Der neue EU-Deal: Ein gefährlicher Kompromiss auf Kosten der Schweiz
Von Hans-Ueli Läppli
Der vermeintliche Durchbruch in den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU hat einen bitteren Beigeschmack: Zwar feierten Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in Bern den Abschluss eines neuen bilateralen Abkommens, doch ein zentraler Punkt sorgt bereits für ernste Bedenken.
Künftig dürfen nur noch Personen mit einem festen Arbeitsverhältnis in der Schweiz ihre Familie nachziehen lassen – eine Regelung, die bereits hitzige Diskussionen entfacht und die Frage aufwirft, ob dies der richtige Schritt für die Schweiz ist.
Wer in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht erhalten hat und später seine Arbeit verliert, ist verpflichtet, sich umgehend um eine neue Anstellung zu bemühen und mit dem RAV zusammenzuarbeiten.
Andernfalls kann das Aufenthaltsrecht entzogen werden. Laut Justizminister Beat Jans stellt diese Regelung eine spezifische Lösung im Rahmen der Unionsbürgerrichtlinie dar.
Diese Regelung soll sicherstellen, dass Zuwanderer nicht das Sozialsystem belasten. Gleichzeitig dürfen EU-Bürger zwar in der Schweiz arbeiten, jedoch nur unter der Bedingung, dass sie ein existenzsicherndes Einkommen vorweisen können.
Gewerkschaften schlagen Alarm
Noch während der Medienkonferenz äußerte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) scharfe Kritik. Das Verhandlungsergebnis gefährde den Lohnschutz und erhöhe den Druck auf Arbeitnehmer. Besonders der restriktive Familiennachzug könne soziale Ungleichheiten verschärfen und Familien auseinanderreißen. Die Gewerkschaften wollen die Vereinbarungen deshalb bis ins Detail prüfen.
Bundesrat verteidigt Abkommen
Außenminister Ignazio Cassis bezeichnete den neuen Deal als moderne und maßgeschneiderte Partnerschaft für die Schweiz. Er hob die eigenständige Schutzklausel hervor, die es der Schweiz ermöglicht, bei wirtschaftlichen oder sozialen Risiken Zuwanderungsregeln selbstständig zu verschärfen.
Bildungsminister Guy Parmelin sieht große Chancen in dem Abkommen. Die Teilnahme an EU-Forschungsprogrammen wie Horizon sei gesichert, und im Bildungsbereich würden neue Möglichkeiten eröffnet. Gleichzeitig betonte er, dass der Schweizer Lohnschutz weiterhin ein sensibles Thema bleibe.
Politische Lager gespalten
Alt-Nationalrat Roger Köppel (SVP), der als Journalist der Weltwoche anwesend war, nutzte die Gelegenheit, den neuen Deal scharf zu kritisieren. Er zog Parallelen zu dem gescheiterten Rahmenabkommen und fragte, ob der Bundesrat intern über die Vereinbarungen abgestimmt habe.
Ignazio Cassis wies diese Kritik entschieden zurück. Das Rahmenabkommen sei Geschichte, erklärte der Außenminister, und der neue Ansatz fundamental anders.
Statt einer umfassenden Regelung habe man gezielt sektorale Abkommen ausgehandelt und bestehende Verträge modernisiert. Damit habe die Schweiz ihre Eigenständigkeit gewahrt. Auf die Frage nach einer Abstimmung im Bundesrat antwortete Cassis, dass dieser als Kollegialbehörde handle und die Details der Sitzungen vertraulich seien.
Cassis nutzte die Gelegenheit, um den sogenannten "horizontalen Ansatz", der zuvor Bedenken ausgelöst hatte, genauer zu erklären.
Anders als befürchtet, sei damit keine umfassende Übernahme von EU-Recht verbunden. Vielmehr habe man drei neue Abkommen verhandelt und bestehende präzise angepasst. Er unterstrich, dass der Prozess sorgfältig und mit Blick auf die schweizerischen Interessen geführt worden sei.
Bis Ende 2024 soll der Vertrag vom Parlament verabschiedet werden. Anschließend dürften die Schweizer Stimmbürger entscheiden – voraussichtlich in mehreren Referenden.
Der Bundesrat zeigt sich optimistisch und betont, dass das verhandelte Abkommen die Eigenständigkeit der Schweiz wahrt und gleichzeitig den Zugang zum europäischen Markt sichert.
Ob die Schweizer Bevölkerung das Abkommen letztlich annimmt, bleibt jedoch offen – die politischen Gräben sind tief, und der Widerstand gegen die neuen Zuwanderungsregeln wächst.
Gemäß von der Leyen ist es gelungen, auch in den viel diskutierten Bereichen wie Zuwanderung und Lohnschutz faire Lösungen zu finden. Zudem leiste die Schweiz einen finanziellen Beitrag zum EU-Binnenmarkt. Die langjährige Zusammenarbeit in der Forschung könne weitergeführt werden, wobei ab dem 1. Januar 2025 Schweizer Unternehmen Zugang zu Forschungsprogrammen erhalten.
Studenten aus der EU werden an Schweizer Universitäten die gleichen Studiengebühren zahlen wie Schweizer, und das Gleiche gilt für Schweizer Studenten an Hochschulen in der EU, so von der Leyen.
Sie dankte den Verhandlungsführern, sowohl vor als auch hinter den Kulissen, für ihre harte Arbeit. Innerhalb von neun Monaten hätten mehr als 200 Treffen stattgefunden. Jetzt gehe es in die Phase der Ratifizierung, und Ursula von der Leyen zeigte sich zuversichtlich, dass auch dieser Prozess erfolgreich abgeschlossen werde.
Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU, die am Freitag abgeschlossen wurden, werfen erhebliche Zweifel auf den Erfolg des neuen Vertragspakets.
Außenminister Ignazio Cassis beschloss kurz vor Abschluss, das Paket erneut zu öffnen, was Fragen zur Qualität des Deals aufwarf. Viele der verhandelten Abkommen, wie die zum Strom oder zur Lebensmittelsicherheit, müssen noch separat behandelt werden, während weiterhin ungelöste institutionelle Fragen wie die automatisierte Übernahme von EU-Recht und die Personenfreizügigkeit bestehen.
Ein bedeutendes Thema bleibt die sogenannte Schutzklausel zur Zuwanderung. Diese kann die Schweiz zwar nicht einseitig festlegen, doch selbst wenn die Schweiz vom Schiedsgericht Recht bekommt, kann die EU weiterhin Sanktionen verhängen.
Die Klausel wird von Brüssel als unzureichend betrachtet und könnte die Schweiz in ihrer Handlungsfreiheit weiter einschränken. Zudem könnte der Deal die Schweiz im Bildungsbereich erheblich belasten, da Studenten aus der EU künftig die gleichen Studiengebühren wie Schweizer zahlen müssen, was zu Mindereinnahmen von 45 Millionen Franken jährlich führen könnte.
Schweizer Systemmedien bejubeln den EU-Deal – Die dunkle Seite des Kompromisses bleibt unerwähnt
Es ist kaum zu fassen: Während die Systemmedien das EU-Schweiz-Abkommen wie auf Kommando als Erfolg feiern, bleibt der bittere Nachgeschmack offensichtlich.
Die Schweiz scheint sich selbst in eine beispiellose Falle zu manövrieren. Der jüngste Coup aus Brüssel sorgt für weiteres Kopfschütteln – darunter auch die Entscheidung, das Schienennetz der SBB zu öffnen.
Der Bundesrat hat beschlossen, das Nervensystem der Schweiz, das Schienennetz, für ausländische Bahnunternehmen zugänglich zu machen, die künftig freie Trassen für grenzüberschreitende Verbindungen nutzen können.
Ein fataler Schritt: Die Deutsche Bahn oder die Italienische könnten sich nun die restlichen Kapazitäten sichern, die früher für die Schweiz selbst vorgesehen waren. Diese Entwicklung könnte das ohnehin schon überlastete SBB-Netz weiter in die Knie zwingen, während die EU gleichzeitig an Einfluss gewinnt.
Zusätzlich gibt es kritische Stimmen aus der Wirtschaft und Bildungspolitik, die auf potenzielle Stolpersteine in dem Abkommen hinweisen, wie etwa den Zugriff der EU auf die Schweizer Stromreserven.
Die Verhandlungen bleiben somit umstritten, und es bleibt abzuwarten, wie die Schweizer Öffentlichkeit das Ergebnis aufnehmen wird.
Während die Systemmedien offenbar schon auf EU-Propaganda umschalten, zeigt sich der neue EU-Deal als gefährlicher Kompromiss auf Kosten der Schweiz.
Trotz der positiven Kommunikation des Bundesrates, der das Abkommen als Erfolg darstellt, ist klar, dass die Schweiz viele Zugeständnisse gemacht hat, die langfristig ihre Unabhängigkeit und ihren Handlungsspielraum einschränken könnten.
Der Preis für die vermeintlichen Vorteile ist hoch, und die wahren Konsequenzen dürften sich erst mit der Zeit zeigen.
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