Ex-US-Drohnenpilot Brandon Bryant in Berlin: "Alles was mit Drohnen zu tun hat, läuft über Ramstein"

Eingeladen vom Disruption Network Lab sprach der ehemalige US-Drohnenpilot Brandon Bryant in Berlin. In seinem Vortrag erläuterte der Veteran was der 1.626-fache Mord an Menschen für ihn bedeutet, welche Konsequenzen er seit seinem Ausstieg aus der Armee gezogen hat und wie der Drohnenkrieg vor allem über das rheinland-pfälzische Ramstein organisiert wird. Neu veröffentliche Dokumente der Enthüllungsplattform "The Intercept" um den britischen Journalisten Glenn Greenwald stützen diese Aussagen.
Ex-US-Drohnenpilot Brandon Bryant in Berlin: "Alles was mit Drohnen zu tun hat, läuft über Ramstein"Quelle: Reuters © Stephanie Keith

von RT Deutsch-Redakteur Florian Hauschild

Brandon Bryant wollte schon immer ein Held sein, schon als kleines Kind glaubte er an den Ehrenkodex des Kriegers. Auch heute ist Bryant kein Pazifist, ist sich aber sicher, Krieg müsse, wenn er denn nötig ist, so geführt werden, dass dabei dabei verhindert wird, dass er außer Kontrolle gerät. Das Ringen auf Augenhöhe schaffe Intimität und sogar eine gewisse Verbundenheit zwischen den Kombattanten, die abnimmt je mehr der technische Fortschritt dafür sorgt, dass der Kampf immer mehr aus der Distanz geführt wird. Mit der Erfindung von Handfeuerwaffen und später der Artillerie wurde ein Weg eingeschritten, der für den US-Amerikaner immer weniger mit dem klassischen Weg des Kriegers zu tun hat und dessen kulturimmanente Regeln und Kodizes immer mehr in Vergessenheit geraten lässt. Den gegenwärtigen Höhepunkt dieser Entwicklung sieht Bryant in der Durchführung moderner Drohnenkriege, wie sie von der US-Regierung seit Barack Obamas Amtsantritt umfangreich ausgeweitet wurden und, auch mit Deckung der deutschen Bundesregierung, vor allem vom Militärstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein koordiniert werden.

Brandon Bryant war von 2005 bis 2011 Drohnenpilot der US-Streitkräfte und tötete während dieser Zeit per Knopfdruck 1.626 Menschen. Heute sagt er:

"Mein Land hat mich zu einem Mörder gemacht. Ich wollte ein Held sein, aber eine Drohne zu bedienen gab mir das Gefühl ein Feigling zu sein."

Er bezeichnet diese Erkenntnis als das schlimmste Gefühl, dass er jemals hatte und unterstreicht: "Es riss mir die Seele aus dem Leib."

Bryant sprach am vergangenen Freitag vor dem mit rund 150 Besuchern bis auf den letzten Platz gefüllten Kunstraum Bethanien in Berlin. Geladen hatte das von Tatiana Bazzichelli, Daniela Silversterin und Kim Voss neu gegründete Initiative Disruption Network Lab. In einer sechsteiligen Veranstaltungsreihe, die sich bis Ende des Jahres erstreckt, will die Plattform einen Dialog über Technologie führen. Technologie, so Kuratorin Bazzichelli in ihrer Eröffnungsrede, ist eigentlich erst einmal neutral. Es komme jedoch darauf an, wie der Mensch sie nutzt. Eine Erkenntnis, die sicher schon seit der Erfindung des Hammers gilt, mit dem einem Menschen entweder der Kopf eingeschlagen werden kann, oder der genutzt werden kann um einen Nagel in eine Wand zu schlagen um daran ein schönes Bild aufzuhängen.

Zwischen der Dichotomie von Gebrauch und Missbrauch technologischen Fortschritts will das Disruption Network Lab einen Korridor schaffen, in dem mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Kunst und Multi-Media-Inhalten Antworten auf diese Fragen gefunden werden können. Wie der Name des Zukunftslabors vermuten lässt, geht es dabei nicht um die Verbreitung von Katastrophismus und Endzeitstimmung. Es geht eher um den Bruch, die Diskontinuität, eben die Disruption, möglicher Entwicklungen und ihrer Bedeutung für die menschliche Zivilisation. Also die großen Fragen der Zukunft.

Das Disruption Network Lab sieht sich als Freifläche auf der Künstler, Hacker, Netzwerke, kritische Denker und Unternehmer in einen gemeinsamen Dialog über Technologie und ihrer künftigen Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft - aber auch Krieg - treten können.

Die Event-Reihe beginnt mit dem Thema Drohnen. Eine Technologie, die durchaus auch dem Gemeinwohl dienlich sein kann. Sei es für spektakuläre Filmaufnahmen, zivilen Warentransport oder als technische Spielerei. In Brandon Byrants Rede offenbart sich jedoch zunächst das destruktive Potential dieser Technologie, die nicht nur das Leben des ehemaligen Drohnenpiloten grundlegend veränderte, sondern vor allem viele Menschenleben kostete.

Byrant beginnt seine Rede mit mit einem Dank an Edward Snowden und Chelsea Manning, deren Veröffentlichungen streng geheimer Dokumente einen wichtigen Impuls zur Beendigung zu ächtender Regierungspraktiken lieferten und deren Mut weitere Insider, wie ihn selbst, inspirierte und inspirieren wird, ihr Wissen mit der Öffentlichkeit zu teilen. In Solidarität mit der ehemaligen Angehörigen der US-Streitkräfte und inhaftierten Whistleblowerin Chelsea Manning ist auch das Chelsea Manning Support Network mit einem Stand auf der Veranstaltung vertreten.

Brandon Bryant ist nicht gekommen, um Abbitte zu leisten, nicht um sich zu beklagen oder sich von seiner früheren Tätigkeit freizusprechen und sich zum Opfer zu stilisieren. Der ehemalige Kampfpilot weiß - das wird in seiner Ansprache immer wieder deutlich - welche Bürde auf seinen Schultern liegt und ebenso deutlich ist, dass er sich vollends bewusst darüber ist, dass seine Zeit als Drohnenpilot und die, wie er sagt, Morde, die er beging ihn bis zum Ende seines eigenen Lebens begleiten werden.

Doch Bryant zeigt sich auch ungebrochen, kämpferisch und entschlossen die Hintergründe von Obamas Drohnenkrieg aufzudecken. Mit harten Worten kritisiert er die US-amerikanische Regierung, die alles tue, damit der Drohnenkrieg in der Öffentlichkeit als "sauber" erscheint. Organisiertes Abschlachten und Morden, das man dem amerikanischen Volk vor allem in der wagen Formel "Krieg gegen den Terror" anpreist, und das vor allem in Afghanistan und Pakistan, aber auch in Somalia und Jemen, unzählige Menschenleben, darunter auch die vieler Zivilisten, kostete. "Es ist nicht sauber", so Bryant zu diesem Ansatz.

Auf Nachfrage aus dem Publikum bricht es schließlich aus ihm heraus:

"Alles was mit Drohnen zu tun hat, geht über Ramstein. Sie [die US-amerikanische Regierung] nutzen das Vertrauen der deutschen Regierung und Bevölkerung aus, um einen Krieg zu führen."

Bryants Aussage wird sogleich von einem Diskussionsteilnehmer gestützt. Als ehemaliger Bundeswehrsoldat und Beteiligter an drei Afghanistan-Missionen habe dieser Einblick in die Abläufe des Drohnenkrieges und könne die Angaben bestätigen. Es gehe sogar noch weiter als Ramstein.

"Die wahren Opferzahlen werden vor Medien, Politikern und den Militärs der unteren Ränge abgeschirmt", doch biete die Leakingplattform Wikileaks mittlerweile Daten über das ganze Ausmaß des Drohnenkrieges an. Diese gelte es auszuwerten und die Verantwortlichen in Haftung zu nehmen.

Auch der aktuelle Beitrag "Bündnisse:Der Krieg via Ramstein" auf Spiegel Online widmet sich der Thematik, des völkerrechtswidrigen Drohnenkrieges von deutschem Boden. Der umfangreiche Artikel, der sich vor allem auf Informationen aus dem Jahre 2012 stützt, die die Enthüllungsplattform "The Intercept" um den britischen Journalisten und Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald am Freitag veröffentlichte, deckt sich mit Bryants Aussagen und klagt die mutmaßlichen Kriegsverbrechen, gestützt und gedeckt von der deutschen Bundesregierung, an:

"Die Grafiken dokumentieren, dass praktisch alle Drohnenangriffe der Air Force über Ramstein abgewickelt werden. Mögen die Piloten auf Militärbasen in Nevada, Arizona oder Missouri sitzen, mögen die Ziele der Todeskommandos am Horn von Afrika liegen oder auf der Arabischen Halbinsel: Das Hauptquartier der USAFE in der Pfalz ist fast immer involviert."

[...]

"Das ist schlicht Mord", sagt der Kölner Völkerrechtler Björn Schiffbauer. Die in die Luftwaffeneinsätze eingespannten Air-Force-Leute könnten als mutmaßliche Mordgehilfen von der Staatsanwaltschaft Zweibrücken und als Kriegsverbrecher vom Generalbundesanwalt verfolgt werden.

Zumindest soweit es um Kriegsverbrechen geht, können sich die US-Militärs nach herrschender Auffassung auch nicht auf ihre Immunität als Amtswalter einer fremden Staatsmacht berufen. Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch ist 2002 eigens in die Welt gesetzt worden, um die Verfolgung von in- wie ausländischen Kriegsverbrechen sicherzustellen. Nun kommt die Bewährungsprobe für das Strafgesetz, das weltweit als vorbildlich gilt."

Die deutsche Bundesregierung bestreitet nach Informationen von Spiegel Online indes, über die zentrale Bedeutung des Luftwaffenstützpunktes Ramstein für den Drohnenkrieg überhaupt Bescheid zu wissen. Spiegel Online:

"Es ist wie seinerzeit in der NSA-Affäre, nachdem der SPIEGEL enthüllt hatte, dass amerikanische Geheimdienste ein Handy der Bundeskanzlerin als Spionageziel führten. Die USA schweigen oder bestreiten, die Deutschen staunen ob solcher Dreistigkeit.

Wahr ist aber auch, dass ein Gutteil der Berliner Ahnungslosigkeit in Sachen Ramstein vorgeschoben ist, wie verschiedene vertrauliche Vermerke der Bundesregierung zeigen, die dem SPIEGEL vorliegen."

Für Brandon Bryant ist derweil klar, dass er alles tun will um seinen Namen - auch vor seinen Nachkommen - nicht bloß mit den von ihn durchgeführten Drohnenmorden in Erinnerung stehen zu lassen. Zusammen mit Wikileaks-Aktivisten, Amnesty International, Fachleuten für nachhaltiges Wirtschaftens und weiteren Gefährten seines neuen Weges baut der ehemalige Drohnenpilot gerade das Projekt "Red Hand" auf.

In der Kurzbeschreibung der Initiative heißt es:

"Wir sind ein Team von Veteranen, Menschenrechtsaktivisten und besorgten Bürgen, die das Ziel haben Korruption zu enthüllen, Wahrheit aufzudecken und zwischenmenschliche Solidarität zu steigern."

An seinem Kindheitswunsch, ein Held sein zu wollen, hält Bryant trotz seiner Vergangenheit fest.

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Der Text wurde von BREITBAND BARTUNEK vertont:

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