Tanker-Stau vor Europa – Der neue Gashandel wird von Spekulanten gesteuert
Die Gasspeicher in der EU sind aktuell durchschnittlich zu 93,4 Prozent gefüllt. Deutschland und Italien können gar kein Gas mehr aufnehmen. Aus diesem Grund lässt sich ins Gasverbundnetz zurzeit nur immer so viel Gas einspeisen, wie verbraucht wird. In einem warmen Oktober hält sich das in Grenzen. Wie hat sich der Gashandel nach dem Umstieg auf LNG-Tanker insgesamt verändert? Jens Berger von den NachDenkSeiten analysierte die chaotische Lage.
Gasverkäufer, die ihr Gas kurzfristig verkaufen wollten, hätten am Montag an der niederländischen Energiebörse ICE-Endex zum ersten Mal in der Geschichte den Käufern dafür Geld bezahlen müssen, weil der Gaspreis im negativen Bereich votiert sei. Berger zufolge herrsche aufgrund der internationalen Spekulation mit der Energieressource mittlerweile ein großes Chaos bei einer Gasversorgung, "die den Wirren der Weltmärkte überlassen wurde".
In den vergangenen Wochen hätten die EU-Regierungen Panikkäufe getätigt und damit den Preis fahrlässig in die Höhe getrieben, indem sie fast zu jedem angebotenen Preis kauften, so Berger. Im Sommer erzielte man mit einer einzigen LNG-Tanker-Lieferung bis zu 150 Millionen Dollar. Mittlerweile sei der Spotmarktpreis von 200 Euro pro Megawattstunde auf durchschnittlich 20 Euro gefallen.
Und das sei der Grund, warum nun 60 LNG-Tanker – 10 Prozent der weltweiten Gesamtkapazität – vor den Häfen Europas liegen. Die Verkäufer warteten auf bessere Zeiten. Man kann die Tanker als rote Punkte auf dem Portal MarineTraffic vor Cádiz, Le Havre, Antwerpen, Rotterdam, Skagen, Göteborg und vor Schweden an der Meeresküste identifizieren. Vor Deutschland liegen sie nicht, denn hier gibt es keine LNG-Terminals.
Statt einer zuverlässigen bedarfsangepassten Lieferung über Gaspipelines bestimmten beim Tankertransport nun die Spekulanten Menge, Preis und Anlieferungszeit des Gases. Wenn es kälter wird und die Gasspeicher sich leeren, würden die Preise wieder steigen. Allerdings reichten dann die europäischen Terminalkapazitäten nicht, um den Gasverbrauch zeitnah auszugleichen. Außerdem würden Wochen vergehen, bis die Tanker nach ihrer Löschung mit der nächsten Gasladung wieder von den Weltmeeren zurück sein könnten.
So zeige die "Posse" rund um negative Gaspreise und Tanker, die vor Europas Küsten ankerten, das Ausmaß des angerichteten Chaos. War der alte Gashandel noch durch planbar und seriös vereinbarte Preise gekennzeichnet gewesen, so ist der neue Gashandel unzuverlässig und von Spekulanten gesteuert.
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