Die Ankündigungen der Minister Altmaier und Scholz beziehen sich vor allem auf die sogenannte Überbrückungshilfe III. Unternehmen erhalten bei der Überbrückungshilfe einen Zuschuss zu ihren fixen Betriebskosten, wenn sie einen gewissen Umsatzrückgang nachweisen. Bisher gab es 166.000 Anträge in Höhe von gut zehn Milliarden Euro. Rund 5,1 Milliarden Euro wurden ausgezahlt.
Nach den bisher geltenden Regeln deckt die Überbrückungshilfe Einbußen von Unternehmen und Selbstständigen bis Ende Juni ab. Anträge sind bis Ende August möglich. Beides dürfte nun verlängert werden. Wahrscheinlich ist, dass coronabedingte Schäden bis Ende des Jahres abgedeckt werden.
Auch die Neustarthilfe für Soloselbstständige läuft bisher nur bis Ende Juni und könnte aber bis Ende des Jahres verlängert werden. Wirtschaftsverbände begrüßen die Verlängerung. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, sagte:
"Es ist richtig, die Hilfen für den von den Corona-Maßnahmen betroffenen Einzelhandel zu verlängern. Derzeit erleiden selbst die Händler, die für negativ getestete Kunden geöffnet haben dürfen, Umsatzverluste von mehr als 50 Prozent."
Das zeige, dass nach wie vor staatliche Unterstützung gefragt sei. „Solange die Umsatzeinbrüche aufgrund der Corona-Maßnahmen so hoch ausfallen wie derzeit, dürfe der Staat seine unterstützenden Maßnahmen nicht einstellen."
Viele der zugesagten Wirtschaftshilfen seien immer noch nicht angekommen. Mehr als zwei Drittel der Händler warten weiterhin. Die Abschlagszahlungen blieben zudem oft hinter den Erwartungen und dem Bedarf zurück. Etwa 60 Prozent der Empfänger von Abschlagszahlungen erhielten weniger als 50 Prozent der Auszahlungssumme.
In Gebieten mit Inzidenzen unter 100 müsse zudem die Testpflicht vor dem Einkauf entfallen. Der Handelsverband spricht sich für ein entschiedenes, bundesweit einheitliches Vorgehen und ein Öffnen der Geschäfte aus. Nach einer Umfrage in der Kalenderwoche 16 sehen sich zwei Drittel der Bekleidungshändler in Existenzgefahr und rechnen für dieses Jahr damit, Insolvenz anmelden zu müssen. Bis zu 120.000 Geschäfte könnten verschwinden. Das hinterlässt in Städten, Gemeinden und Kommunen tiefe Spuren.
Auch die Gewerbesteuereinnahmen würden massiv einbrechen, bis zu 250.000 Jobs könnten verloren gehen. Das reiße ebenfalls andere Branchen wie die Gastronomie oder den Tourismus noch tiefer in den Abgrund.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) will eine Verlängerung des Insolvenzschutzes und moniert die schleppende Auszahlung. Nach einer Branchenumfrage warten immer noch jeweils gut zehn Prozent der Betriebe auf die vollständige Auszahlung der November- und Dezemberhilfen. Beim aktuellen Förderprogramm der Überbrückungshilfe III fehlten rund 79 Prozent der Gelder. Dehoga-Präsident Guido Zöllick meinte:
"Viele unserer Betriebe sind am Ende ihrer Kräfte – finanziell, psychisch, emotional."
Jeder vierte Unternehmer in der Branche erwägt, seinen Betrieb aufzugeben. Gut sechs Prozent der Befragten sehen die Gefahr, in den nächsten drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen zu müssen.
Die Insolvenzantragspflicht solle für Firmen verlängert werden, die noch auf Hilfsgelder warten oder für die wegen bestehender Höchstgrenzen die Hilfen nicht ausreichen. Zöllick erläuterte dem Handelsblatt:
"Wir sehen jetzt Licht am Ende des Tunnels. Es wäre verantwortungslos, bei den Unternehmen jetzt den Stecker zu ziehen, die ohne eigenes Verschulden in die Notlage geraten sind."
Union und SPD konnten sich bisher nicht darauf einigen, die Insolvenzantragspflicht weiter auszusetzen.
Bei der Kurzarbeit müsse zudem "ganz dringend" die bis 30. Juni 2021 befristete Regelung zur vollständigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit verlängert werden. Ansonsten bleibe nur der Stellenabbau.
Die vollständige Erstattung der während der Kurzarbeit vom Arbeitgeber allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge läuft Ende Juni aus. Für Betriebe, die bis dahin in Kurzarbeit gegangen sind, ist im zweiten Halbjahr nur noch eine 50-prozentige Erstattung möglich. Bei Unternehmen, die ab Juli neu in Kurzarbeit gehen, müssen die Arbeitgeber die Sozialabgaben in der Regel allein tragen, es sei denn, sie bilden Kurzarbeiter fort.
Ob eine Verlängerung der vollständigen Erstattung über Ende Juni hinaus erforderlich sei, lasse sich derzeit noch nicht endgültig abschätzen, teilt das Arbeitsministerium mit. Man werde "die Entwicklungen in den nächsten Wochen genau beobachten und zeitnah Verlängerungsoptionen prüfen".
Schon im Februar hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) den ursprünglichen Haushaltsansatz für das Kurzarbeitergeld auf 12,5 Milliarden Euro verdoppelt. Bis Jahresende würden weitere 7,5 Milliarden Euro benötigt werden. Nach Schätzung des ifo Institutes waren im April noch 2,7 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit – 300.000 weniger als im März.
Bundeshilfen sind auch in Nahverkehrsbetrieben dringend erforderlich. Im vergangenen Jahr stellte der Bund bereits 2,5 Milliarden Euro. Noch einmal dieselbe Summe brachten die für den Nahverkehr zuständigen Bundesländer auf. Für dieses Jahr dürften es erneut je eine Milliarde Euro werden. In einem Bericht der Bundesländer an den Verkehrsausschuss des Bundestages werden die Schäden für den Nahverkehr für 2020 mit rund 3,1 Milliarden Euro beziffert.
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