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"Tunesiens Berlusconi" und "Robocop" – Zwei Newcomer gehen in Stichwahl ums Präsidentenamt

Zwei Außenseiter haben in der ersten Runde der tunesischen Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmen erhalten, während etablierte Parteien deutlich verloren. Vor der Stichwahl Anfang Oktober haben Kaïs Saïed und Nabil Karoui jedoch unterschiedliche Ausgangspositionen.
"Tunesiens Berlusconi" und "Robocop" – Zwei Newcomer gehen in Stichwahl ums PräsidentenamtQuelle: www.globallookpress.com

In der ersten Runde der tunesischen Präsidentschaftswahlen hat ein politischer Außenseiter ohne Partei, der Juraprofessor Kaïs Saïed, offenbar die meisten Stimmen erhalten.

Saïed sowie Nabil Karoui, der wegen des Verdachts der Geldwäsche und Steuerhinterziehung inhaftierte Inhaber des TV-Senders Nessma TV, erhielten mehr als die Hälfte der bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gezählten Stimmen. Laut der offiziellen Ankündigung der Wahlkommission vom Dienstag kam Saïed auf 18,4 Prozent der Stimmen, während Karoui 15,6 Prozent erhielt.

Neben Saïed und Karoui standen 24 weitere Kandidaten zur Wahl, darunter der Premierminister, zwei ehemalige Premierminister, ein ehemaliger Präsident und der Verteidigungsminister.

Klarer Verlierer scheint das bisherige Establishment zu sein. Ministerpräsident Youssef Chahed kam auf lediglich 7,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, Verteidigungsminister Abdelkarim Zbidi lag mit 10,7 Prozent knapp davor. Und auch der Kandidat der islamisch-konservativen Ennahda, Abdelfattah Mourou, verpasste mit 12,9 Prozent deutlich den Einzug in die Stichwahl. Die Wahlbeteiligung lag mit 45 Prozent weit unter dem Wert der letzten Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren. 

"Wir haben die Botschaft des tunesischen Volkes erhalten", sagte Premierminister Chahed am Sonntag nach den Wahlen und räumte die Niederlage ein.

Die Wähler haben eine Revolution innerhalb eines rechtlichen Rahmens durchgeführt", sagte Saïed zu den Ergebnissen."Sie wollen etwas Neues. Neues politisches Denken."

Der Juraprofessor warb in seinem Wahlkampf, den er ohne große Bühne von Haustür zu Haustür führte, für eine Überarbeitung der Verfassung, eine Dezentralisierung und ein Ende der grassierenden Korruption.

Er steht für sehr konservative Positionen, unterstützt die Todesstrafe, die Kriminalisierung von Homosexualität und ein Gesetz, das unverheiratete Paare bestraft, die in der Öffentlichkeit Zuneigung zeigen. Die Tunesier scherzten, Saïeds Wahlkampf habe nicht mehr als ein Kaffee und eine Schachtel Zigaretten gekostet.

Er positionierte sich klar abseits der beiden etablierten Hauptparteien Tunesiens, der säkulären Partei Tahya Tounes ("Lang Lebe Tunesien"), die sich Anfang des Jahres von der Nidaa Tounes des im Juli verstorbenen Präsidenten Beji Caid Essebsi abspaltete, und der Ennahda-Bewegung, die sich als muslimisch-demokratische Partei bezeichnet. Essebsi wird als erster frei gewählter Präsident seit dem sogenannten Arabischen Frühling bezeichnet. Der Zuspruch der Bevölkerung ist jedoch Desillusionierung gewichen.

Als Zine el Abidine Ben Ali, der am Donnerstag im Alter von 83 Jahren gestorben ist, nach Massenprotesten gegen seine Herrschaft im Januar 2011 sein Land verließ, hatten viele Tunesier Hoffnung auf weitreichende Reformen und eine Verbesserung der Lebensumstände aller Tunesier. Doch seit 2016 sind die Lebenshaltungskosten um fast ein Drittel gestiegen, die Arbeitslosigkeit liegt bei 15 Prozent. Außerdem veranlassten vom IWF geforderte Preiserhöhungen für Getreide und Brot im vergangenen Jahr viele zu Protesten gegen die Regierung. Zahlreiche Tunesier verlassen das Land, viele stecken derzeit auf Lampedusa fest. Sie haben kaum Chancen, in der EU politisches Asyl zu erhalten, dennoch versuchen viele wegen der wirtschaftlichen Lage und aufgrund der Enttäuschung nach der Revolution, das Land zu verlassen.

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In den sozialen Medien werden die beiden Politneulinge auch mit ihren Spitznamen "Robocop" für Saïed, da er öffentlich in Standard-Arabisch statt in lokalem Dialekt spricht, und "Medienmogul" oder "Berlusconi Tunesiens" bezeichnet. Karoui inszeniert sich seit Jahren auch über seinen Fernsehsender Nessma TV und mit seiner Wohltätigkeitsorganisation in der Rolle des Vertreters der Armen im tunesischen Hinterland.

Bereits jetzt haben sich mehrere Parteien hinter die jeweiligen Kandidaten gestellt. Während mehrere Politiker Saïed unterstützen, etwa Hamadi Jebali, ehemaliger Premierminister der gemäßigt islamistischen Ennahda-Bewegung, der Vorsitzende der Demokratischen Strömung Mohamed Abbou, Lotfi Mraihi von der Republikanischen Volksunion, der Parteivorsitzende von Al-Irada Moncef Marzouki und Abdellatif Mekki von der Ennahda-Bewegung, ist es schwieriger für jene Parteien und Politiker, die sich weniger konservative Positionen wünschen, da Karoui mit Geldwäsche und Korruption in Verbindung gebracht wird. 

Die Vorwürfe sind bereits drei Jahre alt. Kurz vor Beginn des offiziellen Wahlkampfs vor drei Wochen wurde Karoui festgenommen. Er leugnet jedes Fehlverhalten, und seine Anhänger sehen darin ein politisches Manöver. Karoui konnte nicht an den vor der Wahl im Fernsehen übertragenen Debatten teilnehmen, und die Wahlbeobachter haben sich besorgt geäußert, dass den Wählern die Möglichkeit vorenthalten wurde, seine Wahlkampagne zu hören.

Ein Antrag auf Freilassung aus der Untersuchungshaft sei gescheitert, hieß es am Mittwoch nach der Wahl. Der Richter habe es abgelehnt, eine Entscheidung zu fällen, da er nicht zuständig sei.

Bereits vor der ersten Wahlrunde am Sonntag hatten seine Anwälte zweimal erfolglos versucht, eine Freilassung ihres Mandaten zu erreichen."Wir werden in Berufung gehen", so Karouis Anwalt.

Die Stichwahl wird voraussichtlich parallel zur Parlamentswahl am 6. Oktober oder eine Woche später stattfinden.

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