Wirtschaft

Welche Folgen werden die neuen US-Sanktionen für Russlands Öleinnahmen haben?

Der Westen kalkuliert den Schaden, der Russland durch die neuen Sanktionen entsteht. Es heißt, dass ein Drittel der Schattenflotte, die russisches Öl transportiert, betroffen sei. Werden Indien und China anstelle von russischem Erdöl wieder Öl aus dem Nahen Osten kaufen?
Welche Folgen werden die neuen US-Sanktionen für Russlands Öleinnahmen haben?© Getty Images / e-crow

Von Olga Samofalowa

Im Westen wird bereits die Höhe der Exporteinnahmen berechnet, die Russland durch die am 10. Januar verhängten neuen US-Sanktionen verlieren wird.

Die Strategen der Citibank sagen voraus, dass Russland das derzeitige Niveau der Ölproduktion noch zwei Monate lang aufrechterhalten kann, danach werde es zurückgehen. "Die neuen Sanktionen betreffen etwa 30 Prozent der Schattenflotte, die russisches Erdöl transportiert, und dies schafft die Voraussetzungen für einen Rückgang der Ölexporte aus Russland um etwa 800.000 Barrel pro Tag", schreiben die Experten der Bank.

Chinesische und indische Raffinerien versuchen bereits, auf den Kauf von Erdöl aus dem Nahen Osten umzusteigen, weil sie befürchten, unter sekundäre Sanktionen zu fallen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Zwei staatliche Raffinerien in Indien haben den Angaben zufolge bereits sechs Millionen Barrel Rohöl aus dem Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie zwei Millionen Barrel Rohöl der Sorte WTI gekauft. Chinesische Raffinerien sollen damit begonnen haben, verstärkt Erdöl aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu kaufen.

Allerdings müssen selbst westliche Wirtschaftsexperten zugeben, dass Russland die neuen Sanktionen genauso verkraften wird wie zuvor. Die Citibank gibt zu bedenken, dass die Erdölexporte in Wirklichkeit nur um etwa 300.000 Barrel pro Tag zurückgehen werden, da die russischen Raffinerien die Raffination steigern und so den Schlag gegen die Schattenflotte teilweise ausgleichen können.

Selbst Bloomberg bezweifelt, dass die Sanktionen langfristige Auswirkungen auf die russischen Öllieferungen haben werden. Die Maßnahmen gegen die derzeitigen Erdölhändler würden wahrscheinlich zu kurzfristigen Unterbrechungen führen, aber es sei wahrscheinlich, dass viele von ihnen unter anderen Namen wieder in Erscheinung treten würden, heißt es in dem Artikel.

"Achtundfünfzig Erdöl-, Erdölerzeugnis- und Flüssiggastanker im Besitz von Sowkomflot mit einer Gesamttragfähigkeit von rund sechs Millionen Tonnen sind von den neuen Sanktionen betroffen. Insgesamt stehen 183 Schiffe auf der Sperrliste für sogenannte 'Specially Designated Nationals'. Wenn die auf der Sanktionsliste aufgeführten Schiffe auf einmal keine russischen Ladungen mehr befördern, wird die Energieversorgung der Welt zusammenbrechen", sagt Tamara Safonowa, Dozentin am Institut für Wirtschaft, Mathematik und Informationstechnologien der russischen Präsidentenakademie.

Und das bedeutet einen starken Anstieg der Erdölpreise weit über 100 US-Dollar, was selbst die USA nicht unbedingt wollen. Zu teures Erdöl wird die Nachfrage einfach abwürgen.

Daher hofft Washington durch die Verhängung neuer Sanktionen gegen Tanker wahrscheinlich, dass Russland die Beschränkungen wie zuvor umgehen und russisches Erdöl nicht vom Weltmarkt verschwinden wird.

"Da die Sanktionen gegen russische Unternehmen nicht unerwartet kommen, wurden bereits 2022 internationale Unternehmen gegründet, die sich auf den Transport von nicht sanktioniertem Erdöl und Erdölprodukten spezialisiert haben. Die Aufnahme neuer Unternehmen in die Sanktionsliste wird wahrscheinlich zur Registrierung neuer Versicherungs-, Handels- und Logistikunternehmen und zur Änderung ihrer Rechtsprechung führen. Die Eigner von Tankschiffen könnten die Gelegenheit nutzen, um die Flagge zu wechseln, unter der das Schiff segelt. Die tatsächliche Veränderung des Exportvolumens wird daher eher von der Fähigkeit der Importländer abhängen, russische Ressourcen zu akzeptieren", so Safonowa.

"Es ist nicht das erste Mal, dass Sanktionen gegen Russland verhängt werden. Wenn wir das Schockjahr 2022 außer Acht lassen, haben sich diese Sanktionen nicht sehr stark auf die Erdölpreise auf dem freien Markt ausgewirkt. Die russischen Unternehmen haben bisher Wege gefunden, die Beschränkungen sicher zu umgehen, und dies hat nicht zu Lieferengpässen geführt. Die neuen Sanktionen haben auch nicht alle Tanker betroffen, die russisches Erdöl transportieren, sie können nicht als katastrophal bezeichnet werden", ergänzt Nikolai Dudtschenko, Analyst bei der Finam Financial Group.

"Ich denke, nicht die Exporte werden darunter leiden, sondern die Rentabilität der Erdölgesellschaften, die von den Sanktionen betroffen sind – Surgutneftegas und Gazprom Neft. Einerseits werden diese Unternehmen nach Händlern suchen, die nicht von den Sanktionen betroffen sind, um ihr Erdöl über sie nach China, Indien und in andere Länder zu verkaufen. Das Eigentum an dem Erdöl wird wahrscheinlich noch in Russland selbst an die neuen Besitzer übertragen. Um wessen Erdöl es sich handelt und an wen es weitergegeben wird, wird auf diese Weise so weit wie möglich verschleiert. Es wird einfacher sein, die Spuren noch innerhalb Russlands zu verwischen. Das heißt, das Wichtigste ist jetzt, eine Lieferkette aufzubauen, damit indische und chinesische Unternehmen nicht mit den mit Sanktionen belegten Strukturen in Berührung kommen", sagt Igor Juschkow, ein Experte der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation und des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds.

Andererseits könnten Surgutneftegas und Gazprom Neft mit anderen russischen Unternehmen, die nicht unter US-Sanktionen fallen, ihre Absatzmärkte tauschen. Unternehmen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, können ihre Öllieferungen auf den Inlandsmarkt erhöhen, während Unternehmen, gegen die keine Sanktionen verhängt wurden, ihre Lieferungen auf ausländische Märkte steigern. Der Experte schließt nicht aus, dass auf diese Weise alle zufrieden sein werden und Russland insgesamt etwa die gleichen Mengen exportieren wird.

"Diese Neuausrichtung des Handels wird jedoch Zeit benötigen. Und während der Übergangszeit ist ein Rückgang der Ölexporte aus Russland möglich. Einige Erdölmengen werden in die Lagerstätten gepumpt, einige werden stärker raffiniert und in Form von Erdölprodukten exportiert. Aber danach wird Russland auf jeden Fall seine früheren Exportmengen wiederherstellen", schätzt Igor Juschkow.

Er schließt nicht aus, dass es im Extremfall sogar zu einer Verringerung der Produktion kommen könnte, wie es 2022 der Fall war, als sich Russland ab dem 1. April vom US-Markt zurückzog und Europa einfach Angst hatte, russisches Öl zu beziehen. "Damals musste Russland die Ölproduktion drosseln, und im Höchstfall erreichte die Kürzung bis zu einer Million Barrel pro Tag. Dies führte zu einem Defizit auf dem globalen Ölmarkt, und der Ölpreis stieg auf 120 US-Dollar pro Barrel", erinnert sich Juschkow.

Seit Freitag sind die Ölpreise aufgrund von Informationen über neue Sanktionen gestiegen, obwohl noch nichts geschehen ist, da die Sanktionen erst 45 Tage später in Kraft treten.

Neben der Umstrukturierung des Handels bestehe eine weitere negative Auswirkung der Sanktionen darin, dass indische und chinesische Unternehmen den günstigen Moment nutzen werden, um einen Rabatt auf russisches Erdöl auszuhandeln, sagt der Experte des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds. Indien treibe regelmäßig diese Spielchen, indem es sich als Opfer ausgibt und einen erheblichen Preisnachlass aushandelt.

"Jetzt ist eine sehr gute Zeit für Käufer, um einen zusätzlichen Rabatt von Russland zu verlangen. Die Verhandlungen werden also wieder aufgenommen, und zeitweise wird es Probleme mit der Beladung geben, außerdem wird die Verkaufslogistik neu geordnet werden. Der Preisnachlass für russisches Erdöl könnte wieder steigen, aber es ist unwahrscheinlich, dass er wie zuvor bis zu 35 US-Dollar pro Barrel erreicht, eher wird er bei 20 US-Dollar pro Barrel liegen. In letzter Zeit lag der Abschlag bei 10 bis 13 US-Dollar pro Barrel", so Juschkow.

Was die Idee betrifft, mehr Erdölprodukte zu produzieren, um sie anstelle von Rohöl zu exportieren, so ist dies natürlich theoretisch vorteilhafter für Russland. Aber die Abnehmer der russischen Exporte brauchen Rohöl, um ihre eigenen Raffinerien zu beladen.

"Indien, der größte Abnehmer unseres Erdöls auf dem Seeweg, exportiert erhebliche Mengen an Ölprodukten, die aus russischem Erdöl hergestellt werden. Indien ist schon seit langem in diesem Geschäft tätig, nur, dass es früher das Erdöl aus dem Nahen Osten raffiniert hat, jetzt aber russisches Rohöl raffiniert", sagt Juschkow.

Und Europa und die USA haben den Kauf der russischen Erdölerzeugnisse verboten, aber wenn Produkte aus russischem Erdöl hergestellt werden, können diese Produkte leicht von Europäern und US-Amerikanern gekauft werden, das heißt, es bleiben große Märkte. Daher werden die Anteile der Exporte von Erdöl und Erdölprodukten gleichbleibend, schließt der Experte.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 14. Januar 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.

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