
Bürgergeld adieu: Bundeskabinett verabschiedet neue Grundsicherung – und verschärfte Sanktionen

Die Bundesregierung hat die sogenannte Reform des "Bürgergeldes" verabschiedet. Auf der heutigen Kabinettssitzung wurde der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) angenommen. Die "Neue Grundsicherung" sieht nicht nur eine Umbenennung des bisherigen Bürgergeldes in "Grundsicherungsgeld" vor, sondern soll in erster Linie den Druck auf die Leistungsbezieher erhöhen.

Die Bundesregierung zielt darauf ab, den Druck zur Arbeitsaufnahme deutlich zu erhöhen. Als Hebel dienen dazu Sanktionen, die künftig bei jeglicher Pflichtverletzung wie beispielsweise Terminversäumnissen sofort verhängt werden – und an Schärfe erheblich zunehmen sollen. Der Gesetzesentwurf aus dem Bas-Ministerium sieht außerdem vor, den Vorrang einer Vermittlung in Arbeit vor Weiterbildungsmaßnahmen festzuschreiben. Nur falls eine Weiterbildung aussichtsreicher erscheine, könne eine solche Maßnahme weiterhin Vorrang haben. Wie die Tagesschau schreibt, sollen die Bezieher des "Grunsicherungsgeldes" von den Jobcentern Arbeitsangebote erhalten, die in einem "gemeinsamen Kooperationsplan" festgeschrieben werden.
Bezeichnenderweise erwartet die Bundesregierung gar nicht, dass durch diese erneute "Reform" der Grundsicherung finanzielle Einsparungen in nennenswerter Höhe erzielt werden könnten. Für das nächste Jahr sind durch die Neuregelung 86 Millionen Euro weniger bei Bund, Ländern, Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit selbst vorgesehen, danach dann 70 Millionen. In den Folgejahren rechnet die Regierung jedoch mit Einnahmen in Höhe von elf beziehungsweise neun Millionen Euro. Die Erwartung des Kabinetts stützt sich nicht auf Einnahmen durch vermehrte Verhängung von Sanktionen, sondern auf die Integration der Leistungsbezieher in den Arbeitsmarkt. Das Arbeitsministerium setzt demnach auf eine Verringerung der Anzahl der Leistungsempfänger. Aus Kreisen der Unionsparteien war zuvor die Hoffnung erweckt worden, mit der Reform des Bürgergeldes ließen sich Einsparungen in Milliardenhöhe erzielen.
Nach der heutigen Verabschiedung durch das Bundeskabinett muss noch der Bundestag im kommenden Jahr der Neuregelung zustimmen. Anvisiert ist ein Inkrafttreten zum 1. Juli 2026. Allerdings könnte sich diese Terminplanung als zu optimistisch erweisen. Denn die Bundesagentur für Arbeit hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dass ein längerer Vorlauf für die technische Umsetzung erforderlich sein könnte.
Über fünf Millionen Menschen von Neuregelung betroffen
Die deutlich verschärften Regeln werden für rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland gelten, darunter auch 1,4 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Derzeit beläuft sich die monatliche Grundsicherung auf 563 Euro – zuzüglich der Miet- und Heizkosten. Insgesamt wendet der Bund über 50 Milliarden Euro für die Grundsicherung auf, allerdings sind darin die Mittel für Weiterbildungsmaßnahmen und die Verwaltung eingerechnet.
Die verschärften Sanktionen sehen drastische Kürzungen vor: Wer künftig eine angebotene, zumutbare Arbeit ablehnt, durch die der Leistungsbezug beendet werden könnte, dem kann für bis zu zwei Monate die gesamte Unterstützungsleistung gestrichen werden.
Komplett gestrichen werden können die Leistungen auch dann, wenn Bezieher nicht erreichbar sind. Wer drei Einladungen des Jobcenters versäumt, erhält keine Zahlungen mehr. Andere Pflichtverletzungen können eine sofortige Kürzung der Leistungsbezüge um 30 Prozent für drei Monate nach sich ziehen. Außerdem kann die Übernahme der Wohnkosten gestrichen werden.
Sollten Sanktionen verhängt werden, müssen die Jobcenter jedoch Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung geben. Wer psychisch krank ist, soll vor einem Wegfall der staatlichen Unterstützung geschützt werden.
Verschärfte Regelungen werden auch für das Schonvermögen der Betroffenen eingeführt. Künftig soll es keine feste Karenzzeit mehr zur Schonung der Ersparnisse geben. Eigenes Einkommen und Vermögen soll zuerst verbraucht werden, bevor die neue Grundsicherung greift. Die Höhe des Schonvermögens soll sich in Zukunft am Lebensalter der Betroffenen orientieren.
Ungeachtet der Tatsache, dass der Gesetzentwurf aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium stammt, regt sich seit Wochen Widerstand in Teilen der sozialdemokratischen Partei. Ob allerdings ein parteiinternes Mitgliederbegehren die Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion zu der "Reform" kippen könnte, erscheint eher fraglich.
Kritisch haben sich auch Bündnis 90/Die Grünen geäußert sowie die Linkspartei. Deren Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek hat von einem massiven Angriff auf den Sozialstaat gesprochen.
Deutliche Kritik kam auch von Sozialverbänden und aus den Kirchen. So zitiert die Tagesschau den Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock, mit folgender Bemerkung:
"Die vorgesehenen, tief in das Existenzminimum eingreifenden Sanktionsmöglichkeiten gefährden gerade benachteiligte Personengruppen."
Mit der Umstellung auf die Neue Grundsicherung stelle die Bundesregierung "Verdacht vor Vertrauen".
Auch der Präsident der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Michael Groß, bemängelte die Ausrichtung der "Reform": "Uns reicht's", zitiert ihn die Zeit. Und weiter:
"Es wurde lang genug darüber diskutiert, wie man weiter auf dem Rücken der Ärmsten sparen kann – diese Debatte ist für ein reiches Land wie Deutschland beschämend."
Groß vertrat die Ansicht, dass die Debatte von den eigentlichen Problemen des Landes ablenke. In den zurückliegenden fünf Jahren seien die Preise allein für Lebensmittel um 36 Prozent gestiegen. Und für diesen Anstieg bei den Lebenshaltungskosten habe es für Menschen am Existenzminimum keinen Ausgleich gegeben. Der AWO-Chef weiter: "Mit der Neuen Grundsicherung verwendet die Bundesregierung viel Energiedarauf, Menschen in Not schärfer zu sanktionieren."
Ebenfalls ablehnend äußerte sich der Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche in Deutschland, Diakonie Deutschland. Verbandspräsident Rüdiger Schuch erklärte zu dem Kabinettsbeschluss: "Statt den Druck zu erhöhen, sollte die Regierung die Jobcenter so ausstatten, dass sie Menschen durch gute und wirksame Beratung, Förderung und Vermittlung langfristig in Arbeit bringen können."
Sollten die Regierungspläne umgesetzt werden, wäre das "Bürgergeld" nach nur drei Jahren bereits wieder Geschichte. Die SPD-geführte Ampel-Regierung unter Olaf Scholz hatte im Dezember 2022 die bis dahin fast 20 Jahre geltenden sogenannten Hartz-IV-Regelungen geändert und umbenannt.
Mehr zum Thema – Rechtlos mit "neuer Grundsicherung": Hungerstrafen gehen der Union nicht weit genug
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.


