Afrika

Interview aus Bamako: "Nach Beginn westlicher Militärmission in Mali nahm die Sicherheit ab"

Im Gespräch mit RT Deutsch hat Olivier Dubois, der seit Jahren als Westafrika-Journalist in der malischen Hauptstadt Bamako lebt, den mangelnden Erfolg westlicher Militärmissionen gegen den Terror, die Wahlen in Mali und die Flüchtlingskrise erläutert.
Interview aus Bamako: "Nach Beginn westlicher Militärmission in Mali nahm die Sicherheit ab"Quelle: Reuters

von Ali Özkök

Olivier Dubois ist freier Journalist und Westafrika-Experte, der sich auf politische Entwicklungen in Mali und der übrigen Sahelzone spezialisiert hat. Seit Jahren lebt er in Mali und berichtet aus Bamako für zahlreiche französischsprachige Medien wie Monde Afrique, Le Point Afrique, Mali Web und Journal du Mali.

Die Stabilitätsmission Frankreichs und seiner Verbündeten in Westafrika wird in den europäischen Medien als Erfolg gefeiert. Sie leben in Mali. Wie schätzen Sie die Realität am Boden ein?

Es ist normal, dass Länder, die Streitkräfte in Mali eingesetzt haben, wie die UNO mit der MINUSMA-Mission, die etwas mehr als 13.000 Soldaten umfasst, oder Frankreich mit Barkhane, das mehr als 4.000 Soldaten am Boden hat, ihre Aktivitäten vor Ort loben. Aber eines muss auch gesagt werden: Die MINUSMA-Mission, deren Priorität darin besteht, die Umsetzung des Friedensabkommens von Algier zu unterstützen und zur Wiederherstellung der staatlichen Autorität für eine Rückkehr zu Stabilität und Frieden im Land beizutragen, hat es in fünf Jahren nicht geschafft, diese Ziele zu erreichen.

Viele Malier verstehen nicht, warum sich die Sicherheitslage mit der Anwesenheit dieser Truppe noch weiter verschlechtert hat. Es wird oft kritisiert, dass die Truppen in ihren Militärbasen in Gebieten mit hoher Sicherheitsinstabilität eingesperrt sind. Die Truppe hat seit Beginn ihrer Mission 170 Mann verloren, was sie zur bislang tödlichsten Friedensmission dieser Art macht. Das verstärkt den Gedanken, dass sich die UN-Mission trotz ihrer starken Präsenz im Land nicht einmal selbst schützen kann.

Auch für Barkhane, die insgesamt 5.000 Soldaten umfasst, ist die Aufgabe nicht einfacher. Die Mission ist für den aktiven Kampf gegen den Terrorismus in der gesamten Sahelzone zuständig. Die Glaubwürdigkeit der Truppe in Fragen ihrer Wirksamkeit gegen Dschihadisten im Norden und im Zentrum Malis hat nicht nur unter der malischen Bevölkerung gelitten, sondern auch außerhalb.

Nichtsdestotrotz gab es seit Ende 2017 auch hochwirksame Operationen gegen terroristische Rückzugsgebiete, von denen einige, wie im Norden Malis oder an der Grenze zu Mali-Niger, mehrere wichtige Kader terroristischer Gruppen, die in diesen Gebieten tätig sind, ausgedünnt haben. Aber dieser langfristige Kampf gegen den Terrorismus in der Region kann nicht allein von den Barkhane-Truppen gewonnen werden.

Welche Aspekte des Konflikts in Mali werden Ihrer Meinung nach nicht ausreichend behandelt? Gibt es Herausforderungen im Kampf gegen Islamisten und Tuareg-Aufständische?

Ich würde sagen, wir sind hauptsächlich überrascht, dass der Terrorismus in Mali nach fünf Jahren mit so vielen internationalen Truppen vor Ort nicht weniger geworden ist. In einigen Gebieten des Landes, insbesondere im Zentrum, weiß die Lokalbevölkerung, wo die Terroristen beherbergt sind. Einige haben sogar beschlossen, mit ihnen zu leben und zu kooperieren. Die Herausforderung besteht meines Erachtens darin, die Unterstützung der Bevölkerung sicherzustellen, damit sie die internationalen und malischen Streitkräfte in diesem Kampf gegen den Terrorismus informieren und unterstützen kann.

Wie wichtig ist die Flüchtlingsfrage für die europäischen Aktivitäten in Westafrika?

Der Zustrom von Migranten ist eine echte Herausforderung, die Europa kontrollieren will. Für die Europäer ist der große Zustrom von Wirtschaftsmigration ein zunehmend hartnäckiges Problem. Sie versuchen, diese Einwanderung zu kontrollieren, die eine der komplexesten Herausforderungen in den Beziehungen zwischen Europa und Afrika darstellt.

Die EU plant, bis 2020 bis zu acht Milliarden Euro für Entwicklungshilfe in der Region auszugeben und eine Reihe von Programmen und drei verschiedene Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu finanzieren. Glauben Sie, dass dies helfen wird, die Ursachen richtig zu bekämpfen?

Das ist nicht alles eine schlechte Sache. Diese Hilfe kann durchaus dazu führen, dass die notwendige Arbeit und Verantwortung der verantwortlichen Staaten in Westafrika selbst geleistet werden kann und das Phänomen der Abhängigkeit beschränkt wird.

Einige Quellen behaupten, dass die Islamisten den Norden Malis noch mehr oder weniger kontrollieren. Was ist Ihre Bewertung?

Dschihadisten haben in bestimmten Gebieten des Nordens und in der Mitte des Landes die Kontrolle. Wie wir wissen, unterhalten auch einige nicht-dschihadistische bewaffnete Gruppen enge Beziehungen zu ebendiesen dschihadistischen Gruppen. Auch die Bevölkerung steht im Austausch mit den Gruppen, vor allem in Gebieten, in denen der Staat nicht präsent ist. Das ist die Schwierigkeit des Kampfes gegen den Terrorismus in Mali. Um dieses Übel wirksam zu bekämpfen, muss man wissen, wer wo steht. Am wichtigsten ist, dass die Rückkehr der staatlichen Autorität in diesen Bereichen wirksam werden muss.

Wie werden die ausländischen Truppen der Barkhane-Mission von der lokalen Bevölkerung nach den ersten Operationen, die bereits Jahre alt sind, wahrgenommen? Werden die Befreier noch gefeiert?

Das Image der Barkhane-Truppe baute sich ab 2013 auf und verschlechterte sich mit den zunehmenden Sicherheitsproblemen. Ich denke, dass das Bild der französischen Truppe in Bamako zum Beispiel nicht das gleiche ist wie in Ménaka. In Gebieten, in denen Unsicherheit herrscht, werden die Barkhane-Truppe und ihr Handeln von der Bevölkerung positiver bewertet als in der Hauptstadt, die im Allgemeinen von Terroranschlägen verschont bleibt.

Deutschland plant, seinen Militäreinsatz in Form einer Ausbildungsmission nach Niger, Mauretanien und Burkina Faso auszuweiten. Inwieweit macht das Sinn oder auch nicht?

Deutschland hat seine militärische Präsenz in der Sahelzone verstärkt, ist in Mali stärker als anderswo im Einsatz und behauptet sich mehr und mehr als wichtiger Akteur in Westafrika, aus geopolitischen und geo-ökonomischen Gründen, aber auch, wie bereits erwähnt, um die für dieses Land wichtige Migrationsfrage einzudämmen.

In Mali fanden Wahlen statt. War die Bevölkerung angesichts der Kriegsinstabilität im Land auf diese Phase vorbereitet?

Die Frage stellte sich tatsächlich, da ein hohes Maß an Unsicherheit im Land herrscht. Hinzu kommen die Tausenden von Flüchtlingen außerhalb des Landes. Aber auch im Jahr 2013 herrschte diese Situation und es fanden Wahlen statt. Meiner Meinung nach ist nicht so sehr die Vorbereitung der Bevölkerung wichtig, sondern vielmehr der jeweilige Kandidat und das politische Projekt, das er den Maliern anbieten wird, um das Land wieder auf den Weg der Stabilität und des Friedens zu bringen.

Die Präsidentschaftswahlen in Mali werden den künftigen Weg des Landes in Richtung Stabilität oder Rückkehr zur Gewalt bestimmen, schreibt der Europäische Rat zu den Außenbeziehungen. Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Der Kandidat, der aus dem zweiten Wahlgang als Sieger hervorgehen wird, wird die schwere Aufgabe haben, die Umsetzung des Abkommens von Algier wieder in Gang zu bringen, das seit drei Jahren um Fortschritte kämpft und mit der Instabilität des Landes verbunden ist. Ja, von dieser Wahl hängt also die Zukunft des Landes ab, dessen Stabilität noch nicht wirksam ist und das mit multidimensionalen Problemen konfrontiert ist.

Das malische Verfassungsgericht wies Beschwerden der Opposition gegen das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zurück. Wie sehen Sie die Beschwerde der Opposition? Ist sie im Recht?

Schwer zu sagen. Was ich sagen kann, ist, dass die meisten der abgelehnten Beschwerden abgelehnt wurden, weil sie nach Ablauf der gesetzlichen Frist für die Übermittlung dieser Beschwerden an das Organ übermittelt wurden. Es ist also nicht wirklich der Inhalt dieser Beschwerden, der abgelehnt wurde. Sicher ist, dass es in verschiedenen Teilen des Landes tatsächlich Unregelmäßigkeiten gegeben hat, insbesondere in Bezug auf Wahlurnen und Vollmachten. Allerdings gab es auch 18 Oppositionskandidaten, die diese Unregelmäßigkeiten oder Betrügereien anprangerten. Das ist an sich kein Novum für die Wahlen in diesem Land.

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