Russland

Russland ist in eine neue Phase der Korruptionsbekämpfung eingetreten

Die Korruptionsbekämpfung hat 2025 besondere Bedeutung erlangt. Strafverfahren und Prozesse zeigen nicht nur das Ausmaß des Problems, sondern auch, dass die Behörden verstärkt gegen Machtmissbrauch vorgehen. Experten zufolge haben die ergriffenen Maßnahmen eher systemischen als exemplarischen Charakter. Sie funktionieren und bringen Ergebnisse.
Russland ist in eine neue Phase der Korruptionsbekämpfung eingetreten© Urheberrechtlich geschützt

Von Andrei Restschikow

Das zu Ende gehende Jahr wurde durch eine Vielzahl von Nachrichten über Korruptionsermittlungen geprägt. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2025 wurden 24.000 entsprechende Strafverfahren eingeleitet, was einem Anstieg von 16 Prozent gegenüber 2024 entspricht, berichtet das russische Nachrichtenportal RBC. Eine ganze Reihe von Durchsuchungen und Ermittlungsmaßnahmen in den Stadt- und Regionalverwaltungen Russlands betraf Leiter von Kommunen, stellvertretende Bürgermeister, Vizegouverneure und ehemalige Regionalchefs sowie Minister regionaler Regierungen.

Auch Ereignisse auf Bundesebene rückten in den Fokus. Ein markantes Beispiel hierfür ist das Strafverfahren gegen den ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister Timur Iwanow und andere hochrangige Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums, darunter den ehemaligen Leiter von "Oboronlogistika", Anton Filatow. Im Jahr 2025 wurden im Zusammenhang mit Strafverfahren wegen Korruption Vermögenswerte in Höhe von 24,5 Milliarden Rubel beschlagnahmt.

Auch Richter wurden zu Angeklagten in aufsehenerregenden Antikorruptionsverfahren. Im August beschlagnahmte das Stadtgericht Krasnogorsk des Moskauer Gebiets Vermögenswerte des ehemaligen Vorsitzenden des Regionalgerichts Krasnodar, Alexander Tschernow, und seiner Angehörigen in Höhe von 13 Milliarden Rubel. Und im September erhob die Generalstaatsanwaltschaft Klage auf Beschlagnahme von fast hundert Immobilien im Wert von neun Milliarden Rubel, die dem Richter am Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation, Wiktor Momotow, gehörten.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, wies darauf hin, dass die russischen Staatsorgane konsequent gegen Korruption vorgehen. "Dieses Problem gibt es überall. Verschiedene Länder und Bündnisse bekämpfen dieses Übel mit jeweils unterschiedlicher Effizienz. Was unser Land betrifft, so finden die entsprechenden Maßnahmen ohne Kampagnencharakter statt. Sie werden systematisch, zielgerichtet und regelmäßig durchgeführt", erklärte Dmitri Peskow.

Im Laufe des Jahres wurden verschiedene Anstrengungen auf gesetzgeberischer Ebene unternommen, um die Korruptionsbekämpfung zu verstärken. So führte der russische Präsident Wladimir Putin per Dekret zusätzliche Mechanismen zur Offenlegung von Informationen über Wertpapiere ein, um die Transparenz von Finanztransaktionen zu erhöhen. Die russische Regierung ergänzte die Regeln für die Durchführung von Antikorruptionsprüfungen von Rechtsakten und präzisierte die Kategorien, die keiner unabhängigen Prüfung unterliegen.

Im Dezember legte eine Gruppe von Abgeordneten der russischen Staatsduma eine Reihe von Gesetzesentwürfen zur Verbesserung der Korruptionsbekämpfung vor. Wie der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, Wassili Piskarjow, erläuterte, bestehe dessen Hauptziel darin, das System zur Offenlegung der Einkünfte und Ausgaben sowie zur Kontrolle des Vermögens von Beamten effizienter zu gestalten. Diese Initiative wurde umgehend auch vom Föderationsrat der Russischen Föderation unterstützt, wie Senator Andrei Klischas mitteilte.

"Es handelt sich um einen weiteren Schritt zur Gewährleistung von Transparenz und Rechenschaftspflicht unter den heutigen Bedingungen, wo viele korrupte Praktiken dank der Digitalisierung besser aufgedeckt werden können. Die verstärkte Zusammenarbeit der staatlichen Behörden ermöglicht zudem eine kontinuierliche, operative und damit wirksame Kontrolle", so Wassili Piskarjow.

Experten weisen darauf hin, dass sich die aktuelle Antikorruptionskampagne in vielerlei Hinsicht von den Maßnahmen Mitte der 2000er Jahre unterscheide und heute bereits ein deutlicher systemischer Wandel zu beobachten sei. Diese Erfolge wirken sich direkt auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft und die Stabilität in der Gesellschaft aus.

Dina Krylowa, Leiterin des Labors für Antikorruptionspolitik an der Nationalen Forschungsuniversität "Hochschule für Wirtschaft" (HSE), merkt an:

"Das Ausmaß einzelner Korruptionsdelikte in den letzten Jahren hat der Wirtschafts- und Verteidigungssicherheit des Landes direkt geschadet. Es lässt sich konstatieren, dass im Jahr 2025 mehr politischer Wille gezeigt wurde, Kontrollmaßnahmen zu ergreifen und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen."

Für die Entwicklung eines systematischen Ansatzes für dieses Problem sei es laut ihrer Ansicht jedoch zunächst notwendig, die für den Staat besonders risikobehafteten Bereiche zu identifizieren. Die Expertin erklärt:

"Es ist notwendig, die Risiken dort konkret zu erfassen, wo sie kritisch sind. So gibt es beispielsweise im Verteidigungsministerium Positionen, in denen ein Beamter aufgrund seiner Befugnisse keinen großflächigen Schaden für die nationale Sicherheit anrichten kann. Daher sollte man sich auf den Kreis der Personen konzentrieren, die über beträchtliche Finanzmittel und Staatsvermögen verfügen und wichtige Entscheidungen treffen können."

Kirill Kabanow, Mitglied des Präsidialrats für Menschenrechte und Zivilgesellschaft (HRC) und Vorsitzender des Nationalen Antikorruptionskomitees, analysiert:

"Korruption – das ist eine Art Business und Teil der Schattenwirtschaft, die auf der Nutzung öffentlicher Machtressourcen zum Zwecke der Gewinnerzielung basiert. Allein mit repressiven Methoden lässt sich dieses System nicht bekämpfen. In Russland droht Beamten, die sich der Korruption schuldig machen, eine milde strafrechtliche Verantwortung, obwohl solche Verbrechen manchmal als echter Hochverrat angesehen werden können."

Neben einer Verschärfung der strafrechtlichen Haftung, so Kabanow, seien wirksame informelle Mechanismen und eine kontinuierliche, mehrstufige Überwachung der Korruptionsrisiken im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens erforderlich. Er fügt hinzu:

"Alles, was Mitte der 2000er Jahre noch funktioniert hat, muss heute modernisiert werden. Die Ansätze ändern sich, und wir brauchen ein zeitgemäßes System zur Erkennung realer Bedrohungen."

Laut Kabanow wurde im Jahr 2025 aktiv gegen Veruntreuung von Staatsgeldern gekämpft, jedoch könnten traditionelle Machenschaften durch neue – digitale – ersetzt werden. "Leider bestehen heute erhebliche Risiken für Veruntreuungen in den Bereichen Digitalisierung und künstliche Intelligenz", meint der Menschenrechtsaktivist.

Alexander Rasuwajew, Mitglied des Aufsichtsrats der Gilde der Finanzanalysten und Risikomanager, ergänzt:

"Die Staatsführung sieht sich in einer sicheren Position und reagiert damit auf die Forderung der Bevölkerung, die Korruption in der Armee und anderen Strukturen vor dem Hintergrund der militärischen Sonderoperation in der Ukraine zu bekämpfen. Meiner Meinung nach sollte diese Bekämpfung nicht nur Beamte betreffen, sondern auch Mitarbeiter staatlicher Unternehmen, insbesondere solche, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden."

Ihm zufolge wurden die Erfolge im Kampf gegen die Korruption im Jahr 2025 zu einer der Errungenschaften der Staatsführung, da sie die Effizienz der Wirtschaft steigern. Der Experte präzisiert:

"Im weltweiten Vergleich ist die Korruption in Russland auf einem durchschnittlichen Niveau oder derzeit sogar unter dem Durchschnitt. Hohes Korruptionsniveau herrschte hingegen zu Zeiten der Neuaufteilung des Staatseigentums."

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Pawel Salin konzentrierten sich die wichtigsten Antikorruptionsbemühungen im Jahr 2025 auf die regionale und kommunale Ebene, um die lokalen Eliten dazu anzuregen, mit minimalen Korruptionskosten ihrer Arbeit nachzugehen. Der Experte meint:

"Es geht eher nicht um die Schaffung neuer Institutionen, sondern um eine Informationskampagne, die darauf abzielt, psychologischen Druck auf bestimmte Teile der Elite auszuüben, um deren Korruptionsappetit zu dämpfen."

Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als unter dem Motto der Korruptionsbekämpfung häufig die Kontrolle über Finanzströme umverteilt worden sei, werde nun auf lokaler und regionaler Ebene systematischer vorgegangen, so Salin.

Als einer der Treiber für die verstärkte Korruptionsbekämpfung im Jahr 2025 habe auch der öffentliche Druck gedient.

Dieser sei vor allem von den Militärkorrespondenten ausgelöst worden, "die Feedbacks erhielten, sich in Kontakt mit den Teilnehmern der militärischen Ereignisse befanden und verstanden, was wo und wie umgesetzt wurde".

Krylowa bemerkt:

"Nicht umsonst traf sich Präsident Wladimir Putin persönlich mit den Militärkorrespondenten und führte ehrliche Gespräche mit ihnen. Insgesamt gab es eine positive und breite Resonanz in der Öffentlichkeit darauf, dass auch hochrangige Beamte für Korruptionsverstöße zur Verantwortung gezogen werden."

Nach Ansicht von Alexander Rasuwajew zielt die aktuelle Welle von Festnahmen und Durchsuchungen darauf ab, eine langfristige Strategie zu entwickeln und wirksame Kontrollmechanismen zu schaffen. Der Finanzexperte erläutert:

"In Russland werden viele Entscheidungen mit Blick auf die Zukunft getroffen. Heute haben die Beamten einen zusätzlichen Grund, darüber nachzudenken, ob es sich lohnt, sich auf korrupte Machenschaften einzulassen. Kürzlich erzählte mir ein hochrangiger Staatsbeamter, dass man in seiner Behörde schon lange keine Korruption mehr habe und praktisch ohne freie Tage arbeiten müsse."

Dabei unterscheide sich die Antikorruptionswelle im Jahr 2025 deutlich von denen früherer Kampagnen Mitte der 2010er Jahre, bemerkt Dina Krylowa, "weil die Verantwortlichen auf höchster Ebene Korruption nicht mehr als hypothetische, sondern als absolut reale Bedrohung für den Staat, die nationale Wirtschaft und unsere Sicherheit wahrnehmen".

Alexander Rasuwajew merkt dabei an:

"Die aktuelle Antikorruptionskampagne ist in ihrem Umfang breiter angelegt – sie betrifft nicht nur hochrangige Personen, sondern auch Beamte verschiedener Ebenen. Das Land verändert sich zum Besseren, und die landesweite Korruption gehört allmählich der Vergangenheit an. Heute machen sich Beamte ernsthaft Gedanken über die Risiken, die mit Bestechung verbunden sind."

Seiner Meinung nach wirken sich die aufsehenerregenden Strafverfahren des Jahres 2025 sowohl auf die Alltags- als auch auf die Wirtschaftskorruption abschreckend aus.

Ihm zufolge sei ein ähnlicher Trend zur Korruptionsbekämpfung auch in anderen GUS-Staaten zu beobachten. "Ich beobachte die Lage in Kasachstan, Weißrussland, Aserbaidschan … wir erleben den Beginn einer tiefgreifenden Umstrukturierung innerhalb der Macht- und Wirtschaftseliten. Langfristig könnten sich die Ergebnisse dieser systematischen Arbeit positiv auf die Kapitalisierung des russischen Aktienmarktes auswirken, da die Transparenz und die Attraktivität der Unternehmen für Investoren steigen werden", so der Finanzanalytiker abschließend.

Nach Ansicht von Dina Krylowa war eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres 2025 der Vortrag des Vorsitzenden des Verfassungsgerichts Russlands, Waleri Sorkin, auf dem Internationalen Rechtsforum in St. Petersburg, in dem er die Korruptionsbekämpfung im Strafverfolgungs- und Justizsystem als vorrangige Aufgabe bezeichnete. Die Expertin dazu:

"Sorkin hat dieses wichtige Thema direkt und offen angesprochen. Das zeigt, dass dieses Problem auf höchster Ebene Beachtung findet. Um Investitionen anzuziehen und die Wirtschaft zu fördern, sind systematische Antikorruptionsmaßnahmen gerade in diesen Bereichen unbedingt notwendig."

Krylowa ist überzeugt, dass sich die Korruptionsbekämpfung in Russland perspektivisch von aufsehenerregenden Einzelfällen zu einer systematischen institutionellen Arbeit entwickeln werde. Sie erklärt:

"Heute konzentrieren sich die Hauptanstrengungen auf die Lösung strategischer Aufgaben im Zusammenhang mit der Gewährleistung der nationalen Sicherheit. Im Zuge ihrer Umsetzung werden sich dann Möglichkeiten für eine tiefgreifendere und umfassendere Arbeit in anderen wichtigen Bereichen ergeben."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. Dezember 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

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