Nach Bilanzskandal: Zahlungsdienstleister Wirecard meldet Insolvenz an
Der Vorstand der Wirecard AG habe heute entschieden, für die Wirecard AG beim zuständigen Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu stellen, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit.
Die Papiere des im Bilanzskandal versunkenen Zahlungsabwicklers waren am Donnerstag erstmals seit Sommer 2011 wieder zu einem einstelligen Kurs gehandelt worden. Mit 9,96 Euro erreichten sie den tiefsten Stand seit August 2011.
Der Dax-Konzern wickelt als Dienstleister elektronische und bargeldlose Zahlungen an Ladenkassen und im Internet ab. Über das Unternehmen laufen die Zahlungsströme zwischen Kredit- und EC-Kartenfirmen auf der einen und den angeschlossenen Händlern auf der anderen Seite. Zudem prüft Wirecard mithilfe seiner Software, ob ein Kunde etwa genug Geld für den angedachten Einkauf im Internet hat. Doch seit Tagen sorgt der Zahlungsdienstleister für Schlagzeilen. Wirecard wird systematische Bilanzmanipulation vorgeworfen. Bereits vor einem Jahr hatte die Londoner Financial Times diesen Vorwurf erhoben. Ex-Vorstandschef Markus Braun hatte dies aber monatelang eisern dementiert und der britischen Zeitung seinerseits haltlose Unterstellungen vorgeworfen.
Im Mittleren Osten und in Südostasien betrieb Wirecard das Geschäft über Drittfirmen
Im Zentrum des Skandals stehen der frühere Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein ehemaliger Treuhänder, der das mutmaßlich zum Großteil gar nicht existierende Geschäft mit Drittfirmen betreute. Im Mittleren Osten und in Südostasien betrieb Wirecard das Geschäft zum großen Teil nicht selbst, sondern hatte Drittfirmen damit beauftragt – so jedenfalls die offizielle Darstellung bis vor wenigen Tagen. Dieses Drittpartnergeschäft machte einen erheblichen Teil der bilanzierten Gewinne aus und lief über die Treuhandkonten, auf denen etwa 1,9 Milliarden Euro verbucht waren.
Nach derzeitigem Stand sieht es so aus, als ob es sich um frei erfundene Scheingeschäfte handelte. Nach Einschätzung der Münchner Staatsanwaltschaft gerieten keineswegs nur Wirecard-Mitarbeiter in Südostasien auf Abwege, sondern auch Mittäter in der Unternehmenszentrale im Münchner Vorort Aschheim, einschließlich des Konzernchefs.
Wir gehen davon aus, dass es einen hinreichenden Tatverdacht gibt", sagte die Sprecherin der Ermittlungsbehörde, Anne Leiding, am Dienstag.
Wirecard hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass die 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht existieren. Deswegen prüft der Konzern die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen: "Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden", hieß es.
Am Montagabend wurde der Ex-Vorstandschef Markus Braun festgenommen, kam aber am nächsten Tag gegen fünf Millionen Euro Kaution und weitere Auflagen frei. Das Geld sei noch am Dienstagnachmittag hinterlegt worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun unrichtige Darstellung der Wirecard-Bilanzen und Marktmanipulation vor.
Aufstieg war rasant, genauso wie der Börsenwert des Unternehmens
Die Philippinen haben Geldwäsche-Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal eingeleitet – und eine Suche nach Ex-Vorstand Jan Marsalek. Justizminister Menardo Guevarra sagte am Mittwoch, er habe die Einwanderungsbehörde angewiesen, die Möglichkeit zu prüfen, ob Marsalek im Land sein könnte.
Marsalek galt bei Wirecard als rechte Hand des gestürzten Vorstandschefs Markus Braun. Er war für das Tagesgeschäft verantwortlich, wurde aber vergangene Woche zuerst suspendiert, am Montag dann entlassen. Der Manager war jahrelang als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft zuständig gewesen.
Der in der Nähe von München ansässige Dax-Konzern galt lange Zeit als deutsches Vorzeigeunternehmen der Digital-Branche. Der Aufstieg war rasant, genauso wie der Börsenwert des Unternehmens. Von rund einer Milliarde Euro vor zehn Jahren auf über 17 Milliarden Euro im Februar dieses Jahres. Doch nun, im Zuge der Affäre um Luftbuchungen, stellt sich die Frage: Warum wurde nicht strenger kontrolliert? Wo war die Finanzaufsicht – die Aufseher der Deutschen Börse?
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(rt/dpa)
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