Wirtschaft

Westliche Investoren machten Ukraine-Schulden zu Goldmine

Einer der Investmentfonds brüstete sich damit, dass es ihm gelungen sei, aus den Problemen der Ukraine einen hohen Profit zu schlagen. Es gibt immer diejenigen, die in einer Krise – sei sie wirtschaftlich oder geopolitisch – an ihr verdienen. Wie profitieren westliche Investoren von der Ukraine-Krise?
Westliche Investoren machten Ukraine-Schulden zu GoldmineQuelle: Gettyimages.ru © Renata Tyburczy

Während für die einen der bewaffnete Konflikt in der Ukraine menschliche Leben und Schicksale zerstört und materiellen Schaden verursacht, bringt er für die anderen beispiellose Gewinne. Für einen Fonds brachte die Ukraine, die sich seit drei Jahren in einem bewaffneten Konflikt mit Russland befindet, die höchsten Erträge, sodass dieser Fonds seine Konkurrenten übertraf.

Der Fonds Arkaim Advisors profitierte davon, dass er rechtzeitig Anleihen dreier ukrainischer Konzerne – des Staatsunternehmens "Naftogaz", der "Ukrainischen Eisenbahnen" und des Bergbauunternehmens "Metinvest" – aufkaufte.

Die Anleihen dieser ukrainischen Unternehmen erzielten in diesem Jahr einige der höchsten Erträge in den Schwellenmärkten – jeweils circa 73 Prozent, 52 Prozent und 19 Prozent, während der Durchschnitt der mit Junk-Rating bewerteten Vergleichsunternehmen bei 9,4 Prozent liegt, wie Bloomberg-Daten zeigen.

Dieser Fonds ist unter anderem auf Anleihen mit Junk-Rating aus den Schwellenländern spezialisiert. Um welche Art von Anleihen handelt es sich dabei, und wie schafft man es, mit ihnen so verrückte Zinsen zu verdienen?

Im Allgemeinen sind Anleihen ein recht konservatives Anlageinstrument, da sie im Gegensatz zu Aktien, die als risikoreicher gelten, in der Regel nur bescheidene Erträge erzielen. Daher werden Investitionen in Aktien oft mit Investitionen in Anleihen als zusätzliches Sicherheitsnetz "überlagert". Die meisten Investoren ziehen es natürlich vor, ihr Kapital in US-Anleihen zu investieren – die Erträge sind zwar gering, aber die Risiken sind minimal – oder in Anleihen anderer großer Industrieländer mit hohem Rating.

Ganz anders verhält es sich bei Junk-Anleihen. Dabei handelt es sich um Schulden eines Landes oder von Unternehmen mit einem Kreditrating unterhalb von Investment Grade oder gar keinem Rating. Das heißt, dass es aus wirtschaftlicher Sicht sehr gefährlich ist, solchen Unternehmen Kredite zu gewähren – sie könnten sie nie zurückzahlen beziehungsweise die Zahlungsunfähigkeit erklären. Um Investoren zu gewinnen, müssen sie daher ihre Rentabilität erhöhen.

Ausländische Investoren begannen bereits im Frühjahr 2022 mit dem Kauf ukrainischer Anleihen, als der Grad der Ungewissheit noch sehr hoch war. Sie rechneten jedoch damit, dass die Kurse ukrainischer Anleihen stark ansteigen würden, sobald die militärische Sonderoperation Russlands beendet ist.

Und obwohl die militärische Sonderoperation in der Ukraine noch andauert, kalkulieren diese nervenstarken Investoren bereits kolossale Profite. Woher stammen diese Erträge nun?

Es geht um die Finanzmittel, die der Ukraine jedes Jahr von ihren westlichen Herren zur Verfügung gestellt werden. Diese Beihilfen fließen zumeist nicht in die ukrainische Realwirtschaft, wie es äußerlich den Anschein hat, sondern in die Begleichung ukrainischer Schulden bei denselben ausländischen Investoren. Eine solche Kapitalzirkulation – von einer westlichen Tasche in eine andere westliche Tasche – führt dazu, dass die Schulden der Ukraine sowohl auf der Ebene des Landes als auch auf der Ebene der ukrainischen Staatsunternehmen immer weiter steigen. Ende 2021 betrug die Staatsverschuldung des Landes 48,9 Prozent des BIP, und Ende 2023 war sie auf 85 Prozent des BIP angestiegen.

Die gesamte Staatsverschuldung des Landes ist von 97,95 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 152,2 Milliarden US-Dollar im Juni 2024 gestiegen (ein Anstieg von fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Die Schulden setzen sich wie folgt zusammen: 71,4 Milliarden davon sind internationalen Verbänden geschuldet, 42,2 Milliarden den Ukrainern und lokalen Unternehmen und 7,5 Milliarden anderen Ländern. Hinzu kommen weitere 19,7 Milliarden US-Dollar an Eurobonds, für die ein Zahlungsmoratorium gilt. Zudem stieg der Schuldendienst erheblich an. Allein für die Bedienung der vom Internationalen Währungsfonds gewährten Kredite muss die Ukraine in diesem Jahr rund 3 Milliarden US-Dollar und im Jahr 2025 mehr als 3 Milliarden US-Dollar zahlen. Das Land hat jedoch noch viel mehr Kredite und Schulden. Nach Angaben der Vereinten Nationen und des ukrainischen Statistikamtes belaufen sich die Zinszahlungen im Jahr 2023 auf 7,9 Milliarden US-Dollar (5,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022). Gemessen an der Pro-Kopf-Verschuldung ist die ukrainische Verschuldung um das 1,5-Fache gestiegen, in absoluten Zahlen sogar um ein Drittel. Und dies trotz der Tatsache, dass die G7-Länder und eine Reihe von Kreditoren Kiew einen Schuldenaufschub gewährten.

Was "Naftogaz" betrifft, so wurden seine Schulden umstrukturiert, und vor kurzem erhielt das Unternehmen eine weitere Finanzierungsrunde von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Diese Umstrukturierung bedeutet, dass das Unternehmen seine Schulden nicht tilgt, sondern sie auf einen längeren Zeitraum verschiebt, wodurch es letztendlich mehr Zinsen zahlen muss. Und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vergibt die Finanzmittel nicht einfach so, sondern in Form von Krediten mit Zinsen, und zwar auf regelmäßiger Basis. Dieses Geld verwendet "Naftogaz" unter anderem für den Erdgaseinkauf.

Das Unternehmen "Ukrainische Eisenbahnen" vereinbarte Ende 2023 einen Zahlungsaufschub für Eurobonds um zwei Jahre – bis Januar 2025 (Anleihen über 895 Millionen US-Dollar).

"Metinvest" verwendet freie Finanzmittel für den Rückkauf eigener Anleihen, soweit dies möglich ist, und erwirbt so das Vertrauen der Investoren. So kündigte das Unternehmen im Mai einen Tender zum Rückkauf eines Teils seiner 2025-2026 fälligen Eurobonds für bis zu 70 Millionen US-Dollar an. Zu den Nachteilen von Junk-Anleihen gehört, dass sie illiquide sind, das heißt, es gibt nur wenige Kaufinteressenten, sodass es manchmal schwierig ist, solche Instrumente zu verkaufen. Deshalb ist es so wertvoll, dass das Unternehmen die Anleihen selbst zurückkauft, was auf seine gute finanzielle Lage hindeutet.

Der Chief Investment Officer des Fonds, Dmitri Griko, erklärt, die Schulden der Ukraine seien natürlich nicht die einzigen Aktiva. Das Portfolio des Fonds umfasst zwangsläufig hochverzinsliche (also "Junk"-)Anleihen von Unternehmen aus anderen Ländern. Sollte also etwas nicht den Erwartungen entsprechen, werden die Verluste durch andere Unternehmen kompensiert.

Bis Mai 2024 war das größte Fondsobjekt nicht die Ukraine, sondern Argentinien mit seinen Unternehmens- und Provinzkrediten. Aber jetzt macht die Ukraine einen größeren Anteil am Portfolio des Fonds aus. Im Oktober 2023 habe der Anteil der Ukraine an dem Fonds 8 Prozent betragen, jetzt liege er bei über 10 Prozent, so Griko gegenüber Bloomberg.

Diese Strategie, mit Junk-Anleihen Geld zu verdienen, ist keine Neuheit. In den USA liegt der Anteil der hochverzinslichen Anleihen (ein etwas besserer Image-Name als "Junk-Anleihen") bei über 15 Prozent. Amerika hat sogar seinen eigenen "Junk-Bond-König", der in den 1990er Jahren "aufstieg" – Michael Milken.

Ursprünglich bestand die Strategie des Aufkaufs von Junk-Anleihen darin, unter den Unternehmen mit niedrigem oder keinem Investment-Grade-Rating diejenigen zu finden, die vertrauenswürdig sind, und ihnen Geld zu leihen. Nachdem diese Unternehmen das Geld bekommen hatten, entwickelten sie sich zu rentablen und großen Unternehmen.

Mithilfe eines solchen Instruments entwickelten sich in den USA der Telekommunikationssektor, das Glücksspielgeschäft, die Filmindustrie und sogar Einzelhandels- und Energieunternehmen. Das heißt, die Investoren halfen im Grunde genommen den kleinen Unternehmen, auf die Beine zu kommen. Heute allerdings nimmt dies einen anderen Charakter an und gleicht eher einem Geldspiel bei bewaffneten Konflikten oder vor großen Fusionen und Übernahmen. In diesem Jahr brachten beispielsweise zwei große Holdings – Colombia Telecomunicaciones und MC Brazil Downstream – diesem Fonds dank Spekulationen über Übernahmen ebenfalls zweistellige Erträge ein.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 26. August 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

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