Russland

Jahresrückblick mit Putin: Ukraine, NATO und Europas Zukunft ‒ "Kooperation oder Niedergang"

Bei seiner jährlichen Fragestunde äußert sich Wladimir Putin zu Sicherheit, NATO, Europa und Wirtschaft. Er wirft dem Westen Täuschung vor, zeigt sich verhandlungsbereit und macht Sicherheitsgarantien zur Bedingung. Aus Moskauer Sicht ist Europas Zukunft nur in Zusammenarbeit mit Russland denkbar.
Jahresrückblick mit Putin: Ukraine, NATO und Europas Zukunft ‒ "Kooperation oder Niedergang"Quelle: Sputnik © Grigori Sysojew

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am 19. Dezember seine jährliche große Fragestunde abgehalten. Die Sendung dauerte fast viereinhalb Stunden. In dieser Zeit beantwortete das Staatsoberhaupt mehr als 70 Fragen von Bürgern und Journalisten. Wie die Moderatoren Pawel Sarubin und Jekaterina Beresowskaja mitteilten, gingen insgesamt mehr als drei Millionen Anfragen ein – ein neuer Rekord.

Im Mittelpunkt des Jahresrückblicks standen zentrale außen- und sicherheitspolitische Themen. Putin äußerte sich ausführlich zum Ukraine-Konflikt, zu den Beziehungen zu Europa und den USA sowie zur Rolle der NATO. Daneben sprach er über wirtschaftliche Kennzahlen, soziale Fragen und die demografische Entwicklung.

Frieden, Verhandlungen und der Ukraine-Konflikt

Russland wolle im Jahr 2026 in Frieden leben – ohne militärische Konflikte, erklärte Putin.

"Uns würde sehr gefallen, wenn wir im nächsten Jahr unter Friedensbedingungen und ohne jegliche militärische Auseinandersetzungen leben würden."

Zugleich wies er den Vorwurf eines NBC-Journalisten zurück, Moskau lehne einen Friedensplan ab. Solche Aussagen seien "absolut inkorrekt und haben keinerlei Grundlage". Russland sehe sich nicht verantwortlich für die Opfer des Ukraine-Krieges.

"Wir halten uns nicht für verantwortlich für den Tod von Menschen, weil nicht wir diesen Krieg begonnen haben."

Der Konflikt sei die Folge des "verfassungswidrigen bewaffneten Staatsstreichs" in der Ukraine im Jahr 2014 sowie der anschließenden Kampfhandlungen des Kiewer Regimes gegen die eigene Bevölkerung im Südosten des Landes. Moskau strebe an, alle strittigen Fragen auf dem Verhandlungsweg zu lösen.

"Wir sind bereit zu Verhandlungen und auch zu einem Ende des Konflikts mit friedlichen Mitteln."

Russland sei sogar bereit, die Kampfhandlungen umgehend einzustellen – unter einer Bedingung: "wenn die Sicherheitsbedingungen für Russland auf mittlere und lange Sicht gewährleistet werden". Zugleich müsse es um die Beseitigung der Ursachen des Konflikts gehen.

"Wir müssen erreichen, dass die Ursachen des Konflikts beseitigt werden, damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt und der Frieden langfristig, stabil und dauerhaft ist."

Putin äußerte sich auch zu Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump und zum Treffen in Anchorage, Alaska. Dort habe er erklärt, dass Russland zu den vorgeschlagenen Kompromissen bereit sei, auch wenn diese schwierig seien.

"Ich habe gesagt, dass das für uns keine einfachen Entscheidungen sind. Aber wir sind mit den vorgeschlagenen Kompromissen einverstanden."

Dabei stellte Putin klar, dass Russland das Recht anderer Staaten auf eigene Sicherheitsentscheidungen nicht infrage stelle.

"Wir sagen nicht, dass irgendein Land kein Recht hat, den Weg seiner Verteidigung zu wählen. Aber dieser Weg darf niemanden bedrohen – auch uns nicht."

Zu Wahlen in der Ukraine

Auf eine Frage einer Vertreterin der Organisation "Andere Ukraine" ging Putin auf die Debatte um mögliche Wahlen ein. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump erklärt, Selenskij nutze den Krieg, um keine Wahlen abzuhalten. Selenskij habe angekündigt, diese innerhalb von 60 bis 90 Tagen durchführen zu wollen.

Putin erinnerte daran, dass Russland sowohl Präsidentschafts- als auch Kommunalwahlen durchgeführt habe, während die Ukraine diese ausgesetzt habe – trotz fehlender Sicherheitsgarantien für Moskau.

Sollte das Kiewer Regime Wahlen lediglich nutzen wollen, um den Vormarsch russischer Truppen zu stoppen, werde dies nicht geschehen. Zugleich zeigte sich Putin bereit, über Sicherheitsgarantien während eines möglichen Wahlprozesses nachzudenken.

NATO, Europa und Sicherheitsarchitektur

Ein zentrales Thema war die NATO. Putin erinnerte daran, dass Russland einst sogar über eine Mitgliedschaft im Bündnis gesprochen habe.

"Es ging nicht nur um Zusammenarbeit, sondern um eine direkte Mitgliedschaft – zunächst der Sowjetunion und später der Russischen Föderation. In beiden Fällen haben wir verstanden, dass man uns dort nicht erwartet."

Mehrfach seien Russland Zusagen gemacht worden, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Diese Versprechen seien ignoriert worden.

"Uns hat man erneut getäuscht. Es gab mehrere Wellen der NATO-Erweiterung."

Die Verlegung militärischer NATO-Infrastruktur an die russischen Grenzen löse berechtigte Sorgen aus. Europa brauche daher eine verlässliche Sicherheitsarchitektur.

"Man hat uns betrogen, und wir wollen eine Situation erreichen, in der in Europa ein verlässliches Sicherheitssystem entsteht."

Kritisch äußerte sich Putin über einzelne westliche Politiker und den NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Zwar bezeichnete er Rutte als klugen und erfahrenen Politiker, stellte jedoch dessen Aussagen infrage.

"Was erzählt er da über einen Krieg mit Russland? Da möchte man fragen: Hör mal, was redest du da eigentlich?"

Putin verwies darauf, dass die neue US-Strategie der nationalen Sicherheit Russland nicht als Feind bezeichne.

"Die Hauptmacht der NATO – die USA – betrachten uns nicht als Gegner. Und der NATO-Generalsekretär bereitet sich auf einen Krieg mit uns vor. Was soll das?"

Europa, die USA und politische Spannungen

Nach Putins Einschätzung setzen europäische Eliten darauf, nach den Kongresswahlen in den USA mehr Einfluss auf Washington ausüben zu können. Sie hätten bereits offen die demokratische Kandidatin Kamala Harris unterstützt und Donald Trump der Russlandnähe beschuldigt.

"Jetzt hoffen sie, dass sich nach den Zwischenwahlen der politische Kurs ändert und sie mehr Druck auf Präsident Trump ausüben können."

Dabei erinnerte Putin daran, dass die USA der Gründer, Hauptfinanzier und zentrale Akteur der NATO seien.

"Geld, Militärtechnologien, Waffen und Munition – alles kommt von dort. Das ist die Grundlage."

Europa werde an Bedeutung verlieren, wenn es nicht mit Russland zusammenarbeite. Putin wörtlich:

"Europa wird allmählich verschwinden, wenn es nicht mit der Russischen Föderation zusammenarbeitet."

Er erinnerte an eine Aussage des früheren deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl aus dem Jahr 1993, wonach die Zukunft Europas nur gemeinsam mit Russland möglich sei. Würden Russland und Europa ihre Kräfte bündeln, könnten beide Seiten profitieren.

"Unser gemeinsames BIP nach Kaufkraftparität wäre höher als das der USA. Wenn wir unsere Möglichkeiten vereinen und ergänzen würden, könnten wir prosperieren – statt gegeneinander Krieg zu führen."

Sanktionen und wirtschaftliche Lage

Putin beklagte, dass das Sanktionsregime gegen Russland trotz gegenteiliger Signale aus dem Westen fortgesetzt werde. Dies betreffe auch die Zusammenarbeit im Energiesektor, etwa in Serbien.

"Leider hält der Sanktionsdruck trotz des nach außen bekundeten Willens zur Normalisierung der Beziehungen an. Das ist zweifellos Teil einer Politik aus einer Position der Stärke."

Putin sagte, dies betreffe auch das russische Unternehmen Gasprom Neft, dem die Firma NIS gehöre. Gasprom Neft habe dort erhebliche Mittel investiert – inzwischen mehr als drei Milliarden US-Dollar – und das Unternehmen in einen modernen, hocheffizient arbeitenden Betrieb verwandelt. NIS sei der wichtigste Steuerzahler im Haushalt Serbiens.

Im wirtschaftlichen Überblick erklärte Putin, das russische Bruttoinlandsprodukt sei in den vergangenen drei Jahren um insgesamt 9,7 Prozent gewachsen, während die Eurozone nur auf 3,2 Prozent komme. Die Inflation werde bis Jahresende unter sieben Prozent liegen.

Die Reallöhne seien um 4,5 Prozent gestiegen. Die Arbeitslosenquote sei auf den historischen Tiefstand von 2,2 Prozent gefallen. Die internationalen Reserven der Zentralbank lägen bei 741,5 Milliarden US-Dollar.

Das Haushaltsdefizit solle 2026 nicht über 1,6 Prozent liegen. Die Staatsverschuldung betrage 17,7 Prozent des BIP.

"Das Wichtigste ist, dass Russland es geschafft hat, den Haushalt zu balancieren. Die Qualität der Balance entspricht dem Niveau von 2021."

Dies ermöglicht die Umsetzung nationaler Projekte, die Sicherstellung der Bedürfnisse des Militärs und die vollständige Erfüllung sozialer Verpflichtungen. Putin schloss:

"All dies zusammen gibt Anlass, von der Stabilität unserer Wirtschaft zu sprechen."

Eingefrorene Vermögenswerte und innenpolitische Fragen

Auf die Frage nach den jüngsten gescheiterten Versuchen in Brüssel, russische Vermögenswerte zu beschlagnahmen, reagierte Putin scharf.

"Diebstahl ist das heimliche Aneignen von Eigentum, und das hier ist Raub."

Die Gewährung eines Kredits an Kiew mithilfe eingefrorener russischer Mittel sei ein schwerer Schlag für die Haushalte aller EU-Staaten und ein Vertrauensbruch gegenüber der Eurozone. Viele Länder lagerten ihre Reserven in der EU.

"Wer solche Entscheidungen trifft, beraubt andere – und das ist für die EU nicht einfach."

Putin warnte, dass andere Staaten künftig vorsichtiger mit der Verwahrung ihrer Reserven in der Eurozone umgehen würden.

"Heute gefällt der EU vielleicht unsere militärische Sonderoperation in der Ukraine nicht, morgen könnten Einschränkungen von LGBT-Rechten folgen."

Ein BBC-Journalist fragte, welche Zukunft Putin für sein Land plane und ob neue Sonderoperationen oder verschärfte Maßnahmen für Regierungskritiker vorgesehen seien. Putin betonte, dass es sich offenbar um das Gesetz über ausländische Agenten handele, das keineswegs nur in Russland existiere. In Russland gebe es keinerlei Repressionen.

Neue militärische Sonderoperationen werde es nicht geben, "wenn der Westen aufhört, Russland zu täuschen", erklärte der Präsident. Westliche Politiker hätten die heutige politische Lage "mit eigenen Händen geschaffen" und schürten weiterhin Spannungen, indem sie behaupteten, Moskau plane einen Angriff auf Europa. "Das ist völliger Unsinn", so Putin.

Russland sei bereit, mit allen Staaten zusammenzuarbeiten, insbesondere mit Großbritannien, "aber auf Augenhöhe und bei gegenseitigem Respekt", fügte er hinzu.

Zudem erinnerte Putin daran, dass Russland nach Kaufkraftparität an vierter Stelle liege, während Großbritannien nur auf siebtem oder achten Platz stehe. Wäre die EU bereit zur Zusammenarbeit mit Moskau, würde der gemeinsame Wert sogar die USA übertreffen – was allen Seiten zugutekäme, betonte der Präsident. Putins Botschaft: Nur durch Dialog und Kooperation mit Moskau lassen sich Frieden, Sicherheit und Wohlstand langfristig sichern.

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