Russland

Russlands Wirtschaft 2025: Stabilität vor Tempo

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die wirtschaftlichen Ergebnisse Russlands für 2025 bilanziert. Er nannte Erfolge der Regierung, wies auf problematische Kennzahlen hin und erklärte, der Rückgang des Wachstums sei bewusst in Kauf genommen worden, um die Qualität der Wirtschaft zu sichern.
Russlands Wirtschaft 2025: Stabilität vor TempoQuelle: Sputnik © Michael Metzel / Präsidialverwaltung der Russischen Föderation

Von Olga Samofalowa

Der russische Präsident Wladimir Putin fasste in einer Live-Fragestunde die wirtschaftlichen Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate zusammen. Dabei sprach er der Regierung seine Anerkennung dafür aus, dass es ihr gelungen sei, den Haushalt auszugleichen. "Die Qualität dieses Ausgleichs entspricht dem Niveau von 2021, was einen sehr wichtigen Indikator für die Stabilität der Wirtschaft und des Finanzsystems des Landes darstellt", betonte er.

Man rechne für dieses Jahr mit einem Staatshaushaltsdefizit von 2,6 Prozent des BIP, doch im Jahr 2026 werde es bereits 1,6 Prozent betragen und in den nächsten drei Jahren nicht mehr als 1,5 Prozent. Seinen Angaben zufolge sei dies eine erfreuliche Kennzahl, wenn man bedenke, dass die Staatsverschuldung mit 17,7 Prozent nach wie vor eine der niedrigsten unter den entwickelten Volkswirtschaften sei und innerhalb von drei Jahren nicht über 20 Prozent steigen dürfe. Zum Vergleich: Die Staatsverschuldung westlicher Länder erreicht häufig 100 Prozent des BIP oder sogar mehr.

Die Verlangsamung des Wachstumstempos der russischen Wirtschaft in diesem Jahr bezeichnete Wladimir Putin als bewussten Schritt zur Erhaltung der Wirtschaftsqualität. Er erinnerte daran, dass das Gesamtwachstum des russischen BIP in den letzten drei Jahren 9,7 Prozent betragen habe, während die Wirtschaft der Eurozone nur um 3,2 Prozent gewachsen sei.

Jaroslaw Kabakow, Leiter der Strategieabteilung bei der Investmentfirma "Finam", sagt dazu:

"Die Worte des russischen Präsidenten über eine bewusste Verlangsamung des Wirtschaftswachstums zum Zwecke der Erhaltung seiner Qualität bedeuten, dass makroökonomische Stabilität Vorrang vor schnellem, aber 'überhitztem' Wachstum hat. Es geht in erster Linie um eine strenge Geldpolitik der russischen Zentralbank und die Eindämmung der Binnennachfrage zur Bekämpfung der Inflation, was tatsächlich das BIP-Wachstum bremst. Unter 'Wirtschaftsqualität' versteht man in diesem Zusammenhang eine niedrigere Inflation, finanzielle Stabilität, einen kontrollierbaren Staatshaushalt und das Fehlen von Ungleichgewichten, die in Zukunft zu einer Krise führen könnten."

Nikolai Kondraschow, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts "Zentrum für Entwicklung" an der Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics, merkt an:

"Die strenge Geldpolitik der russischen Zentralbank hat sich vollständig bewährt. Dass das BIP dabei etwas niedriger ausfiel, als es bei einer weniger strengen Politik der Fall gewesen wäre, stellt eine absolut logische Folgewirkung dar, und zwar für jedes Land. Darüber hinaus wäre es ohnehin zu einer Abkühlung der Wirtschaft gekommen, jedoch mit weitaus schwerwiegenderen Folgen in Form von hoher Inflation, finanzieller Destabilisierung und Kontrollverlust, was eine noch strengere Geldpolitik erforderlich gemacht hätte."

Das Hauptergebnis dieser Politik ist die Senkung der Inflation. Nach Angaben des russischen Präsidenten wird sie zum Jahresende 5,7 bis 5,8 Prozent betragen. Das Hauptziel der russischen Zentralbank, eine Inflationsrate von 4 Prozent in diesem Jahr zu erreichen, konnte nicht erreicht werden. Doch Ende letzten Jahres habe die Inflation bei 9,5 Prozent und im März dieses Jahres bei 10,3 Prozent gelegen, weshalb es schon eine großartige Errungenschaft sei, die Inflation auf etwa 6 Prozent zu senken, insbesondere wenn man berücksichtige, dass es sich dabei um den über zwölf Monate kumulierten Anstieg handele und die Preissteigerungsrate in den letzten Monaten auf Jahresbasis prozentual sogar noch niedriger gewesen sei, so Kondraschow. Wäre der Leitzins deutlich niedriger gewesen, wären die Preise viel schneller gestiegen, und dieser Preisanstieg hätte nicht gebremst werden können, fügt er hinzu.

Der Präsident wies auf das positive Wachstum der Reallöhne hin, die bis zum Ende des Jahres 2025 (inflationsbereinigt) um 4,5 Prozent steigen sollten. Mit Bedauern stellte er jedoch fest, dass das Wachstum der Arbeitsproduktivität mit nur 1,1 Prozent recht bescheiden ausfallen werde.

"Dieses Verhältnis muss natürlich zugunsten einer Steigerung der Arbeitsproduktivität verändert werden", erklärte Wladimir Putin im Rahmen der jährlichen TV-Sendung "Jahresrückblick".

Wladimir Tschernow, Analytiker bei "Freedom Finance Global", erläutert:

"Diese Kluft – 4,5 Prozent Reallohnzuwachs gegenüber 1,1 Prozent Produktivitätszuwachs – ist auf den Arbeitsmarkt zurückzuführen. Aufgrund des Personalmangels und des Wettbewerbs um Arbeitskräfte waren die Unternehmen gezwungen, die Löhne schneller anzuheben, als die Produktivität pro Arbeitnehmer steigen konnte. Dabei wurde die Produktivität durch die langsame Erneuerung der Ausrüstung, Einschränkungen in den Bereichen Technologie und Logistik sowie durch die Tatsache gebremst, dass ein Teil des Nachfrageanstiegs nicht durch Modernisierung, sondern lediglich durch eine Ausweitung der Beschäftigungszahlen gedeckt wurde."

Die Bedeutung dieses Indikators liegt seiner Meinung nach in folgender Erkenntnis: Wenn die Löhne die Produktivität nachhaltig übersteigen, müssen Unternehmen entweder ihre "Margen drücken" oder die damit verbundenen Kosten auf die Preise für den Endverbraucher umlegen. Dies führe letztendlich zu einem Anstieg der Inflationsrisiken und einer Verschlechterung der Wachstumsstabilität, so der Experte.

Im Großen und Ganzen sei zwar eine Diskrepanz zwischen der Dynamik der Arbeitsproduktivität und den Reallöhnen zulässig, doch sei in den letzten drei Jahren ein starker Personalmangel zu verzeichnen gewesen, weshalb sich das Gleichgewicht in der Wirtschaft in Richtung höherer Löhne verschoben habe, was unter sonst gleichen Bedingungen die Inflation beschleunige. Daher sei eine gewisse Stabilisierung erforderlich, stimmt Kondraschow zu.

Die Arbeitslosenquote, die im vergangenen Jahr bei 2,5 Prozent lag, weist in diesem Jahr mit einem Rückgang auf 2,2 Prozent einen neuen historischen Tiefstand auf.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Jahres 2025 betrifft die Investitionen. Tschernow merkt dazu an:

"Offiziellen Angaben zufolge stiegen sie in der ersten Jahreshälfte an, aber im dritten Quartal verschlechterte sich die Dynamik. Genau hier liegt das Problem: Ohne Beschleunigung der Investitionstätigkeit und der technologischen Entwicklung ist es schwierig, die Arbeitsproduktivität schnell zu steigern und das Spannungsfeld zwischen Löhnen und Arbeitseffizienz zu entschärfen."

Laut Kabakow zeigen diese Wirtschaftsergebnisse in ihrer Zusammenschau, dass sich die Wirtschaft in einer Anpassungsphase befinde, wobei – auf mittlere Sicht – Wachstumsgeschwindigkeit zugunsten von Stabilität, Inflationskontrolle und Risikominderung für das Finanzsystem geopfert werde.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 20. Dezember 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

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