Führender russischer Politologe: "Die Welt steht am Rand eines Abgrunds"
Die Welt steht "am Rande eines Abgrunds", während sie eine größere Transformation erlebt, warnte der führende russische Politologie Alexander Dynkin und verwies auf die verfahrene Situation zwischen Moskau und dem Westen in Bezug auf die Ukraine.
So nahe an einer Katastrophe war die Welt zuletzt vor 60 Jahren während der Kubakrise, sagte Dynkin als Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen an der Russischen Akademie der Wissenschaften bei einem Runden Tisch am Donnerstag.
Die Veranstaltung unter dem Titel "Krieg und Frieden im XXI. Jahrhundert" fand als Teil der Vorbereitungen für die bevorstehende Zeremonie zur Verleihung des "Internationalen Leo Tolstoi Friedenspreises" statt.
Über Jahrhunderte wurde die globale Weltordnung in Europa und zuletzt in den USA bestimmt, stellte Dynkin fest. Infolge des Konflikts in der Ukraine werde die internationale Architektur jedoch erstmals unter Beteiligung Russlands, Chinas und Indiens neu geformt, argumentierte er und fügte hinzu, der "politische Osten" sei heute ein gleichberechtigt zu behandelnder Partner des "politischen Westens".
Anders als die Europäische Union und die USA haben China und Indien sich geweigert, Russland wegen des Ukraine-Konflikts zu verurteilen. Der indische Premierminister Narendra Modi besuchte Moskau in dieser Woche und traf sich dort erstmals seit dem offenen Ausbruch militärischer Feindseligkeiten in der Ukraine 2022 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Der Verlust an Einfluss im globalen Maßstab – verbunden mit den "kognitiven Problemen" des gegenwärtig amtierenden US-Präsidenten Joe Biden – könnte den kollektiven Westen dazu treiben, "waghalsige" Schritte und Entscheidungen zu unternehmen, warnte Dynkin.
Am Mittwoch hatte Joe Biden in Washington, D.C. einen NATO-Gipfel mit der Erklärung eröffnet, das Militärbündnis unter US-Führung sei "stärker denn je", während es sich zugleich einem "entscheidenden Moment" im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gegenübersehe.
Der "Internationale Leo Tolstoi Friedenspreis" wird erstmals im September in Moskau verliehen. Der Preis wurde nach dem russischen Autor des berühmten Romans "Krieg und Frieden" benannt, der für seine festen Antikriegspositionen bekannt weltweit geworden war. Tolstoi hatte am Krimkrieg (1853 bis 1856) teilgenommen und war dadurch in heutiger Lesart de facto Russlands erster "Frontberichterstatter".
Die Teilnehmer der Diskussion am Runden Tisch zogen Parallelen zum Friedensnobelpreis, warnten aber, dass Russlands Gegenstück zu jener Auszeichnung nicht politisiert werden dürfe. Sie verwiesen bei dieser Warnung auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an den damaligen US-Präsidenten Barack Obama, den er während der Kriege im Irak und in Afghanistan erhielt, nicht etwa für deren Beendigung.
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