
Kiew entdeckt die gefährlichste Waffe und die größte Schwäche Russlands

Von Natalija Ossipowa
In der Grenzregion Kursk finden Pioniere nach wie vor tödliche Geschenke der ukrainischen Streitkräfte – selbst gebaute Sprengkörper, die in Alltagsgegenständen versteckt sind. Diese sind nicht für Soldaten der russischen Armee bestimmt, sondern ausschließlich für die Tötung unschuldiger russischer Zivilisten. Mit Sprengstoff versehen sind Schaufeln, Teekannen, Uhren, Taschenlampen, Kettensägen, Geldbörsen, Geldbündel und sogar Schokoladenriegel. Die gefährlichsten und symbolträchtigsten Sprengsatzfallen in dieser Reihe sind jedoch Sprengsätze in Büchern. Es handelt sich um gewöhnliche Bücher, die in fast jeder Familienbibliothek aus der Sowjetzeit zu finden sind. "Die drei Musketiere" von Alexandre Dumas – ein charakteristischer, leicht erkennbarer Einband mit geprägten Vignetten. Solche Bücher wurden in Moskau, Kiew und Riga verkauft. Oder besser gesagt: Sie wurden beschafft, getauscht, erbettelt und manchmal aus den Büchersammlungen von Freunden "entwendet".

Und in diesem Buch, das den meisten Russen im postsowjetischen Raum seit ihrer Kindheit bekannt ist, versteckt irgendein Unmensch aus den ukrainischen Streitkräften Sprengstoff mit einem Zünder. Der Mechanismus ist ganz einfach: Man öffnet das Buch, und es explodiert.
In diesem antikulturellen, antirussischen, antiliterarischen und antihumanistischen Vorhaben spiegelt sich die gesamte Hassphilosophie des Feindes wider. Wogegen kämpfen sie? Gegen die russische Sprache, gegen die russische Kultur – denn die Werke von Dumas in russischer Übersetzung sind zweifellos seit Langem Teil des russischen Kulturcodes, in den der europäische Code so untrennbar integriert ist. Und die Schauspieler Michail Bojarski und Walentin Smirnitski, die die Rolle der Musketiere spielten, sind russisch-sowjetische Volkshelden. Der Krieg richtet sich auch gegen die europäische Kultur als solche, denn Dumas, die Musketiere und Frankreich sind auch weltweite Bindeglieder. Die Kriegführenden bekämpfen das Lesen als Lebensweise und Mittel zur Wissensvermittlung. Sie bekämpfen das Vertrauen in das Wort als solches. Das heißt, es ist ein Krieg gegen Gott, denn "im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott".
Die Menschen äußern sich mit Bitterkeit: Was für eine präzise und raffinierte Berechnung – es ist offensichtlich, dass nur ein russischer Mensch dieses Buch öffnen würde, nicht jedoch ein zum Bandera-Anhänger umerzogener Ukrainer. Das heißt, die Sprengladung ist gezielt gegen die russische Gelehrsamkeit und Belesenheit gerichtet, gegen diejenigen, die Wissen anstreben.
Dieser Weg – zu Sprengstoff im Buch – nahm mit der politischen Entscheidung zur Entrussifizierung der Bibliotheken in der Ukraine im Jahr 2022 seinen Anfang. Mehr als 20 Millionen Bücher wurden vernichtet. Aus den Bibliotheken wurden russische und sowjetische Literaturklassiker entfernt – Anton Tschechow, Fjodor Dostojewski, Alexander Puschkin, Leo Tolstoi, Michail Scholochow, Wassili Schukschin, Juri Bondarew sowie in Russland nach 1991 gedruckte Literatur: Liebesromane, Krimis, Fantasy. Aber nicht nur das: Sogar Bücher ukrainischer Autoren, die in der Sowjetzeit geschrieben wurden, wurden entsorgt.
Die Schändung von Denkmälern russischer Schriftsteller und Dichter in der Ukraine ist offensichtliche Propaganda, ein öffentlicher Schlag ins Gesicht der Russen. In Bezug auf Bücher gingen sie nicht so lautstark vor – die Bücher wurden einfach einem "Genozid" unterzogen, indem sie still und leise aus den Buchregalen entfernt, abgeschrieben und vernichtet wurden.
Die Bücher wurden gezielt vernichtet, aus dem Bewusstsein heraus, dass gerade sie das Fundament der russischen Kultur bilden. Anfangs schockierte dies sogar die ukrainischen Bürger. Aber mit der Zeit – und aus der Geschichte wissen wir, dass der Mensch unendlich tief sinken kann, besonders wenn er vom Gauleiter angefeuert wird – wurde das Böse zur Norm und gilt nun als etwas Gutes. Das Ergebnis dieser Kampagne zur Vernichtung der russischen Literatur konnten wir in einem schockierenden Video sehen, das sich im Internet rasant verbreitete. In diesem Video zerreißt eine Frau, die dem Aussehen nach noch die sowjetische Schule (aus unserer Erinnerung die beste der Welt im Land mit der höchsten Leserquote) besuchte, vor laufender Kamera mit aller Wucht seltene Ausgaben berühmter Schriftsteller. Sie ruft wie eine Hexe: "Ah, Dostojewski!!! Das hast du verdient! Tschechow? Natürlich, wie könnte man ihn vergessen! Erhalte, was du verdienst, wie Dostojewski! Das ist deine Strafe, bitte sehr!" Sie zerreißt diese Bücher, als würde sie sie töten. Sie kämpft mit den Büchern, schlägt sie, reißt die Einbände ab und zerreißt die Seiten. Das erinnert an die Bücherverbrennungen der Nazis. In gewisser Weise ist das, was hier geschieht, noch schrecklicher. Ja, das Nazi-Regime vernichtete Bücher, aber das taten Menschen, die Teil des Systems und der Partei waren. In der Ukraine beteiligen sich an dem Krieg gegen Bücher einfache Aktivistinnen, "Frauen von nebenan", die unseren gewöhnlichen Landsleuten ähneln.
Warum nehmen die Feinde der Russen und Russlands stets die Literatur ins Visier? Einige tun dies unbewusst, reflexartig, wie diese verrückte Frau, die seltene Bücher zerreißt. Andere wiederum tun es bewusst, beispielsweise indem sie eine Säuberung der Bibliotheken beschließen. Die Feinde verstehen den Kern unserer Identität, den wir selbst nicht wahrnehmen oder vor dem wir wie vor einer didaktischen Lektion zurückschrecken. Einmal war ein Kinderwitz in Umlauf: "Wenn das beste Geschenk ein Buch ist, bedeutet das dann, dass es für mich keine anderen Geschenke mehr gibt?" Wir haben unseren eigenen kulturellen Imperativ abgelehnt und beschlossen, dass wir lieber Jeans und Autos erwerben. Und Bücher? Sie nehmen in den Wohnungen viel Platz weg, man hat keine Zeit zum Lesen, es gibt Gadgets – und die Bibliotheksbestände der Großmütter, bis hin zu den Büchern von Dumas mit ihren charakteristischen Einbänden, wurden in großen Stapeln vor den Aufzügen der Hochhäuser weggeworfen. Der Feind kennt uns besser als wir uns selbst. Das Buch spiegelt das Wesen des russischen Menschen wider, vermittelt Werte, Lebensauffassung, Zielsetzung und Hierarchien. Selbst wenn jemand selbst nicht viel liest und sich sogar damit brüstet, möchte er für seine Kinder eine gute Bildung, viele Kenntnisse, die Fähigkeit, nicht nur in ihrer Muttersprache, sondern in vielen Sprachen zu schreiben und zu lesen, sowie die Kunst, sich schön auszudrücken. Und auch aus religiöser Sicht und im Hinblick auf die traditionellen Religionen Russlands ist das Buch heilig. Der Kult um das Buch ist nirgendwo verschwunden.
Wenn man Bücher verbietet, den Menschen das Lesen abgewöhnt, Puschkin und Tolstoi zu Feinden erklärt, so schafft man Russen ohne Gewissen und Ehre, aber mit der den Russen innewohnenden Wut, Hartnäckigkeit, Kühnheit, Verzweiflung und Sturheit. Genau das beobachten wir im Nachbarland. Ein Russe "ohne Bücher im Kopf" wird zum Bandera-Anhänger, der Bücher und Denkmäler zerstört.
Als ich einmal als Kind im Kinderpionierlager Artek war, traf ich einen Jungen aus Afghanistan. Er hatte keine Hände. Alle im Lager erfuhren seine Geschichte. Die USA hatten Kugelschreiber liegen lassen – damals eine seltene und bunte Neuheit in diesem armen Land. Der Junge griff nach einem und wurde für immer zum Krüppel. Aber er überlebte. Viele Kinder in Afghanistan wurden durch solche Sprengsätze getötet. Sprengfallen töten die Aktivsten, die Wissbegierigen, die Neugierigen, die Mutigen. Denn einen Kugelschreiber brauchen diejenigen, die schreiben wollen, nicht wahr? Genauso wie diejenigen ein Buch brauchen, die lesen wollen. Mit anderen Worten: die zukünftige Elite einer Nation. Der Feind versteht sehr gut, wie man die Zukunft zerstört.
Einer der wichtigsten Orte in der russischen Kultur ist Michailowskoje. Hier wurden durch die Geschichte und die Natur selbst kulturelle Hierarchien geschaffen. Auf einem Hügel im Kloster Swjatogorsk ruht der Dichter Puschkin in ewiger Ruhe. Unterhalb des Hügels, in der Nähe des Klosters, befinden sich ein Massengrab und ein Denkmal für die im Großen Vaterländischen Krieg Gefallenen. Und am Treppenaufgang, der zum Grab Puschkins führt, befindet sich ein Denkmal für neun Soldaten, die die Grabstätte dieses großartigen Dichters von Minen räumten. Sie waren Profis, aber der Feind war listiger und setzte die damals modernsten Waffen ein, um dieses russische Heiligtum zu zerstören, wobei mehrere Minenlegemethoden gleichzeitig angewendet wurden. Neun Soldaten opferten ihr Leben, damit die letzte Ruhestätte des größten russischen Dichters nicht geschändet wurde. Zusammen mit anderen Soldaten, die Puschkinogorje von den Feinden befreiten, wurden in einem Massengrab an der Mauer des Klosters Swjatogorsk Oberleutnant Wladimir Kononow aus dem Gebiet Archangelsk, Leutnant Sergei Pokidow, Oberfeldwebel Iwan Kombarow und Soldat Iwan Jarzew aus dem Gebiet Tambow, Oberfeldwebel Michail Kasakow aus Ramenskoje (bei Moskau), Oberfeldwebel Nikolai Akulow aus Kolomna, Gefreiter Witali Trenow aus dem Gebiet Kostroma, Soldat Jegor Koslow aus dem Gebiet Tscheljabinsk und Soldat Iwan Trawin aus dem Gebiet Iwanowo beerdigt. Die Zerstörung des Puschkinogorje und die Verminung des Grabes des Dichters wurden den Nazis im Nürnberger Prozess als einer der Anklagepunkte vorgeworfen.
Die Russen opfern ihr Leben für die Literatur. Und die "Antirussen" fanden eine Methode, wie man Russen durch Bücher töten kann.
Die Nazis führen seit Langem einen Krieg gegen das Wort. Wladlen Tatarski wurde ermordet, weil er das Wort beherrschte. Darja Dugina wurde getötet, weil sie die Macht des Wortes besaß. Der Angriff auf Sachar Prilepin erfolgte wegen seiner Äußerungen im Namen und zur Unterstützung des Donbass. Margarita Simonjan und Wladimir Solowjow entgingen nur knapp einem Attentat – ebenfalls wegen ihrer Fähigkeit, sich auszudrücken. Auf Metropolit Tichon wurde ein Terroranschlag vorbereitet – wieder wegen seiner Worte, Predigten und Bücher. Das Naziregime betrachtet diejenigen, die die russische Sprache beherrschen, als Feinde der ukrainischen Staatlichkeit.
Es gibt nur einen Weg, uns zu wehren: Wir müssen lesen. Wir müssen Bibliotheken besuchen. Wir müssen schreiben. Manche finden vielleicht nur für eine Buchseite pro Tag Zeit – wunderbar, andere können sogar ein Buch pro Woche lesen. Das ist unerheblich – wichtig ist, dass wir lesen. Die höchste Form des Widerstands gegen den finsteren, bücherfeindlichen Nationalsozialismus sind Schriftsteller, die an die Front gehen und sogar dort (wo sonst?) Bücher schreiben und das Geschehen direkt aus den Schützengräben dokumentieren. Frontprosa und Frontpoesie sind die Antwort der russischen Kultur auf den Versuch, sie physisch zu vernichten, indem russische Bücher zerstört werden. Wir werden neue Bücher schreiben und veröffentlichen. Auch in der ehemaligen Ukraine.
Eine weitere Möglichkeit, Worte als Waffe einzusetzen, wurde vom ehemaligen Strafgefangenen und heutigen Schriftsteller Daniil Tulenkow entwickelt: Er sammelt Spenden für Mavic-Drohnen und lässt die Leser über die beste Bezeichnung für die Drohnen abstimmen. Und irgendwo fliegt jetzt die gefährliche und listige Drohne "Kater Bajun" – ein tödliches russisches Wort.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 25. Juli 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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