Wirtschaft

Trump hat begonnen, Europa zu erpressen

Die EU läuft Gefahr, in die Energiefalle der USA zu tappen. Donald Trump droht mit der Einführung von Rohstoffzöllen, falls Brüssel sich weigert, seine Erdöl- und Erdgaskäufe aus den Vereinigten Staaten zu erhöhen. Experten bezeichnen das Vorgehen des Republikaners als "politische Erpressung".
Trump hat begonnen, Europa zu erpressen© Andrew Harnik/Getty Images

Von Anastasia Kulikowa und Jewgeni Posdnjakow

Donald Trump hat der Europäischen Union mit höheren Handelszöllen gedroht, falls Europa nicht zu "groß angelegten Käufen" von Erdöl und Erdgas aus den Vereinigten Staaten übergeht. Laut Bloomberg werde der Republikaner zu diesem Schritt durch das "riesige Defizit" in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Washington und Brüssel getrieben. Nach Ansicht des künftigen US-Präsidenten sollte eine Erhöhung der Importe von Energieressourcen die Situation bereinigen.

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten nicht über die Kapazität verfügen, die Flüssiggaslieferungen kurzfristig zu maximieren. Das Erdgas wird im Rahmen langfristiger Verträge verkauft, sodass ein starker Anstieg der Gasströme zugunsten Europas Washington zwingen würde, sich nach einem Käufer umzusehen, der bereit ist, auf einen Teil der im Voraus vereinbarten Mengen zu verzichten.

Es sei daran erinnert, dass im November, nach Trumps Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen, zwischen dem Republikaner und der Leiterin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ein Telefongespräch stattfand, heißt es in einem anderen Bloomberg-Artikel. Demnach sagte die Leiterin der EU-Exekutive, dass Brüssel die Möglichkeit erwäge, den Kauf von Energieressourcen aus Washington zu erhöhen.

"Wir beziehen immer noch eine Menge Flüssiggas aus Russland. Warum sollten wir es nicht durch US-amerikanisches Flüssiggas ersetzen, das billiger ist und zur Senkung unserer Energiepreise beiträgt?", soll sie erklärt haben. Anzumerken ist, dass Wladimir Selenskij vor diesem Hintergrund vorschlug, den Gastransit durch die Ukraine vollständig einzustellen.

Er fügte hinzu, dass eine weitere Nutzung der Pipeline nur möglich sei, wenn die Lieferanten erst nach Beendigung des Konflikts für die Ressourcen bezahlt würden. Vor allem diese Idee verärgerte den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico. "Welcher Narr würde uns Gas umsonst geben?", wandte er ein. Seiner Meinung nach würde sich die Unterbrechung des Transits negativ auf die Europäische Union auswirken. Er fügte hinzu, dass das Vorgehen der Ukraine die Gefahr berge, dass das Erdgas in der EU teurer werde.

Interessanterweise hat die US-Regierung von Joe Biden am Mittwoch eine Studie veröffentlicht, in der festgestellt wird, dass eine Erhöhung des Angebots bis 2050 zu einem Anstieg der inländischen Erdgaspreise um mehr als 30 Prozent führen würde. Experten stellten schon damals fest, dass die Demokraten auf diese Weise versuchten, Trumps Pläne zur Maximierung der Energieexporte zu "brechen".

Trump habe ein bedrohliches Signal an Europa gesendet, meint der deutsche Politikwissenschaftler Alexander Rahr. Er betont, dass in Brüssel derzeit ein reguläres Treffen der EU-Staats- und -Regierungschefs stattgefunden hat. Eines der Hauptthemen der Veranstaltung ist die Entwicklung eines Aktionsplans als Reaktion auf die Absicht des designierten US-Präsidenten, "ungestüme Europäer durch höhere Zölle zu disziplinieren".

Die Frage, ob die EU gezwungen ist, ihre Käufe von US-amerikanischen Energieressourcen zu erhöhen, sei noch nicht beantwortet. Die Polen und die Balten hätten vorgeschlagen, dass die EU den Kauf von Erdgas aus Russland so schnell wie möglich ganz einstellen sollte, aber die Ungarn und die Slowaken seien dagegen, sagt Rahr.

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers haben sich die EU-Staats- und -Regierungschefs noch immer nicht von dem Schock der Wiederwahl Trumps erholt. "Sie sind sich bewusst, dass es für sie in den nächsten vier Jahren extrem schwierig sein wird, Beziehungen zu den Vereinigten Staaten aufzubauen. Aber sie haben auch noch keine Lösungen gefunden, wie sie dem Republikaner begegnen können. Die EU-Hauptstädte sind der Meinung, dass die einzelnen Staats- und Regierungschefs mit ihm telefonieren und versuchen sollten, ihn zu zähmen", so der Referent weiter.

Dem Experten zufolge ist es noch schwer abzuschätzen, wofür sich die Europäer entscheiden werden: ob sie einer Erhöhung der Erdöl- und Erdgaskäufe aus den USA zustimmen oder Trump mit Gegenmaßnahmen drohen werden. "Aber ich denke, dass die EU sich Washington beugen und alles tun wird, was der neue Staatschef verlangt. Gleichzeitig wird ein solcher Kurs dazu führen, dass die Europäer in sechs Monaten aufheulen werden – der Geldmangel und die hohen Kosten für Energieressourcen werden sich bemerkbar machen", argumentiert Rahr.

Vor dem Hintergrund von Trumps Ultimatum wirkt die frühere Kritik der europäischen Staats- und Regierungschefs an Moskau ironisch, sagt Igor Juschkow, Experte am russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds und an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation. "Die Versuchung zur Schadenfreude ist sehr groß", betont er.

Der Gesprächspartner erinnert daran, dass frühere EU-Länder Russland vorwarfen, den Energiesektor zu politisieren und Erpressung zu betreiben. "Sie bezeichneten beispielsweise Nord Stream 2 als ein Projekt, mit dessen Hilfe unser Land Europa 'zwingen' werde, etwas zu tun und einige bestimmte Entscheidungen zu treffen", so der Analyst.

Nun drohe der designierte US-Präsident der Europäischen Union im Wesentlichen mit Sanktionen. "Donald Trump sagt ganz offen: Wenn ihr kein US-amerikanisches Erdgas und Erdöl kauft, werden wir euch, wie man so schön sagt, das Wasser abdrehen. In diesem Fall werden wir zusätzliche Einfuhrzölle einführen, die eure Wirtschaft zum Erliegen bringen werden. Was ist das denn anderes als politische Erpressung?", fragt Juschkow rhetorisch.

Allerdings schließt er nicht aus, dass der Kandidat der Republikaner lediglich zu rechtfertigen versucht, warum er Einfuhrzölle auf europäische Waren erheben will. Nach Ansicht des Experten ist es aus Sicht der Energiemärkte unlogisch, die EU zu zwingen, Erdgas und Erdöl von den USA zu kaufen. "Die US-amerikanischen Energieressourcen finden ohnehin ihre Märkte", ruft Juschkow in Erinnerung.

"Wenn die Europäer durch Trumps Drohungen verängstigt werden und anfangen, US-amerikanisches LNG zum Nachteil anderer Lieferanten zu kaufen, wird Washington gezwungen sein, Ressourcen von den asiatischen, japanischen, chinesischen und südkoreanischen Märkten umzuleiten", erklärt der Analyst. Seinen Prognosen zufolge wird Trump in diesem Fall schon am nächsten Tag beispielsweise Peking drohen, weil gemäß der Logik des gewählten US-Präsidenten das Handelsgleichgewicht mit China gestört sein wird.

"Es scheint also, dass China mit den Europäern konkurrieren muss. Das US-amerikanische Flüssiggas würde dann Europa verlassen, weil das Reich der Mitte anfangen würde, es aufzukaufen. Und dann würden die Republikaner das Ultimatum an die EU wiederholen. Solche Aktionen würden bloß zu höheren Preisen führen", betont der Experte.

Der Nutznießer werde keineswegs die US-Wirtschaft sein, sondern die internationalen Händler, merkt Juschkow an. "US-amerikanisches Flüssiggas ist eher ein umgangssprachlicher Ausdruck. In der Praxis verkaufen die US-Unternehmen die Verflüssigungskapazitäten in ihren Anlagen. Wenn die Ladung dann in einem Tanker landet, gehört sie bereits anderen, meist europäischen Unternehmen. Es sind also die Händler, die am meisten an einem Preisanstieg verdienen würden", erklärt der Analyst.

Was das Erdöl betrifft, so werden die großen Nutznießer die US-Exporteure sein, fügt er hinzu. "Aber auch hier gilt, dass sie derzeit genau dasselbe verdienen. Sie verkaufen so viel, wie sie können, und haben keine Probleme", so der Experte.

Die Gegenmaßnahme der Europäer auf Trumps Drohungen könnte darin bestehen, vermehrt Energierohstoffe aus Russland zu beziehen, allerdings brechen sie die Beziehungen zu Moskau eigenhändig ab, betont Juschkow und fügt hinzu: "Daher bleibt den EU-Ländern in einer Situation, in der sie gezwungen sind, US-amerikanisches Flüssiggas zu kaufen, nichts anderes übrig, als zu gehorchen."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 21. Dezember 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.

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