Neues Opfer des US-Überwachungswahns: Facebook-Chat führt zu Einreiseverbot in die USA

Der 19-jährigen Abiturientin Aimee Valentina Schneider aus Hessen wurde am Flughafen in Philadelphia die Einreise in die USA verwehrt. Grund: In einem Facebook-Chat schlug ihre Großcousine Schneider vor, dass diese auf die Nachbarskinder aufpassen könnte. Für die US-amerikanischen Behörden ein Beleg dafür, dass die junge Frau illegal in den Vereinigten Staaten arbeiten wollte. Doch wie wurden die Beamten überhaupt auf Schneider aufmerksam?
Neues Opfer des US-Überwachungswahns: Facebook-Chat führt zu Einreiseverbot in die USAQuelle: Reuters © Enny Nuraheni

Mit dem harten Vorgehen des deutschen Staates gegen die überwachungskritischen Aktivisten und Journalisten der Plattform netzpolitik.org, wurde der seit zwei Jahren schwelende Spionageskandal um die NSA und ihre Partnerdienste für viele bisher unbedachte Beobachter ungewohnt konkret. Überwachung ist eben nicht nur ein technisches Missgeschick, sondern rüttelt an den Grundpfeilern einer offenen und freien Gesellschaft - und zerstört diese schließlich auch. Der Angriff der Überwachungsmaschine auf ihr nicht wohlgesonnene Kritiker ist dabei nur ein besonders krasser Fall.

Was die lückenlose, anlasslose Massenüberwachung und die gezielte Zerstörung jeglicher Privatsphäre durch autoritäre Geheimdienste im Alltag bedeuten kann, musste nun auch die 19-jährige Aimee Valentina Schneider lernen. Schneider wollte von Deutschland aus ihre Großcousine in Cleveland besuchen, zuvor chatteten die beiden jungen Frauen ausgiebig auf Facebook über die geplante viermonatige Reise. Nach dem Abitur freute sich die Hessin auf den Aufenthalt in der Ferne. Zahlreiche Verwandte gab es zu besuchen und für eine Auffrischung der Sprachkenntnisse ist solch ein Urlaub ebenfalls hilfreich. Im Chat fiel dann beiläufig die Bemerkung, dass Schneider während ihres Besuches auch ein bisschen auf die Nachbarskinder der Großcousine aufpassen könne. Diese Zeilen wurden der Urlauberin schließlich zum Verhängnis.

Bei ihrer Ankunft am Flughafen von Philadelphia wurde die 19-Jährige gezielt aus der Menge gepickt und zum äußerst umfangreichen Verhör gebeten. Dabei wurde von den Beamten unter anderem direkt auf besagten Facebook-Chat Bezug genommen:

"Haben Sie Nachrichten in Ihrem Handy, in denen steht, dass Ihre Cousine Ihnen angeboten hat, auf die Nachbarskinder aufzupassen, und dass Sie ihr erzählt haben, dass Sie einen gültigen Führerschein haben und somit die Kinder zur Schule fahren können?"

So wurde der Reisenden schließlich vorgeworfen, in den USA illegal als Au-Pair-Mädchen arbeiten zu wollen, was diese in ihrem Visumsantrag verschwiegen habe und deshalb nicht in die Vereinigten Staaten einreisen darf. Das Mädchen wurde zurück nach Deutschland geschickt. Jäh zerplatzten die Träume vom verdienten Urlaub nach dem Stress der Abitur-Prüfungen.

Doch viele Fragen bleiben auch nach Schneiders erzwungener Rückreise offen. Vor der Befragung wurde das Handy der Reisenden konfisziert. Unklar bleibt deshalb zunächst, ob die Beamten erst dadurch auf den "verwerflichen" Chat aufmerksam wurden oder schon vor der Bitte zum Verhör von den privaten Nachrichten Schneiders wussten. Oder geriet Schneider einfach ins Netz der moderenen Rasterfahndung? Letzteres ist sehr wahrscheinlich.

Begründet mit dem vorgeblichen Ziel der Terrorismusbekämpfung haben die US-Behörden nach dem 11. September 2001 unter dem Projektnamen "Terrorist Screening Database" "Gefährder"-Listen mit vielen Millionen Einträgen erstellt. Die "harten Fälle" landen dabei direkt auf der No Fly-Liste (Einreiseverbot). Allen Reisenden, denen irgendwie - und mit nicht weiter erläuterten Methoden - "Verbindungen" zu ebenfalls nicht weiter definierten "Terroristen" nachgesagt werden kann, landen auf einer Beobachter-Liste und werden bei ihrer Einreise in die Vereinigten Staaten besonders hart kontrolliert und ausgefragt. Vermutlich befand sich Schneider auf dieser "Selectee List".

Nicht nur unbescholtene US-Amerikaner geraten auf diese Weise ins Fadenkreuz der Überwachungsmaschine, auch Menschen aus anderen Regionen der Welt können so von den US-Geheimdiensten als Zielpersonen deklariert werden und werden bei der Einreise in die USA besonders scharf kontrolliert. Zum lückenlosen Abgreifen der Online-Kommunikation der betroffenen Person ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.

Auch Laura Poitras, die den Snowden-Dokumentarfilm „Citizenfour“ produzierte, wurde in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben schon über 50 mal intensiv bei der Einreise in die USA befragt. Ebenfalls zu diesen Praktiken passt der Fall der Frankfurterin Linda de Vos. Der 69-Jährigen wurde vergangenes Jahr die Ausreise von Deutschland in die USA verweigert, weil sie im Jahre 1968 (!) bei einer US-kritischen politischen Aktion beteiligt war. Das Netz vergisst nichts.

Immer eindeutiger wird bei all diesen Fällen: Der angebliche "Kampf gegen Terrorismus" ist für die Geheimdienste häufig nur ein vorgeschobenes Argument beim Aufbau umfangreicher und autoritärer überwachungsstaatlicher Systeme in denen die Privatsphäre und die Bürgerrechte gänzlich auf der Strecke bleiben.

Während es im ersten Schritt für die Dienste darum ging, global Zugriff auf möglichst alle Daten zu bekommen, widmen diese sich nun dem Aufbau immer ausgefeilterer Methoden der Auswertung, Kategorisierung und Zuordnung von Informationen. Ein besonders beliebtes Angriffsziel scheinen dabei vor allem Kritiker an eben diesen Überwachungspraktiken zu sein. Doch auch für ganz normale Urlauber kann der digitale Überwachungstotalitarismus zum Verhängnis werden, wie Aimee Valentina Schneiders Fall zeigt.

 

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