
Wut und Frust: Wirtschaft von der Regierung Merz "maßlos enttäuscht"

Der Chef des Bundes der deutschen Industrie (BDI) sieht das deutsche Gesellschaftsmodell in Gefahr. Die mit dem Beginn der Regierung von Kanzler Friedrich Merz verbundenen Hoffnungen der Wirtschaft seien der Enttäuschung gewichen, so Peter Leibinger in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

"Beim Start der Regierung im Mai war die Lage der Wirtschaft kritisch, die Stimmung aber hoffnungsvoll. Jetzt sind die Probleme immer noch da, viele in den Unternehmen sind aber so maßlos enttäuscht, wie ich es noch nie erlebt habe", gibt der BDI-Chef die Stimmung in den Unternehmen wieder. Die Stimmung sei "extrem negativ, teils regelrecht aggressiv", so Leibinger.
Zwar seien manche Erwartungen an die neue Bundesregierung "sicher überzogen" gewesen, räumt Leibinger ein, aber die Merz-Regierung habe es versäumt, "den Menschen besser das Gefühl vermitteln, dass es in die richtige Richtung geht". Es fehlten "erkennbare Symbole", wie zum Beispiel, dass Vorschriften einfach mal ausgesetzt werden.
"Wir stecken in der schwersten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik – längste Rezession, Produktionsschwund seit 2018, geringes Produktivitätswachstum, Letzter im Wachstum unter den großen Volkswirtschaften", konstatiert der 58-Jährige. Er warnt: "Unser Gesellschaftsmodell droht uns zwischen den Fingern zu zerrinnen."
Der Abbau von Regeln und Vorschriften sei ebenso wichtig wie eine rasche Steuersenkung zur Ankurbelung von Investitionen. Das grundsätzliche Problem in Deutschland sei aber, dass die Politik sich im Klein-Klein verliere: "Statt über das große Ganze zu diskutieren, verhaken wir uns ständig in Einzeldebatten, etwa über das Heizungsgesetz oder die Erhöhung der Pendlerpauschale. Die Pendlerpauschale entscheidet aber nicht über die Rettung des Standorts."
Deutschlands industrieller Kern sei auch durch die wachsende chinesische Konkurrenz in Gefahr, so der BDI-Chef. China baue Deutschlands Geschäftsmodell nach, allerdings "günstiger und vor allem viel schneller". Bürokratie, geringe Arbeitszeiten und mangelnde Flexibilität seien alles Dinge, die Deutschland Geschwindigkeit kosteten. "Mit Zöllen und weniger offenen Weltmärkten werden wir fertig. Unser Kernproblem ist die Geschwindigkeit. Wir sind schlicht viel zu langsam", so Leibingers Analyse.
Der Verbandschef wünscht sich daher stärkere Maßnahmen gegen den Wettbewerber aus Asien. So wie beim Stahl müsse man "Schutzinstrumente schnell aktivieren", um die Grundstoffindustrie zu schützen. Zudem müsse man auf Einzelmaßnahmen flexibel reagieren. "Wenn China uns bei Seltenen Erden unter Druck setzt, könnten wir nadelstichartig da ansetzen, wo andere wiederum von uns abhängig sind. Wir sollten in der Lage sein, Abhängigkeiten auch zu unserem Vorteil zu nutzen. (...) Europa ist zum Beispiel in der Zulieferindustrie für die Chipfertigung ein ganz wesentlicher Player, wo wir die Chinesen empfindlich treffen könnten."
Zudem seien weitere Hebel gegen China vorstellbar: "So wie Peking früher ausländische Unternehmen gezwungen hat, Joint Ventures mit chinesischen Firmen einzugehen, könnten wir das umkehren und chinesische Unternehmen in Joint Ventures mit europäischen Firmen zwingen."
Auf eine wesentliche Ursache für die Wettbewerbsschwäche der deutschen Industrie kommt Leibinger seltsamerweise gar nicht zu sprechen: die hohen Energiekosten infolge der Russland-Sanktionen und der Energiewende – an beidem will die Merz-Regierung festhalten.
Zweifelhaft ist auch Leibingers Aussage, etwa die Fertigung von Chips und Batterien in Deutschland voranzutreiben, auch wenn sich das nicht lohne, da es "neben ökonomischen insbesondere strategische Fragen" gebe: "Eine Fabrik dort zu bauen, wo alle Bedingungen schlechter sind und der Markt gar nicht da ist – das kann allenfalls aus strategischen, geoökonomischen Überlegungen sinnvoll sein: Wir möchten lernen, wie das geht, weil wir diese Wertschöpfung am Standort haben wollen."
Nun mag es ja durchaus Sinn ergeben, an der Produktion bestimmter "strategischer" Güter im eigenen Land festzuhalten, auch wenn deren Produktion ökonomisch nicht rentabel ist. Mit einer Wertschöpfung hätte das allerdings nichts zu tun, sondern mit einer staatlichen Subventionierung, also einer Wertumverteilung – aus den Taschen der Steuerzahler in die entsprechenden Industriezweige. Vielleicht wollte der BDI-Chef das nicht so offen aussprechen, weil er ja genau das Peking vorwirft: die Subventionierung "strategischer" Industriezweige.
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