Schweiz

Putins Vorschläge zum Ausstieg aus dem Krieg machen Schweizer "Friedensgipfel" zum "Kriegsgipfel"

Die Forderungen des russischen Präsidenten zielen auf eine Sicherheitsarchitektur für ganz Eurasien ab und stellen den Westen in den Augen der nichtwestlichen Welt als kriegslüstern dar. Russische Experten äußerten sich zu den Bedingungen Wladimir Putins zur Beendigung des Ukraine-Konflikts.
Putins Vorschläge zum Ausstieg aus dem Krieg machen Schweizer "Friedensgipfel" zum "Kriegsgipfel"Quelle: www.globallookpress.com

Russland hat den Westen und die Ukraine auf eine friedliche Option zur Lösung des Konflikts hingewiesen. Wladimir Putin hat diese Initiative bei einem Treffen mit der Führung des Außenministeriums vorgestellt – RT DE berichtete. Dem russischen Präsidenten zufolge handelt es sich um einen "konkreten und realen" Friedensvorschlag, der nicht das Einfrieren der Konfrontation, sondern deren Beendigung vorsieht.

Um den Konflikt zu beenden, muss die Ukraine eine Reihe von russischen Forderungen erfüllen. Die erste ist der Abzug der Truppen aus den Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie den Regionen Cherson und Saporoschje. "Wohlgemerkt: aus dem gesamten Gebiet dieser Regionen innerhalb ihrer Verwaltungsgrenzen, die zum Zeitpunkt ihres Eintritts in die Ukraine bestanden", betonte Putin.

Zweitens müsse die ukrainische Führung auf den angestrebten NATO-Beitritt verzichten. Gleichzeitig sollte sich die Führung der westlichen Länder und der Ukraine mit den neuen territorialen Gegebenheiten auseinandersetzen. Die Einwohner der vier neuen Regionen haben sich in Volksabstimmungen für einen Beitritt zur Russischen Föderation im Jahr 2022 ausgesprochen. Der Präsident stellte klar:

"Es kann keine Rede davon sein, dass unsere staatliche Einheit verletzt wird. Der Wille des Volkes, zu Russland zu gehören, ist unumstößlich. Das Thema ist für immer abgeschlossen und steht nicht mehr zur Diskussion."

Wenn die Gegner Moskaus den jetzigen Vorschlag ablehnen, werden sich die Forderungen der Russischen Föderation in Zukunft deutlich ändern. "Es liegt auf der Hand, dass sich die Gegebenheiten vor Ort an der Kontaktlinie, weiterhin nicht zugunsten des Kiewer Regimes verändern werden. Und die Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen werden anders sein", erklärte Putin.

Putin sagte auch, dass es notwendig sei, ein Sicherheitssystem auf dem eurasischen Kontinent auszuarbeiten, an dem sich auch die derzeitigen NATO-Mitgliedstaaten beteiligen könnten.

Putin machte seine Vorschläge am Vorabend der sogenannten "Friedenskonferenz" zum Ukraine-Konflikt in der Schweiz. Außenminister Sergei Lawrow betonte, dass diese Veranstaltung "in unklarer Zusammensetzung und auf unklarer Ebene" stattfinde. Gleichzeitig hoffe er, dass der Vorschlag Putins den Teilnehmern des Treffens Gesprächsstoff liefere.

Unterdessen hat Wladimir Selenskij die Bedingungen des russischen Präsidenten als "Ultimatum, dem man nicht trauen kann" bezeichnet. Pentagon-Chef Lloyd Austin sagte, dass Russland "nicht in der Lage ist, Anforderungen zu diktieren, um Frieden zu erreichen". 

Nach Ansicht der von der russischen Internetzeitung Wsglajd befragten Experten ist die Essenz der Rede des russischen Präsidenten, dass das europäische Sicherheitssystem nicht mehr existiert und nicht auf den bisherigen Prinzipien beruhen werde. Der Chefredakteur der Zeitschrift Russia in Global Affairs, Fjodor Lukjanow, wies darauf hin, dass eine neue Sicherheitsarchitektur nur als Konzept für Gesamteurasien ausgearbeitet weird, wobei die Rolle Chinas als wichtigste Akteur für die Sicherheit und Entwicklung ganz Eurasiens zunehmen werde. 

In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass die chinesischen Friedensinitiativen in der Ukraine-Frage (sowohl die eigenen als auch die gemeinsamen chinesisch-brasilianischen) wieder auf der Tagesordnung stehen werden. Abgesehen davon ist der Ukraine-Konflikt das Produkt eines gescheiterten Sicherheitssystems.

"Es ist von grundlegender Bedeutung, dass kein Einfrieren und keine vorübergehenden Lösungen ins Auge gefasst werden: entweder eine grundlegende Einigung über die Grenzen und den Sicherheitsstatus oder die Fortsetzung des bewaffneten Konflikts. Momentan handelt es sich zweifellos um letzteres, aber es ist möglich, auf den gemachten Vorschlag zurückzukommen – jedes Mal unter Berücksichtigung der neuen Realitäten", erklärte Lukjanow.

"Im Großen und Ganzen sehen die russischen Vorschläge zur Konfliktlösung wie das bestmögliche und wohlüberlegte Projekt aus. Man sollte nicht erwarten, dass Kiew den Forderungen Moskaus sofort zustimmt. Damit dies geschieht, müssen die ukrainischen Politiker ihren Egoismus zurückschrauben und die Unvermeidbarkeit des von der Russischen Föderation beschriebenen Ergebnisses akzeptieren", sagte Timofei Bordatschow, Programmdirektor des Diskussionsclubs Valdai.

Er erinnerte daran, dass Russland bereits Ende 2021 die Initiative ergriffen hatte, um mit den westlichen Ländern über Sicherheitsfragen zu diskutieren. "Einige der damals formulierten Thesen können auch heute noch umgesetzt werden. Nur der Kontext ändert sich. Ein Bilateralismus des Formats Moskau und NATO ist nicht mehr möglich", betonte er.

"Die neuen Vereinbarungen sollten klar in die globalen Bedingungen für die Bildung der eurasischen Sicherheitsarchitektur integriert werden. Die Ereignisse der letzten zwei Jahre haben deutlich gezeigt, dass die Konfrontation zwischen Russland und dem Nordatlantischen Bündnis nicht nur Auswirkungen auf den gesamten Kontinent, sondern auch auf die gesamte Menschheit hat", so Bordatschow.

Der Politanalyst Wladimir Skatschko wies darauf hin, dass Putin sich nicht an Selenskij, dessen Legitimität im vergangenen Monat abgelaufen ist, gewendet habe, sondern an den Westen. Gleichzeitig erscheint die Position Moskaus in den Augen des Globalen Südens sehr logisch und verifiziert. Für diese Länder sei es wichtig, dass Russland seine Bereitschaft zum Frieden zu akzeptablen und verständlichen Bedingungen gezeigt habe.

Der Gesprächspartner räumte ein, dass der Westen, falls gewünscht, jederzeit einen Ersatz für Selenskij finden könne – seine Befugnisse sollten nach der ukrainischen Verfassung auf den Sprecher der Werchowna Rada übertragen werden, unabhängig davon, wer dieses Amt in Zukunft bekleiden wird. "Wir brauchen nichts zu erfinden, sondern müssen uns nur an die ukrainische Verfassung halten", erinnerte Skatschko.

Auch der Politikwissenschaftler Alexander Asafow verwies auf die unveränderte Position Russlands. "Putin hat die Anforderungen sehr genau erläutert, damit die Position Moskaus nicht durch verschiedene Spekulationen auf andere Art interpretiert werden kann", betonte er. Darüber hinaus sei es dem russischen Präsidenten gelungen, die Tagesordnung des Schweizer Gipfels zu ändern.

"Wenn der Westen beschließt, Russlands Vorschläge abzulehnen, bedeutet das, dass die nächsten Friedensbedingungen für Kiew noch schlechter ausfallen werden. Das wird deutlich, wenn man sich den Unterschied zwischen dem Angebot in Istanbul und dem jetzigen Angebot ansieht. Alles in allem wird der Westen auf die Thesen Putins reagieren müssen." Asafow meinte:

"Am einfachsten wäre es, sie abzulehnen, aber das wäre ein Zeichen dafür, dass der Westen eher einen 'Kriegsgipfel' als einen 'Friedensgipfel' abhält."

Noch deutlicher zu Perspektiven des Schweizer Gipfels äußerte sich Marina Achmedowa, Mitglied des Menschenrechtsrates beim russischen Präsidenten. "Weder Europa noch die Vereinigten Staaten werden den Krieg beenden, sie haben sich gerade aufgerappelt, haben gerade die Produktion neuer Waffen aufgenommen, haben gerade angefangen, Geld zu verdienen. Und nun kommt ein Friedensangebot. Welcher Frieden? Für Euch gibt es keinen Frieden! Putins heutige Rede verwandelt den Gipfel von einem friedlichen Gipfel in einen Gipfel, der nach Wegen sucht, den Krieg fortzusetzen", schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. 

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Andrei Kartapolow, wies auf die Illegitimität des Selenskij-Büros hin. Es sei irrelevant, wie es Putins Vorschläge bewerte. "Wenn Kiew und seine westlichen Handlanger die Bedeutung dieses Vorschlags nicht verstehen und nicht in Verhandlungen eintreten, wird die nächste Initiative zu gänzlich anderen, für sie ungünstigeren Bedingungen erfolgen.

Dieses Regime hat kein Recht, im Namen des ukrainischen Volkes zu sprechen, also wird auch niemand mit ihm verhandeln. Die Schweizer Konferenz verliert völlig ihre praktische Bedeutung. Russland hat seine Position dargelegt und überlässt es nun dem Westen, darüber nachzudenken und zu sagen, ob er zu diesem Gespräch bereit ist oder nicht. Wenn er nicht bereit ist, wird das Gespräch auf dem Schlachtfeld fortgesetzt", erklärte Kartapolow.

Ihm zufolge besteht die Aufgabe Russlands heute darin, ein neues Sicherheitssystem für den eurasischen Raum zu schaffen, und der Vorschlag des Präsidenten ist für den gesamten eurasischen Kontinent von historischer Bedeutung. "Nach dem Kalten Krieg gab es die Chance, im Rahmen der bestehenden internationalen Beziehungen ein gerechtes Sicherheitssystem für alle zu schaffen. Russland brachte immer wieder verschiedene Friedensinitiativen vor, diese wurden aber von dem nach Dominanz strebenden Westen abgelehnt."

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