Lieferengpässe, Knappheiten und Verteuerungen: Großteil deutscher Unternehmen in Sorge

Über 80 Prozent deutscher Unternehmen im In- und Ausland sind von Lieferproblemen oder Preisanstiegen bei Rohstoffen und Vorprodukten betroffen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Zwei Drittel der Firmen planen, höhere Preise an die Kunden weiterzugeben.

Sämtliche Unternehmen unterschiedlicher Größen und Wirtschaftszweige kämpfen mit deutlichen Preissteigerungen oder Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten und Rohstoffen.
Das ergab eine am Donnerstag veröffentlichte Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter knapp 3.000 deutschen Unternehmen im In- und Ausland.
Preisanstiege oder Lieferprobleme bei Rohstoffen, Vorprodukten wie Stahl, Aluminium, Kupfer oder Holz und auch Waren machten sich bei 83 Prozent der Unternehmen aller Industriezweige bemerkbar.

So berichten von derartigen Problemen 90 Prozent der Unternehmen aus der Gummi- und Kunststoffindustrie, Metallindustrie und Chemieindustrie. In der Fahrzeugindustrie sind es 92 Prozent, in der Elektrotechnik 85 Prozent und im Baugewerbe 94 Prozent der Betriebe.

Aber auch der Einzelhandel ist mit 83 Prozent von Knappheiten und Verteuerungen betroffen, bei Transport- und Logistikbetrieben sind es der Umfrage zufolge 67 Prozent sowie 48 Prozent bei sonstigen Dienstleistern. Laut DIHK berichten nur vereinzelt  Unternehmen, dass sie zwar Lieferschwierigkeiten in den vergangenen Monaten hatten, diese aber nicht mehr aktuell sind. DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier warnt, dass der Konjunkturaufschwung ausgebremst werde:

"Die aktuelle Entwicklung kann den wirtschaftlichen Erholungsprozess nach der Krise merklich erschweren."

Als Grund für die Probleme sehen 70 Prozent der befragten Unternehmen die gestiegene Nachfrage während des Aufschwungs beziehungsweise zu geringe Produktionskapazitäten, unter anderem durch die unterschiedliche Entwicklung des Pandemiegeschehens in der Welt. Bei Problemen mit dem Transport von Rohstoffen und Vorleistungsgütern, die 53 Prozent der Betriebe treffen, mangele es vor allem an Containern (76 Prozent), an Frachtkapazitäten bei Schiffen (74 Prozent), Straßen und Schienen (27 Prozent) sowie Flugzeugen (24 Prozent). Erschwerend komme für die deutsche Wirtschaft die jüngste Teilschließung des chinesischen Hafens in Ningbo hinzu. In Deutschland ansässige Unternehmen berichten laut DIHK vereinzelt davon, dass die Hochwasserkatastrophe zu den Problemen beiträgt.


"Wenn eine anziehende Nachfrage in vielen Weltregionen auf nicht ausreichende Produktions- und Transportkapazitäten etwa aufgrund von Corona-Beschränkungen trifft, steigen die Preise", erklärt Treier. "Das belastet zunehmend die weltweite Konjunktur und die internationalen Geschäfte unserer Unternehmen."


Auch das gewerkschaftsnahe IMK-Institut sah die Konjunktur-Aussichten zuletzt etwas eingetrübt. Die Wahrscheinlichkeit eines Booms der deutschen Wirtschaft sei auf 50 Prozent gesunken von gut 61 Prozent im Juli, wie aus dem Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung hervorgeht.

"Die große Lücke zwischen Auftrags- und Produktionsentwicklung macht die hohe Abhängigkeit der Lieferketten von Produktionsstandorten außerhalb Europas deutlich", erläuterte IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld. "Das größte Risiko für die Konjunktur sind der verlangsamte Impffortschritt und die um sich greifenden, hochansteckenden Corona-Virusvarianten."


Der Autohersteller Toyota wird Berichten zufolge die Fahrzeugproduktion im September wegen des weltweiten Mangels an Mikrochips um 40 Prozent kürzen. Auch Volkswagen hat gewarnt, dass das Unternehmen - der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt - seine Produktion weiter drosseln könnte, nachdem es schon zu Beginn des Jahres zu Kürzungen kam. Gegenüber Reuters erklärte das deutsche Unternehmen: "Wir erwarten derzeit, dass das Angebot an Chips im dritten Quartal sehr volatil und knapp sein wird. Wir können weitere Änderungen in der Produktion nicht ausschließen."

In über 70 Prozent der vom DIHK befragten Betriebe kommt es zu längeren Wartezeiten, mehr als die Hälfte haben einen erhöhten Planungsaufwand. Für über 40 Prozent geht es so weit, dass Aufträge nicht abgearbeitet werden können (42 Prozent) oder die Lieferschwierigkeiten zu Umsatzausfällen führen (43 Prozent). Ein Viertel der Unternehmen muss zudem die Produktion drosseln.

Rund zwei Drittel der Betriebe planen, höheren Einkaufspreise an Kunden weiterzugeben. Ebenso viele der Unternehmen sind auf der Suche nach neuen oder zusätzlichen Lieferanten, 57 Prozent wollen ihre Lagerhaltung erhöhen. 17 Prozent der Unternehmen zeigen sich findig und nutzen alternative oder recycelte Materialien, ebenso viele Betriebe sehen sich aber gezwungen, Personalanpassungen wie Kurzarbeit oder Abbau von Überstunden und Urlaubstagen vorzunehmen. Über die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) erwarten erst im kommenden Jahr eine Aufhellung der Lage. 

"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass wir es nicht nur mit einem kurzfristigen Anstieg der Preise zu tun haben", so Treier.

Der Chef der Außenhandelskammer in China, Jens Hildebrandt, rechnet mit einer weiteren Verschärfung der Situation durch das Weihnachtsgeschäft. In Deutschland hatte es jüngst bereits einen deutlichen Teuerungsschub gegeben. Angeheizt vor allem von höheren Energiepreisen sprang die Inflationsrate im Juli auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren. Die Verbraucherpreise lagen um 3,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

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