Afrika

Äthiopische Armee fliegt Luftangriffe: EU stellt "angemessene Reaktion" und Sanktionen in Aussicht

Äthiopien kommt nicht zur Ruhe, der Konflikt zwischen der Armee und den Kämpfern der TPLF eskaliert weiter. Nun flog die äthiopische Luftwaffe nach eigenen Angaben gezielte Angriffe auf TPLF-Infrastruktur in Mek'ele, der Hauptstadt der Region Tigray. Die USA und die EU fürchten um den Frieden und die Menschenrechte.
Äthiopische Armee fliegt Luftangriffe: EU stellt "angemessene Reaktion" und Sanktionen in AussichtQuelle: www.globallookpress.com

Vor wenigen Tagen startete die äthiopische Armee eine neue Offensive gegen die Rebellen der sogenannten Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF). Seit Anfang der Woche habe es schwere Kämpfe zwischen Sicherheitskräften der Zentralregierung und Rebellen in Tigray gegeben, gab das Verteidigungsministerium in Addis Abeba Ende letzter Woche bekannt. Die TPLF habe schwere Verluste hinnehmen müssen. Bei den Angriffen sollen Artillerie, Drohnen und Kampfflugzeuge zum Einsatz gekommen sein, um den Rebellen Einhalt zu gebieten, die nach Angaben der Regierung zuletzt in den Provinzen Amhara und Afar den Tod zahlreicher Zivilisten verschuldet haben sollen.

Die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestufte TPLF wies die Anschuldigungen erneut zurück und wandte sich ihrerseits an die "internationale Gemeinschaft", um dem vermeintlichen "Genozid" an der Bevölkerung in der Region Tigray ein Ende zu setzen. Nun bestätigten sich Berichte, wonach die äthiopische Armee am Montag Luftangriffe auf Ziele in Tigrays Hauptstadt Mek'ele durchgeführt hat.

Die äthiopische Luftwaffe teilte am Montagabend laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ethiopian Press Agency mit, sie habe "Kommunikationsmasten und -ausrüstung" angegriffen und sich somit vor allem auf die kommunikative Infrastruktur der Rebellen konzentriert. Es habe "äußerste Sorgfalt gegeben, zivile Opfer zu vermeiden".

Wie TPLF-Sprecher Getachew Reda über Twitter mitteilte, sei es offensichtlich, dass das Ziel der Luftangriffe eine möglichst hohe Anzahl ziviler Opfer gewesen wäre:

"Die Luftwaffe von [Ministerpräsident] Abiy Ahmed schickte ihren Bomber, um zivile Ziele in und außerhalb von Mek'ele anzugreifen. Montag ist Markttag in Mek'ele & die Absicht ist nur allzu greifbar."

Nach Angaben des TPLF-Zentralkomitees sollen bei den Luftschlägen drei Menschen ums Leben gekommen und Dutzende weitere verletzt worden sein. Eines der Ziele sei zudem das "Planet Hotel" gewesen, wo zahlreiche humanitäre Organisation bis vor Kurzem ihre Mitarbeiter untergebracht hatten, so Reda. Nach unbestätigten Berichten soll die TPLF den Gebäudekomplex als logistischen Unterschlupf genutzt haben.

Die Vereinten Nationen in New York sprachen derweil von "alarmierenden Berichten". UN-Sprecher Stéphane Dujarric äußerte stellvertretend große Besorgnis:

"Wir sind zutiefst besorgt über die möglichen Auswirkungen auf Zivilisten, die in den betroffenen Gebieten wohnen oder arbeiten."

Die äthiopische Regierung äußerte sich bislang nicht zu den Luftangriffen, beschuldigte die TPLF am Montag jedoch ihrerseits, mindestens 30 Zivilisten durch den Einsatz schwerer Artillerie getötet zu haben. Zudem kam aus Addis Abeba erneut Kritik an der mutmaßlichen Einseitigkeit und Parteinahme seitens der EU und der USA.

Am 17. September erließ die US Regierung die Exekutiv-Order zu einer – wie es heißt – "Verhängung von Sanktionen gegen bestimmte Personen im Zusammenhang mit der humanitären und Menschenrechtskrise in Äthiopien". Diese Anweisung ebnet den Weg zur Verhängung weitreichender Sanktionen und Reisebeschränkungen, um der Bedrohung von "Frieden, Sicherheit und Stabilität in Äthiopien und in der Region am Horn von Afrika" Einhalt zu gebieten.

Nach Angaben der US-Regierung würden u.a. die zu beobachtenden "schweren Menschenrechtsverletzungen (...) eine ungewöhnliche und außergewöhnliche Bedrohung für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der Vereinigten Staaten" darstellen. Im Namen von US-Präsident Biden heißt es:

"Ich erkläre hiermit den nationalen Notstand, um dieser Bedrohung zu begegnen."

Am 7. Oktober folgte das EU-Parlament mit einer eigenen Resolution zur "humanitären Situation in Tigray". In dem Schreiben wird offiziell auch die TPLF als verantwortliche Konfliktpartei adressiert. So werden darin etwa die Rebellen aufgefordert, "ihre Offensive einzustellen und ihre Truppen unverzüglich aus den Regionen Amhara und Afar zurückzuziehen". Praktische Konsequenzen gab es bisher jedoch nur für die Regierung Abiy Ahmeds, wie etwa die Einfrierung von Finanzhilfen. Zudem schlägt man den Einsatz von Sanktionen vor, die sich theoretisch – über die äthiopische Regierung hinaus – auch gegen die Regierung von Eritrea, die TPLF und "andere" Akteure richten sollen. Daneben wird wiederum ein Waffenembargo gegen Addis Abeba ins Spiel gebracht.

"[Das EU-Parlament] fordert die Mitgliedsstaaten auf, die Ausfuhr von Waffen und Überwachungstechnologie nach Äthiopien zu stoppen, die zur Erleichterung von Angriffen auf die Zivilbevölkerung und zur Begehung von Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden."

Nach den Luftangriffen auf die Ziele in Mek'ele meldete sich nun auch erneut der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zu Wort und stellte eine "angemessene Reaktion" und den "Beginn der Arbeit an Sanktionen" in Aussicht.

"Tigray ist von systematischen Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zerrüttet, die als Waffe eingesetzt werden."

Zuvor hatte Borrell die äthiopische Regierung beschuldigt, humanitäre Hilfslieferungen nach Tigray zu blockieren. Zudem kritisierte er die Ausweisung von sieben UNO-Mitarbeitern durch die äthiopische Regierung. Letztere hatte den UNO-Angestellten eine unerwünschte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Äthiopiens vorgeworfen.

Parallel dazu wird die äthiopische Regierung längst mit einem mutmaßlichen "Völkermord" in Verbindung gebracht. Ministerpräsident Abiy Ahmed, der aufgrund des historischen Friedensabkommens mit Eritrea noch den Friedensnobelpreis erhielt und bis vor Kurzem noch als junger "Reformpräsident" galt, wurde schon längst zum "Kriegstreiber" umdeklariert.

Was Eritrea anbelangt, so hatte man von Asmara aus an der Seite der Regierung in Addis Abebas offiziell in den Konflikt eingegriffen. Auch der eritreische Außenminister Osman Saleh beschuldigte die EU und USA der Einseitigkeit. Zudem greife die TPLF nunmehr auch Gebiete in diesem  Nachbarland von Äthiopien an:

"Wir finden die Position bestimmter Länder unverzeihlich, besonders die der USA und der europäischen Verbündeten. Sie verteidigen die TPLF und wollen ihr um jeden Preis Mittel zur Verfügung stellen, sich zu rehabilitieren."

Der militärische Konflikt, der längst eine schwere humanitäre Krise nach sich zog, nahm seinen Anfang, als die äthiopische Armee  im November 2020 die Kontrolle über den größten Teil der nördlichen Region Tigray übernahm, nachdem TPLF-Kräfte einen Militärstützpunkt in ihre Gewalt gebracht hatten. Anfang November hatte Ministerpräsident Abiy mitgeteilt:

"Die Armee wurde von ihren eigenen Bürgern von hinten angegriffen, und es gab viele Gefallene, Verwundete und zerstörtes Eigentum."

Dutzende äthiopische Soldaten kamen nach Angaben der äthiopischen Regierung bei dem Angriff der TPLF-Kämpfer ums Leben.

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