Schweizer Zeitung "20 Minuten": KI-generierte Leserpost und Fake News über Putin
Von Hans-Ueli Läppli
Die Gratiszeitung 20 Minuten, das auflagenstärkste Pendlerblatt der Schweiz, gerät nach ihrer Jubiläumsausgabe ins Kreuzfeuer. Anlässlich des 25. Geburtstages präsentierte die Redaktion eine Seite mit Leserkommentaren, in denen vermeintliche Leser die Zeitung loben.
Doch einige dieser "Leser" waren keine realen Personen, sondern wurden durch künstliche Intelligenz (KI) erzeugt. Dieser peinliche Vorfall führte zu einer öffentlichen Entschuldigung der Chefredakteurin Désirée Pomper, die ihn als "isolierten Zwischenfall" bezeichnete. Dennoch musste ein Kadermitglied umgehend seinen Posten räumen.
Über derartiges Lob dürfte wohl jede Zeitung höchst erfreut sein:
"Ich schätze 20 Minuten, weil die Berichterstattung neutral und sachlich ist. Dadurch fühle ich mich gut informiert und kann mir meine eigene Meinung bilden, ohne das Gefühl zu haben, in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden."
Die betroffene Ausgabe erreichte 3,26 Millionen Haushalte in der Deutschschweiz. Auf der Seite waren neun Leserporträts abgebildet, die erklärten, warum sie 20 Minuten regelmäßig lesen. Darunter befanden sich "Darrell (23)" und "Remo (28)", deren Statements besonders die Neutralität und schnelle Berichterstattung des Blattes lobten.
"Mit 20 Minuten weiss ich immer, was los ist. Schnell und easy – danke!"
Doch weder Darrell noch Remo existieren tatsächlich – sie wurden durch KI erschaffen. Der Vorfall wurde publik, als ein aufmerksamer Leser auf der Plattform X (ehemals Twitter) die künstliche Natur der Bilder erkannte und öffentlich darauf hinwies.
Ein "fundamentaler Verstoß" gegen redaktionelle Grundsätze
Die Reaktion der Chefredakteurin ließ zunächst auf sich warten. Erst nachdem der Vorfall an die Öffentlichkeit gelangt war, entschuldigte sich Désirée Pomper für den "fundamentalen Verstoß gegen die publizistischen Leitlinien" der Zeitung. Sie betonte, dass weder die Chefredaktion noch die Redaktionsleitung von der Aktion gewusst hätten.
https://t.co/D9kwgPZjBE hat seine Leser befragt und hat sogar Antworten von Personen, die gar nicht existieren. Die Person "Remo (28)" ist KI-Generiert. https://t.co/VKMEqqSFGBpic.twitter.com/9Hbq9o3jdq
— Benjamin A. Zeliska (@benizeliska) September 20, 2024
Die KI-generierten Testimonials seien eigenmächtig von zwei Redaktionsmitgliedern erstellt worden, die gegen interne Richtlinien verstoßen hätten, wonach keine KI-generierten, fotorealistischen Bilder in der Publikation erlaubt sind. Die entsprechenden Inhalte wurden zwar aus der Online-Version entfernt, doch die gedruckte Ausgabe war bereits verteilt.
Die fragwürdigen Hintergründe der KI-Auswahl: Go Woke, Go Broke
Interessant ist die Auswahl der KI-generierten Figuren: ein junger Mann mit dunkler Haut und ein vermeintlich asiatischer Leser. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Redaktion gezielt Diversität darstellen wollte, jedoch auf echte Leser verzichtete, die diesem Profil entsprechen. Daraus ergibt sich die Frage, wie ernst das Thema Diversität in der Redaktion genommen wird und ob die Wahl der künstlichen Figuren aus der woken Notwendigkeit getroffen wurde.
Ein "Einzelfall" oder wiederholte Versäumnisse?
Die Redaktion von 20 Minuten versichert, dass es sich um einen "isolierten Vorfall" handle. Doch nun spekulieren Kritiker, ob dies tatsächlich der erste Fehler dieser Art war.
Immer wieder wurden Qualitätskontrollen in der Redaktion hinterfragt, besonders nach umstrittenen Berichten über den Gesundheitszustand Putins oder propagandaähnlichen Geschichten über den Ukraine-Konflikt.
Berichte über Interviews mit verängstigten russischen Frauen unter Bewachung bewaffneter ukrainischer Soldaten in besetzten Gebieten wie Kursk werfen erhebliche Zweifel an den publizistischen Standards und der ethischen Verantwortung der 20-Minuten-Redaktion auf. Inzwischen ermitteln russische Strafbehörden gegen eine Journalistin des Blattes.
Die russischen Strafverfolgungsbehörden ermitteln derzeit, wie die 20-Minuten-Korrespondentin in das Territorium der Russischen Föderation gelangt ist, um entsprechende Entscheidungen gemäß russischem Recht treffen zu können, teilte die russische Botschaft in Bern mit.
Ob dieser Vorfall eine tiefere Krise in der Redaktionskultur aufzeigt oder wirklich nur ein Einzelfall war, bleibt abzuwarten. Das Vertrauen in die 20-Minuten-Redaktion ist jedenfalls schwer erschüttert, und der Weg zur Wiederherstellung wird lang und mühsam sein.
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