Die USA versuchen, Russlands Absturz zu organisieren: So vermeidet es ihn
Eine Analyse von Wladimir Segojew und Xenia Tschemodanowa
Russland wird seinen internationalen Verpflichtungen in Rubel nachkommen, denn die USA haben Moskau verboten, seine Auslandsschulden in Dollar zu begleichen. Wie das russische Finanzministerium angab, verletzen die Handlungen Washingtons die Rechte ausländischer Investoren und untergraben das Vertrauen in das westliche Finanzsystem. Dabei werden die Versuche der USA, einen künstlichen Default zu organisieren, keine Auswirkungen auf das Leben der Bürger Russlands haben, versicherte Finanzminister Anton Siluanow. Ihm zufolge kann die heutige Situation nicht mit der von 1998 verglichen werden, als das Land nicht genug Geld hatte, um seine Schulden zu begleichen. Wie die Regierung betont, verfügt Moskau heute über die Mittel, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, und die westlichen Partner werden sich an den Rubel gewöhnen müssen.
Russland wird seine internationalen Verpflichtungen weiterhin erfüllen, sogar bei Verschärfung der äußeren Bedingungen. Doch jetzt werden die Zahlungen auf Auslandsschulden in Rubel erfolgen, so das russische Finanzministerium.
Die USA hatten zuvor die allgemeine Lizenz nicht verlängert, mit der Russland befugt war, seine US-Kreditoren in Dollar zu bezahlen. Die Geltungsdauer des Dokuments endete am Morgen des 25. Mai.
"Die Entscheidung des US-Finanzministeriums zur Erneuerung der Lizenz für Investoren, Dollarzahlungen auf russische Obligationen zu erhalten, verstößt in erster Linie gegen die Rechte ausländischer Investoren bezüglich russischer Schuldinstrumente und untergräbt das Vertrauen in die westliche Finanzinfrastruktur", betonte das russische Finanzministerium.
Durch die künstliche Beschränkung der Bedienung von Auslandsschulden in Dollar versuche Washington, Russland Probleme zu bereiten, sagte Dumasprecher Wjatscheslaw Wolodin am Mittwoch. Wobei, wie er sagt, Moskau eine Lösung für diese Herausforderung hat.
"Wir haben bereits Erfahrung mit dem Zahlungsausgleich in Rubel. Die Verträge für Gas haben dies gezeigt. Die Vereinigten Staaten und die Satelliten, die ihre Entscheidungen unterstützen, sollen sich an den Rubel gewöhnen", schrieb Wolodin auf seinem Telegram-Kanal.
Wie der Sprecher der Staatsduma betonte, trafen die USA eine bewusste Entscheidung und beraubten Russland der Möglichkeit, seiner Verpflichtung in US-Währung nachzukommen. In letzter Zeit nahm der Rubel aber deutlich an Wert zu, und in diesem Sinne ergab sich für Moskau eine vorteilhafte Marktsituation, so Wolodin.
Zu beachten ist, dass Russland mithilfe von Obligationen Geld von anderen Ländern leiht. Die Rede ist von sogenannten Eurobonds, die in einer Währung aufgelegt werden und staatlich garantierte Schuldverschreibungen sind. Die Investoren kaufen die vom Finanzministerium emittierten Wertpapiere und erhalten dafür ein regelmäßiges Einkommen. Auf diese Weise stellen die Inhaber von Staatsanleihen der russischen Wirtschaft ihr Geld zur Verfügung.
Ende Februar 2022 froren die USA, die Europäische Union und eine Reihe anderer Länder fast die Hälfte der russischen Gold- und Devisenreserven (GOLD) in Höhe von insgesamt rund 300 Milliarden Dollar ein. Die Rede ist von dem Teil der Reserven des Landes, der in Dollar, Euro und einigen anderen Währungen auf Konten ausländischer Banken und Institutionen angelegt wurde.
Daraufhin war es Moskau nur noch erlaubt, seine Schulden mit neuem Geld und nicht mit dem gesperrtem zu begleichen. Übrigens fehlt jetzt diese Möglichkeit für Russland auch, bemerkte Mark Goichman, Chefökonom des TeleTrade Information and Analysis Center, in einem Gespräch mit RT.
"Die Lizenz des US-Finanzministeriums gestattete es den Inhabern russischer Staatsanleihen in den USA, vom russischen Staat Dollar zur Bedienung und Tilgung der Auslandsschulden Russlands zu erhalten. Dies ermöglichte es uns die entsprechenden Zahlungen über westliche Banken zu tätigen und damit unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Jetzt könnte eine paradoxe Situation entstehen: Russland wird seine Schulden pünktlich und vollständig bezahlen, doch die Gläubiger werden sie nicht erhalten, weil die Banken keine Zahlungen durchlassen werden", erklärte Goichman.
Am 27. Mai hätte Russland Kuponzahlungen für Eurobonds in Höhe von etwa 100 Millionen Dollar leisten sollen, schrieb die Nachrichtenagentur TASS. Allerdings beschloss das russische Finanzministerium, proaktiv zu handeln, und erfüllte seine Verpflichtungen in Bezug auf diese Zahlungen früher – fünf Tage vor Ablauf der US-Rahmenlizenz.
Die nächsten Schuldentilgungen sind für Ende Juni vorgesehen, und im Falle einer Nichtzahlung wird dem Land eine Aufschiebung von bis zu 30 Tagen eingeräumt. Wenn Moskau nach Ablauf dieser Frist keine Methode zur Lösung des Problems findet, droht Russland ein technischer Default.
Ohne Turbulenzen
Es sei daran erinnert, dass ein Default die Verweigerung der Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen durch den Schuldner bedeutet. Russland hatte sich 1998 in einer solchen Situation befunden. Damals, aufgrund einer Reihe ökonomischer Probleme und völliger Ausschöpfung der Zentralbankreserven, hatte das Land die Zahlungen auf inländische Schulden für 90 Tage ausgesetzt. Übrigens hatte Moskau auch unter diesen Bedingungen seine internationalen Verpflichtungen weiterhin eingehalten.
Andererseits gibt es heute keine wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen echten Zahlungsausfall in Russland. In diesem Fall, sogar bei Nichtzahlung der Auslandsschulden, sei eine Wiederholung der Ereignisse der späten 1990er-Jahre nicht zu erwarten, so Finanzminister Siluanow.
"Die aktuelle Situation hat mit der Situation von 1998 nichts zu tun, als Russland nicht genug Mittel hatte, um seine Schulden zu begleichen. Heute ist das Geld da und die Zahlungsbereitschaft ist auch vorhanden. Diese Situation, die von einem feindlichen Land künstlich geschaffen wurde, kann die Lebensqualität der Russen nicht beeinträchtigen", betonte Siluanow.
Alexander Abramow, Leiter des Labors des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung an der Russischen Akademie der Wissenschaften, äußerte gegenüber RT eine ähnliche Sichtweise. Seiner Meinung nach hat Russland heute keine besonders großen Auslandsverbindlichkeiten und auch keine bedeutende interne Verschuldung wie vor 25 Jahren. Somit seien die Auswirkungen der Situation auf die Wirtschaft und die Bürger minimal, meint der Experte.
"Die US-Behörden verstehen sehr wohl, dass sie ihren eigenen Anlegern mehr schaden, doch ihr Wunsch, einen Staatsbankrott Russlands zu erklären und uns damit für einige Zeit vom globalen Kapitalmarkt abzuschneiden, ist sehr groß. Also ist es ausschließlich ein Instrument psychologischen Drucks auf die russische Regierung", erklärte Abramow.
Olga Belenkaja, Leiterin der Abteilung für makroökonomische Analysen bei der Finam Group, erklärte RT, dass ein technischer Default es Russland theoretisch erschweren könnte, Finanzmittel selbst von Gläubigern aus neutralen oder befreundeten Ländern zu erhalten. Deshalb könnte die Rückkehr Moskaus an die internationalen Kapitalmärkte auch nach Aufhebung der Sanktionen problematisch werden.
"Gleichzeitig ist den Anlegern wahrscheinlich klar, dass die Tatsache eines Zahlungsausfalls auf russische Obligationen allein noch kein Zeichen für die Zahlungsunfähigkeit Russlands als Schuldner ist. Das Land hat die Möglichkeit und die Bereitschaft, seinen Verpflichtungen nachzukommen, aber auch das Problem im Zugang des Finanzministeriums zur Zahlungsinfrastruktur in dieser konkreten Währung, dem US-Dollar", erklärte Belenkaja.
Währungssubstitution
Noch Anfang März hatte der russische Präsident Wladimir Putin ein Dekret unterzeichnet, das die Rückzahlung von Schulden in russischer Währung erlaubt. Im April versuchte das Finanzministerium, die Verpflichtungen in Rubel zu erfüllen, doch der Westen bereitete sich immer noch darauf vor, den technischen Default des Landes zu erklären, weil ein solches Verfahren in den bestehenden Abkommen nicht vorgesehen ist. Daraufhin wurden die Zahlungen in Rubel zurückgezogen, und Moskau beglich seine Schulden in Dollar.
Im Falle einer Weigerung von US-Banken, Dollar zu akzeptieren, werden die russischen Behörden erneut versuchen, in Rubel zu zahlen. Sollten auch diese Zahlungen nicht gebilligt werden, wird Moskau möglicherweise rechtliche Schritte einleiten, so Goichman.
"Grundsätzlich ist das Einreichen von Zahlungsbelegen bei den Banken, dass die Liquidität gegeben ist, ein Grund für rechtliche Schritte Russlands wegen Nichtausführung von Anweisungen. Vermutlich wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, allerdings wird das Verfahren sehr langwierig sein und sein Ausgang ist noch nicht abzusehen", so der Analyst.
Nichtsdestotrotz könnte diese präzedenzlose Situation Auswirkungen auf den finanziellen Ruf der Vereinigten Staaten haben. Entsprechende Zuversicht wurde bereits vom stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates Dmitri Medwedew geäußert.
"Handlungen der USA, die technische Hindernisse für die Erfüllung von Verpflichtungen schaffen, sollten vom Gericht entweder als höhere Gewalt oder als schuldhaftes Verhalten des Gläubigers angesehen werden. (...) Die Inhaber der Obligationen in den USA selbst werden unser Geld in diesem Fall nicht erhalten. Wobei die Schuld bei ihrem eigenen Land läge. Ein überzeugender Schritt von Biden, der das Vertrauen in sein Finanzsystem stärkt, vor dem Hintergrund von Inflation und der Energiekrise", betonte Medwedew.
Übersetzt aus dem Russischen.
Mehr zum Thema - Studie: Russland kann auch ohne US-Lizenz Zahlungsausfall abwenden
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.