgen zu übernehmen und die wirtschaftlichen und kommerziellen Verluste für alle Weizenproduzenten auszugleichen”.

Außerdem müssten die daraus entstehenden Veränderungen im Binnenmarkt und beim Export staatlich getragen werden.

Rundum Ablehnung auch in Argentinien

Die mit Weizen befassten Institutionen und Organisationen Argentiniens fordern vom Landwirtschaftsministerium, die Genehmigung rückgängig zu machen. So die Weizenbörsen von Buenos Aires, Bahía Blanca, Córdoba, Chaco, Entre Ríos und Santa Fe; die Handelsbörse von Rosario, die Kammer der industriellen Getreidemühlen, 950 Logistikfirmen, der Verband der Getreideexporteure, der Landwirtschaftsverband Argentiniens, die Agrarkooperativen CONINAGRO und weitere Organisationen. 

Die argentinische Betreiberfirma Bioceres (Teilhaber Monsanto & Co.) hat auch in den Nachbarländern Uruguay, Paraguay und Bolivien beantragt, den künstlichen Weizen zu genehmigen. Das Unternehmen will zudem in die USA, Australien und Russland sowie in asiatische und afrikanische Staaten vordringen.

Starke Kritik am Genehmigungsverfahren

So manipuliert wie die Genetik der Pflanzen scheint auch das langjährige Genehmigungsverfahren für den Hybridweizen zu sein, das sich quer durch verschiedene Regierungen hinzog.

Fernando Frank von der Bauernvereinigung aus dem Conlara-Tal erhellt einige Zusammenhänge im Hintergrund der argentinischen Regierungserlaubnis. Die Bevölkerung hatte keine Möglichkeit, sich zu beteiligen: Das sei ein Verfassungsverstoß.

Sie können nicht behaupten, dass die genetisch manipulierten Pflanzen keine gesundheitsschädigenden Folgen haben. Wir hatten noch nicht einmal Zugang zu den angeblichen Sicherheitsstudien. Sie werden geheimgehalten.

Laut Frank wurden die Unschädlichkeitsstudien von den gleichen Unternehmen durchgeführt, die die Genpflanzen herstellen. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind vertraulich. Die Nationale Kommission für Biotechnologie (Conabia) wurde bis März 2020 mehrheitlich von den Unternehmen kontrolliert: Von den 34 Mitgliedern gehörten 26 den Firmen an oder haben Interessenkonflikte. In drei Jahren autorisierten sie 16 GV-Agrarpflanzen. 

Ernährungssicherheit und regionale Souveränität

Fernando Frank erklärt:

Es steht viel auf dem Spiel, insbesondere die lokale Souveränität. Nach dem Vorstoß der transgenen Industrie verliert das nicht-transgene Saatgut an Boden. Am Ende unterliegt die gesamte Agrarproduktion ausländischen multinationalen Unternehmen. Wenn sich das transnationale Agrobusiness in einem Markt festsetzt (und diesen korrumpiert), gibt es so viel Geld zu verteilen, dass die Warteschlange derjenigen, die korrumpiert werden möchten, immer größer wird.

Inzwischen kursiert ein bereits vielfach unterzeichnetes Manifest gegen den HB4-Weizen im Internet, worin die negativen Auswirkungen detailliert aufgezählt sind:

In Argentinien werden bereits 107 international verbotene Pestizide eingesetzt. Die WHO stuft davon 36 als "hochgefährlich" ein. Jährlich sind das 525 Millionen Liter von stark gesundheitsgefährdenden Giften. Die neue Genehmigung erhöht das Gefahrenvolumen.

Ammoniumglyphosat noch gefährlicher als Glyphosat

Das Ammoniumglyphosat ist ein noch gefährlicheres Pflanzengift als das Glyphosat. Es verursacht Missbildungen und/oder den Tod bei ungeborenen Kindern. Es schädigt das Nervensystem und verändert die Cholinesterase mit zahlreichen Krankheitsfolgen. Restbestände des Glufosinats verbleiben im Mehl, weswegen die gesamte Bevölkerung seiner Wirkung ausgesetzt wird. 

Es sei technisch unmöglich, die Produktion und Verteilung zwischen dem herkömmlichen Weizen und HB4-Weizen getrennt zu halten. Der Schaden für die argentinische Bevölkerung und für den Weizenmarkt wäre endgültig und nicht mehr rückgängig zu machen. 

Die transnationalen GV-Konzerne haben bereits angekündigt, als nächsten Schritt das "Samengesetz" Argentiniens verändern zu wollen. Den Bauern soll eigenproduziertes Saatgut verboten werden, "um die Investition in der Forschung" wieder zurückzuerhalten: Alle Saat muss jährlich neu gekauft werden.

Die Vereinten Nationen intervenierten in diesem Zusammenhang bereits zweimal in Argentinien. Das UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und die Vertreterin der UNO für adäquate Ernährung forderten das Land 2018 und 2019 auf, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Die Genehmigung des HB4-Weizens zeigt in die entgegengesetzte Richtung.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.