Wirtschaft

Ukraine wechselt zu US-Flüssiggas für einen bestimmten Zweck

Die Ukraine ist bereit, US-amerikanisches Flüssiggas zu kaufen und ihre Gasspeicherkapazität sowohl den USA als auch den Europäern zur Verfügung zu stellen. Es ist wichtig, dass Kiew denjenigen, die es finanzieren, seine Bedeutung demonstriert, damit der Geldfluss nicht versiegt.
Ukraine wechselt zu US-Flüssiggas für einen bestimmten Zweck© Danil Shamkin/NurPhoto via Getty Images

Von Olga Samofalowa

Kiew erwägt den Kauf von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA sowie die Einlagerung europäischer Gasvorräte in seinen unterirdischen Lagerstätten. Dies kündigte der ukrainische Außenminister Andrei Sibiga an.

Anfang letzter Woche gab Wladimir Selenskij in einem Interview mit westlichen Journalisten zu, dass Kiew Verträge über LNG-Lieferungen an die Ukraine abschließen möchte und diese Idee in den USA unterstütze. Ihm zufolge wolle die Ukraine zum Transportknotenpunkt für Gaslieferungen nach ganz Europa werden.

In diesem Zusammenhang bemerkte der ehemalige Abgeordnete der Werchowna Rada, Spiridon Kilinkarow: "Es ist die Rede davon, dass dieses Gas, das in der Ukraine gefördert wird, kein ukrainisches Gas mehr sein wird. Es wird US-amerikanisches Gas sein. Und wer wird es kaufen? Die Ukrainer. Aber wissen Sie, was das Problem ist? Das Problem ist, dass der Preis für dieses Gas in der Ukraine zwar 54 US-Dollar beträgt, sie es den Ukrainern aber für 500 bis 600 US-Dollar verkaufen werden."

Es ist technisch möglich, dass die Ukraine US-amerikanisches Flüssiggas kauft. Allerdings kann das LNG nicht direkt in die Ukraine gelangen, da die Ukraine über keine Terminals zur Aufnahme von Flüssiggas verfügt. "Es ist unwahrscheinlich, dass die Ukraine selbst ein LNG-Terminal bauen kann, da die Türkei die Einfahrt von Gastankern in das Schwarze Meer nicht zulässt, weil die Schiffsverbindungen überlastet sind", erläutert Igor Juschkow, Experte an der Finanzuniversität der russischen Regierung und beim russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds.

Es erinnert an die tragikomische Geschichte, wie die Ukraine beinahe ein LNG-Terminal auf ihrem Gebiet gebaut hätte: Im Jahr 2012 unterzeichnete Kiew mit dem spanischen Unternehmen Gas Natural Fenosa und dem US-amerikanischen Unternehmen Excelerate Energy einen Vertrag über den Bau eines Flüssigerdgas-Terminals im Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar, das eine schwimmende Plattform zur Aufnahme von LNG leasen sollte. Am selben Tag wurde mit einer offiziellen Zeremonie der Bau des ersten Teils des Projekts – einer Pipeline zur Verbindung des ukrainischen Gastransportsystems mit dem LNG-Terminal im Hafen von Juschny in der Region Odessa – eröffnet.

Allerdings stellte sich bald heraus, dass der Vertrag mit einem Betrüger unterzeichnet worden war, der weder mit dem spanischen noch mit dem US-amerikanischen Unternehmen etwas zu tun hatte. Der Bau eines LNG-Terminals wurde natürlich nicht realisiert. Die Ukraine kann jedoch LNG-Terminals in anderen Ländern nutzen.

"Die Ukraine kann LNG aus der Türkei beziehen und durch die Transbalkan-Gaspipeline in den Südwesten der Ukraine leiten. Oder dieselbe Transbalkan-Pipeline für die Lieferung von Gas nutzen, jedoch nicht aus der Türkei, sondern aus Griechenland, das ebenfalls über LNG-Empfangsterminals verfügt. Theoretisch ist es auch möglich, Gas aus dem Norden über den polnischen LNG-Empfangsterminal in Swinemünde zu liefern und das Gas dann durch Polen in die Ukraine zu leiten. Dies wird jedoch eine sehr teure Angelegenheit sein, da es sich um lange und komplizierte Lieferwege handelt, aber technisch ist es möglich", so die Einschätzung des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds.

In der Zwischenzeit wird sich die zweite Frage stellen: Woher wird die Ukraine das Geld nehmen, um US-amerikanisches oder sonstiges Erdgas zu kaufen? Denn es wird nicht zu einem günstigen Preis verkauft werden, sondern zum Marktpreis, der an die Börse gekoppelt ist. Und derzeit kostet zum Beispiel 1.000 Kubikmeter an einem europäischen Knotenpunkt 620 US-Dollar.

Die Ukraine lebt seit fast einem Jahrzehnt in Abhängigkeit, und das Land hat kein Geld, um importiertes Gas zu kaufen. Früher glaubte man, dass sich das Land durch den Rückgang des Verbrauchs infolge des Zusammenbruchs der Industrieproduktion und der Bevölkerungsabwanderung selbst mit Gas versorgen könnte. In diesem Winter hat Kiew jedoch begonnen, importiertes Gas aus der Europäischen Union zu kaufen, da es nicht über genug eigenes Gas verfügt. Doch wenn die EU und die USA den ukrainischen Haushalt weiterhin finanziell unterstützen, könnte Kiew US-amerikanisches oder jedes andere Flüssiggas kaufen. Es ist jedoch klar, dass die Ukraine kein anderes als US-amerikanisches Gas benötigt.

"Die Ukraine existiert hauptsächlich dank externer Finanzierung. Gäbe es keine direkten Subventionen von der EU und den USA, würde die Wirtschaft zusammenbrechen und eine Haushaltskrise wäre garantiert. Wenn die Ukraine weiterhin Geld erhält, wird sie es für den Kauf von Gas verwenden", meint Juschkow.

Der Vorschlag der Ukraine, US-amerikanisches und europäisches Flüssiggas in ukrainische Untergrundspeicher zu pumpen, ist ein Reinfall. Der Sinn, Gas in unterirdische Speicher zu pumpen, besteht darin, es im Winter, wenn der Verbrauch stark ansteigt, wieder herauszubekommen.

"Das Problem ist, dass Europa in den vergangenen Jahrzehnten eine ganze Reihe eigener unterirdischer Speicheranlagen gebaut hat, sodass die Europäer nicht auf die Untergrundspeicher anderer Länder angewiesen sind. Und der Verkauf von US-amerikanischem Flüssiggas wird nicht von US-amerikanischen Produzenten, sondern von Händlern abgewickelt. In der Regel sind es europäische Händler, für die es profitabler ist, eine Speicheranlage in Europa selbst zu wählen. Die Ukraine hat sogar versucht, Gas zu besonders niedrigen Kosten für die Gasspeicherung anzubieten, aber der Preisnachlass wurde durch die hohen Kosten für das Hin- und Herpumpen des Gases wieder ausgeglichen. Schließlich muss das Gas erst in die Ukraine und dann zurückgepumpt werden, sodass eine Lagerung in der Ukraine sinnlos wird", erklärt der Experte des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds.

Außerdem ist der Gasverbrauch in Europa im Zeitraum 2022 bis 2023 um etwa 90 Milliarden Kubikmeter gesunken, was bedeutet, dass es mehr unterirdische Speicherkapazität für das Verbrauchsvolumen gibt, fügt er hinzu.

Auch ist es für die Europäer zuverlässiger, Gas in ihrem Land zu lagern, da die Ukraine alle möglichen Notstände ausrufen kann. "Wenn die Europäer der Ukraine kein Gas verkaufen, sondern sie auffordern, ihr Gas aus den Untergrundspeichern zurückzugeben, ist es nicht garantiert, dass die Ukraine dieses Gas sofort zurückgibt. Kiew könnte die Europäer mit dem Versprechen der Rückgabe des Gases zu einem späteren Zeitpunkt vertrösten, und in der Zwischenzeit würde es das Gas selbst verbrauchen. Es gibt kein Vertrauen in die Ukraine", sagt Juschkow.

Früher sind die Gaspreise im Sommer sehr stark gefallen und im Winter gestiegen. Aber seit Langem ist die Nachfrage auch im Sommer hoch, weil es Klimaanlagen und Probleme mit erneuerbaren Energien gibt. Daher sinken die Preise im Sommer nicht mehr so stark. Aus diesem Grund ist das Geschäft, Gas im Sommer zu niedrigen Preisen in Untergrundspeicheranlagen zu pumpen und es im Winter zu höheren Preisen weiterzuverkaufen, nicht mehr so rentabel wie früher.

"Solche Erklärungen werden von Kiew abgegeben, um den USA zu zeigen, wie nützlich die Ukraine und ihre Ressourcen für sie sein können. Die Ukraine vertritt seit Langem die These, dass sie ein hervorragender Markt für US-amerikanische Ressourcen werden könne. Es sei daran erinnert, wie die Ukraine das erste Trockenladungsschiff mit US-amerikanischer Kohle feierlich begrüßte und dann eine weitere feierliche Zeremonie abhielt, bei der die erste Schaufel benutzt wurde, um diese Kohle in den Ofen eines Kraftwerks zu werfen", erinnert der Experte.

Was die Erhöhung der Gaspreise für die ukrainischen Verbraucher betrifft, so hängt dies von der Entscheidung des Staates ab, der die Gastarife festlegt. Solange der Anteil des importierten Gases mit 620 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter gering ist und fünf bis zehn Prozent des verbrauchten Gases nicht überschreitet, gibt es mehr Möglichkeiten, die Tarife für Haushalte und die Industrie nicht zu erhöhen. Wenn der Anteil der Importe steigt, wird es schwieriger sein, den Anstieg der Tarife zu begrenzen.

"Die Ukraine hat in den 90er- und in den 2000er-Jahren keine Indexierung der Preise vorgenommen. Für diese Besonderheit war das Land im gesamten postsowjetischen Raum bekannt. Als der IWF nach 2014 begann, der Ukraine Darlehen zu gewähren, bestand er auf der Streichung der Subventionen. Und nun stehen die Behörden vor der Herausforderung, die Differenz zwischen dem Preis für den Kauf von importiertem Gas aus dem Haushalt und dem Preis für den Verkauf auf dem heimischen Markt auszugleichen oder die Tarife für Haushalte und Industrie zu erhöhen", so Juschkow abschließend.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 12. Februar 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.

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