
"Rechtlich existiert die UdSSR immer noch" – neue Töne aus Moskau und Kreml

Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Russlands (KPRF), Gennadi Sjuganow, hat die Einsetzung einer parlamentarischen Kommission zur Wiederherstellung der historischen Wahrheit gefordert, teilte die Nachrichtenagentur TASS am Dienstag mit. Die Kommission soll ihm zufolge eine Duma-Resolution von 1996 umsetzen, in der die Unrechtmäßigkeit der Auflösung der UdSSR anerkannt wurde.
"Es ist notwendig, eine Kommission zur Wiederherstellung der historischen Wahrheit über unsere Staatlichkeit einzurichten und die von der Staatsduma am 15. März 1996 verabschiedete Resolution umzusetzen", sagte Sjuganow vor Reportern.

Die Staatsduma verabschiedete am 15. März 1996 eine Resolution "Über die Rechtsgültigkeit der Ergebnisse des UdSSR-Referendums vom 17. März 1991 über die Frage der Erhaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken für die Russische Föderation–Russland". In der Resolution werden die Ergebnisse des Referendums über den Erhalt der UdSSR anerkannt.
In dem Dokument heißt es ferner, dass die Beamten der Russischen Sowjetischen Föderativen Sozialistischen Republik beim Abschluss des Belowesch-Abkommens grob gegen die Willensbekundung der Völker Russlands zum Erhalt der Union verstoßen haben.
Ein Referendum in der Sowjetunion über den neuen Unionsvertrag und damit über die Zukunft der Sowjetunion fand am 17. März 1991 statt. Es wurde von den Behörden in sechs der fünfzehn Sowjetrepubliken boykottiert. Bei dem Referendum ging es um die Frage, ob ein neuer Unionsvertrag zwischen den Republiken angenommen werden sollte, der den Vertrag von 1922 ersetzen sollte, mit dem die UdSSR gegründet wurde.
Die Frage "Halten Sie den Erhalt der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als erneuerte Föderation gleichberechtigter souveräner Republiken … für notwendig?" haben 77 Prozent der Sowjetbürger bei 80 Prozent der Wahlbeteiligung mit "Ja" beantwortet.
Zuvor hatte der Berater des russischen Präsidenten Anton Kobjakow erklärt, dass die Sowjetunion "rechtlich noch existiert". Auf dem Petersburger Juristischen Forum wies Kobjakow auf eine seit den 1990er Jahren existierende Experteneinschätzung hin, wonach das Verfahren der sogenannten Auflösung der UdSSR verletzt wurde.
Höchst umstritten war vor allem seiner Meinung nach die Verabschiedung des sogenannten Belowescher Abkommens, womit die Präsidenten der Russischen SFSR, ukrainischen und weißrussischen SSR am 8. Dezember die UdSSR für aufgelöst erklärten. "Das Ereignis von Belowesch, das am 8. Dezember 1991 stattfand, direkt am Vorabend der Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrags, sieht aus rechtlicher Sicht absolut merkwürdig aus", sagte Kobjakow.
Er erinnerte daran, dass dieser Akt später "von den Obersten Räten der RSFSR, der USSR und der BSSR ratifiziert wurde, aber das fällt überhaupt nicht in deren Zuständigkeit". Der Vorsitzende der russischen Anwaltskammer und ehemalige Ministerpräsident der Russischen Föderation, Sergej Stepaschin, schloss sich dieser Meinung an.
Auch er hat bestätigt, dass die Sowjetunion 1991 aus rechtlicher Sicht unrechtmäßig zusammengebrochen ist. Und beide haben den langjährigen Rechtskonflikt ausdrücklich mit der Gegenwart – der Sonderoperation auf dem Territorium der Ukraine – verknüpft. "So gesehen ist die Durchführung der Speziellen Militäroperation unsere innere Angelegenheit", schließt Kobjakow.
Die Äußerungen des Präsidentenberaters Kobjakow und des ehemaligen Ministerpräsidenten Stepaschin geben die Meinung eines Teils der Elite wieder, erläuterte dazu der Politikwissenschaftler Andrej Makarkin gegenüber der Nesawissimaja Gazeta. Die Diskussion darüber, dass die UdSSR rechtlich weiterbesteht, sei nicht neu, aber zum ersten Mal wurde sie auf einer so hohen politischen Ebene geführt, betonte er.
Rechtliche Schritte zur Wiederherstellung der UdSSR schloss er allerdings aus. Dies wäre nicht nur international kaum noch durchsetzbar. Ein mögliches Verfahren würde auch die Legitimität der Russischen Föderation mit ihrem Rechtssystem ins Wanken bringen. Dennoch seien die Äußerungen kein Zufall. Die Gründe für sie sieht der Experte im Bereich der politischen Kommunikation.
"Wenn die UdSSR rechtlich gesehen noch existiert, dann gibt das Land lediglich das zurück, was ihm rechtlich gesehen gehört, und diese Gebiete sind unrechtmäßig verloren gegangen. Die neuen Regionen kehren lediglich in ihr Heimatland zurück." Damit spricht die Regierung bestimmte Segmente der russischen Gesellschaft an, die den Zusammenbruch der UdSSR emotional wahrnehmen.
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