Wirtschaft

Ruhestand? Immer mehr Rentner müssen dazuverdienen – Job-Plattformen profitieren

In weniger als einem Monat ist es soweit: Im Januar 2026 soll die "Aktivrente" starten. Die Große Koalition hatte sich im November darauf verständigt, einen steuerfreien Hinzuverdienst von 2.000 Euro für Rentner einzuführen. Viele Ruheständler sind darauf angewiesen – Jobportale freuen sich.
Ruhestand? Immer mehr Rentner müssen dazuverdienen – Job-Plattformen profitieren© Urheberrechtlich geschützt

Die Rede ist vom Fachkräftemangel und demographischem Wandel. Die Begriffe zeigen die Perspektive an, aus welcher Richtung auf den sogenannten Arbeitsmarkt geblickt wird. Nun soll die sogenannte Aktivrente eine Möglichkeit der Linderung bieten. Ab dem 1. Januar 2026 können Ruheständler bis zu 2.000 Euro steuerfrei zu ihrer Rente hinzuverdienen. Unternehmen erhalten die Möglichkeit, auf eine erfahrene Personalreserve günstig zugreifen zu können.

Die Politik spricht davon, dass das Wissen und Können älterer Mitarbeiter den Unternehmen länger zur Verfügung stehen soll. In Studien ist von Wertschätzung, sozialen Kontakten und Spaß an der Arbeit die Rede. Die CDU preist den Hinzuverdienst für Rentner mit einem eigenen Flugblatt an. In den Hintergrund der Berichterstattung über die Neuregelung wird häufig der Umstand gerückt, dass das Rentenniveau in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer weiter abgesenkt wurde – und daher vielen Rentnern die Rente nicht mehr zum Überleben reicht.

Zuwächse – für wen?

Die Zwangslage so mancher Rentner eröffnet für Jobbörsen unterschiedlichster Art ein neues Geschäftsfeld. Wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) berichten, boomen insbesondere solche Online-Portale, die speziell auf das Profil von Rentnern zugeschnitten sind. So habe der Gründer und Geschäftsführer der Jobplattform "Silvertalent", Christian Ahrendt, von "beachtlichen Zuwächsen" gesprochen, die sein Unternehmen zu verzeichnen habe. Gegenüber dem Sender ntv sagte Ahrendt: "In den vergangenen zwölf Monaten haben sich unsere Nutzerzahlen verdreifacht – die Nachfrage ist enorm".

"Silvertalent" ist nach eigenen Angaben "Deutschlands größte Jobplattform für Rentner" – so der Werbeslogan des Unternehmens. Im Bereich Jobvermittlung für ältere Menschen tummeln sich längst etliche andere Anbieter wie "Unique Seniors" oder "Jobs-Rentner". Daneben bieten auch die seit langem etablierten Portale für Mini- und Aushilfsjobs Suchmöglichkeiten speziell für Rentner an.

Umfrage: Aktivrente interessiert mehr als die Hälfte der Rentner

Wie schon im regulären Arbeitsmarkt, zeigt die Einführung der Aktivrente eine Entwicklung an, die seit etlichen Jahren zu beobachten ist: Das Gehalt, das mit einem einzigen Arbeitsplatz zu erzielen ist, reicht zum Leben nicht mehr aus. Diese Tendenz setzt sich bei den Ruhestandsbezügen fort. Zwar spricht die Bundesregierung davon, das gegenwärtige Rentenniveau, das nur noch bis zum Ende dieses Jahres in der Höhe von 48 Prozent garantiert wird, bis zum Jahr 2031 fortzuschreiben, doch wie die Deutsche Rentenversicherung mitteilt, müssten für den Fall, dass das Rentenniveau auf einen Wert unter 43 Prozent prognostiziert werde, "dem Gesetzgeber geeignete Maßnahmen zum Gegensteuern" vorgeschlagen werden. Hinzu kommt: "Für die Zeit nach 2030 ist bislang keine Untergrenze für die Entwicklung des Rentenniveaus vorgesehen."

Vor diesem Hintergrund hat die Plattform "Silvertalent" eine Umfrage in Auftrag gegeben. Befragt wurden im Oktober des Jahres 1.125 Ruheständler, die schon bei dem Unternehmen registriert waren und entweder noch "aktiv" auf der Suche nach einer Nebentätigkeit sind oder eine solche bereits gefunden haben. Die Mitte November 2025 veröffentlichten Ergebnisse der Befragung zeigen, dass über die Hälfte der Respondenten – 55 Prozent – die Möglichkeiten der Aktivrente nutzen und mehr arbeiten möchte.

Mit oder ohne Aktivrente – über ein Drittel will oder muss dazuverdienen

Gefragt wurde danach, welche Wochenstundenzahl sich die Rentner vorstellen könnten, im Ruhestand "nebenbei" zu arbeiten – und zwar mit und ohne die neue Aktivrenten-Regelung. Gestaffelt nach der gewünschten oder möglichen Wochenstundenzahl, ergibt sich ein recht eindeutiges Bild.

In der Eingangsstufe von bis zu zehn Stunden wöchentlicher Arbeitszeit sind es nur 21 Prozent, die dafür die Aktivrente nutzen wollen, während 36 Prozent auch ohne Aktivrente bis zu zehn Stunden in der Woche erwerbstätig sein wollen.

In den Fünferschritten von längerer Arbeitszeit wird jedoch das Interesse deutlich, die Möglichkeiten der Aktivrente in Anspruch zu nehmen: In der Stufe von bis zu 15 Wochenstunden kehrt sich das Verhältnis der Befragten bereits um: 27 Prozent würden das Modell der Aktivrente wählen, während in diesem Fall nur 24 Prozent der Befragten ohne Aktivrente mehr arbeiten würden.

Ohne Aktivrente würden lediglich 22 Prozent bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten; hingegen könnten sich 34 Prozent der befragten Rentner vorstellen, bis zur Hälfte der regulären Wochenarbeitszeit einer Erwerbsarbeit nachzugehen.

Im Bereich einer wöchentlichen Arbeitszeit über 20 Stunden ist das Verhältnis der Befragten wieder ausgeglichen. In beiden Gruppen sind dies jeweils nur rund 18 Prozent, die sich vorstellen könnten, noch länger zu arbeiten.

Wenn man die Ergebnisse der Befragung verallgemeinert, wird deutlich, dass zumindest im Bereich der Erwerbsarbeit von Rentnern die bisherigen "Minijobs" mit einer maximalen Arbeitszeit von zehn Stunden pro Woche an Bedeutung verlieren dürften. Die Schlussfolgerung von "Silvertalent" lautet denn auch: "Längere Teilzeitarbeit unter Rentnern wird zur neuen Norm."

Chance für kommerzielle Jobportale

Die Umfrageergebnisse scheinen das Geschäftsmodell von Silvertalent & Co. zu bestätigen. Die DWN zitieren den Geschäftsführer des Portals mit folgender optimistischer Aussage: "Wir sehen bereits heute, dass viele Rentnerinnen und Rentner grundsätzlich bereit oder zumindest unentschlossen sind, weiterzuarbeiten."

Entscheidend sei die Steuerfreiheit von auf das Jahr gerechnet 24.000 Euro. Ahrendt dazu:

"Wenn sich Arbeit im Alter durch die Aktivrente finanziell wieder lohnt, wird das zusätzliche Potenzial deutlich größer – nicht nur durch mehr Aktivrentner, sondern auch durch ein höheres Wochenpensum."

Ermittelt wurde ebenfalls die Bereitschaft, die Arbeitszeit im Ruhestand auszudehnen – und zwar wiederum gestaffelt nach Stunden pro Woche. Dabei habe sich folgendes Bild ergeben:

  • Zusätzlich fünf Stunden wöchentlich zu arbeiten, würden rund 17 Prozent planen.
  • Bis zu zehn Stunden mehr in der Woche arbeiten, würde ein Fünftel der Befragten.
  • Eine Ausweitung um mehr als zehn Wochenstunden könnte sich beinahe jeder Zehnte vorstellen (9 Prozent).
  • Zu einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf über 20 Stunden wäre ebenfalls knapp jeder Zehnte (9 Prozent) bereit.
  • Allerdings: Ein Drittel der Befragten gab an, trotz der neuen Möglichkeiten keine Veränderung der aktuellen Wochenarbeitszeit anzustreben.
  • Noch 12 Prozent der Befragten sind unentschlossen.

"Silvertalent" spricht angesichts dieser Zahlen von einem "Signal an Arbeitgeber", denn mit der Aktivrente könne "eine bislang ungenutzte Reserve an Arbeitskraft aktiviert werden". "Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels" bestünde mit der neuen Regelung eine "Chance" für Unternehmen, "auf erfahrene und motivierte ältere Mitarbeitende zu setzen".

Wie ntv schreibt, hätten sich seit Gründung der Plattform rund 52.500 Rentner und 1.500 Unternehmen bei "Silvertalent" registriert. Das Geschäftsmodell beruht auf den Provisionen von Arbeitgebern; eine Stellenanzeige kostet bei monatlicher Abrechnung 79 Euro, wobei reduzierte Staffelpreise bei mehreren Inseraten pro Monat und halbjährlicher Abrechnung angeboten werden. Für arbeitssuchende Rentner ist die Vermittlung kostenlos.

Wohlwollende Begleitung durch Institute und Stiftungen

Die Bertelsmann-Stiftung, die ebenfalls eine Umfrage in Auftrag gegeben hatte, sieht die kommende Aktivrente ebenfalls positiv. Für die Stiftung mit Sitz in Gütersloh hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ältere Beschäftigte nach ihrer Bereitschaft gefragt, im Ruhestand weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Demnach sind 52 Prozent der Befragten unter den bisherigen Bedingungen nicht bereit, nach Erreichen der Altersgrenze weiterzuarbeiten. Allerdings würde sich der Anteil derjenigen, die nichts hinzuverdienen wollten, bei Einführung der Aktivrente um fünf Prozentpunkte verringern.

Fast alle der für die Bertelsmann-Studie Befragten, die länger arbeiten wollten, hätten sogar angegeben, für ein oder zwei Jahre dafür bereit zu sein. Die Erhebung wurde unter rund 3.000 Personen im Alter zwischen 60 und 71 Jahren durchgeführt.

Die Auswertung kommt zu dem Schluss, dass die Aktivrente die Bereitschaft unter Rentnern, eine Nebentätigkeit aufzunehmen, um zehn Prozent steigern könne. Rechne man diese Rentner-Teilzeitstellen in Vollzeitstellen um, ließen sich mit der Aktivrente etwa 33.000 "zusätzliche" Stellen schaffen. Die Verlagerung in den neu geschaffenen, steuerfreien Teilzeitbereich hat allerdings auch Nachteile, die die Bertelsmann-Stiftung einräumen muss:

"Für den Staat rechnet sich die Aktivrente allerdings erst, wenn die Schwelle von mindestens 40.000 erreicht ist. Dann sind die für den Fiskus entstehenden Einkommensteuerverluste kompensiert."

Die Stiftung fordert von der Politik, die Neuregelung "aktiv" zu bewerben: "verständlich, über zielgruppengerechte Kanäle, mit klaren Beispielen". Geschehe dies nicht, drohe das "Potenzial der Aktivrente zu verpuffen". So hätten nur 37,5 der Befragten gewusst, "dass es seit 2023 keine Hinzuverdienstgrenzen mehr für Einkommen in der Altersrente" gebe.

Aus Arbeitgebersicht betont die Stiftung, dass die Aktivrente "das Weiterarbeiten auch dort attraktiver machen" könnte, "wo Arbeitsbedingungen weniger günstig sind, etwa bei hoher Belastung, niedrigem Stundenlohn oder fehlender Möglichkeit zum Homeoffice".

Die Bertelsmann-Stiftung betont zudem unter Verweis auf das "Personalpanel" des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dass fast 40 Prozent der Unternehmen arbeits- und sozialrechtliche Fragen hinsichtlich der Beschäftigung älterer Mitarbeiter haben. Eine Reform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sei "überfällig".

Wie die DWN schreiben, wolle die "Junge Gruppe" der Unionsfraktion im Bundestag die Rentenpläne der Regierung nicht ohne Änderung mittragen. Sie befürchte zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe auch für die Jahre nach dem Jahr 2031. Allein die Aktivrente werde den Staat geschätzte 890 Millionen Euro jährlich durch Steuerausfälle kosten.

Mehr zum Thema – Schuften bis zum Tod? Wie Politik und Kapital Rentner verhöhnen

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.