Russland

Trotz Warnung der USA: Warum die Raiffeisenbank vorerst in Russland bleibt

Trotz Sanktionsdrohungen aus den USA und Europa ist eine Tochtergesellschaft der österreichischen Raiffeisenbank in Russland tätig – und das als zweitgrößte private Bank nach der Sberbank. Was ist das Besondere an dieser Bank, dass sie niemand ernsthaft versucht anzugreifen?
Trotz Warnung der USA: Warum die Raiffeisenbank vorerst in Russland bleibtQuelle: Legion-media.ru © INSADCO

Von Olga Samofalowa

Eines der größten Kreditinstitute in Russland, eine Tochtergesellschaft der österreichischen Raiffeisenbank, bleibt weiterhin im Lande tätig. Die USA haben wiederholt die Bank zum Verlassen Russlands aufgefordert, und doch kommt es seit zwei Jahren nicht zu echten Restriktionen gegen die Bank. Auch die EZB ist mit dieser Geschäftstätigkeit in Russland nicht einverstanden, hat es aber ebenfalls nicht eilig, die österreichische Bank tatsächlich aus Russland zu vertreiben.

Trotz der westlichen Sanktionen und des Rückzugs vieler westlicher Unternehmen aus Russland haben es generell ausländische Banken nicht eilig, Russland zu verlassen. Nur die Société Générale schaffte es, Russland vollständig zu verlassen, indem sie ihre Tochtergesellschaft Rosbank im April 2022, unmittelbar nach Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine, verkaufte.

Zwar stellte die Citigroup im vergangenen Jahr ihre Bankdienstleistungen ein, verfügt jedoch noch immer über Aktiva in Höhe von etwa 7 Milliarden US-Dollar bei der russischen Zentralbank. Auch andere Tochtergesellschaften ausländischer Banken sind weiterhin in Russland tätig. Die italienische UniCredit zum Beispiel sagt, sie könne ihren Rückzug aus Russland nicht beschleunigen. Die Deutsche Bank entließ wohl im vergangenen Jahr Mitarbeiter in Russland, was sie aber nicht daran hinderte, 2023 größeren Gewinn zu erwirtschaften als im Jahr zuvor.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, warum die Banken trotz des Drucks im Westens ihren Rückzug aus Russland hinauszögern, ist die Raiffeisenbank, die größte der ausländischen Banken. Diese Bank nahm im Jahr 1996 ihre Geschäftstätigkeit in Russland auf und war Ende 2022 nach der Sberbank die zweitgrößte Bank in Russland.

Die USA haben wiederholt die Forderungen an die Raiffeisenbank erhoben, wenn sie sich nicht aus Russland zurückzieht. Der jüngste derartige Fall wurde erst diese Woche bekannt. Die Raiffeisen Bank International erhielt vom stellvertretenden Leiter des US-Finanzministeriums Adewale Adeyemo eine schriftliche Warnung, dass ihr der Zugang zum US-Finanzsystem aufgrund ihrer Geschäfte mit Russland eingeschränkt werden könnte, teilten anonyme Quellen Reuters mit.

Das US-Finanzministerium ist auch mit den Plänen der russischen Tochtergesellschaft der Bank unzufrieden, in diesem Jahr für 1,5 Milliarden US-Dollar den russischen Anteil am österreichischen Bauunternehmen Strabag zu erwerben. Anschließend soll die russische Raiffeisenbank den Anteil in Form von Dividenden an ihre österreichische Holdinggesellschaft übertragen, vorbehaltlich der Zustimmung der russischen Staatsorgane. Auf diese Weise wird die Bank einen Teil ihrer Mittel aus Russland abziehen. Nach Ansicht der Bank werde diese Transaktion dazu beitragen, das Russland-Engagement der RBI zu reduzieren.

Es ist kein Zufall, dass die Raiffeisenbank keine Eile hat, Russland zu verlassen. Die Bank besitzt ein so schönes Stück vom Kuchen in Russland, dass es sehr schwer fällt, das einfach liegen zu lassen oder für fast umsonst zu verkaufen.

"In den letzten drei Jahren hat die österreichische Bankengruppe Raiffeisen Bank International mit ihrem russischen Geschäftsbereich mehr Gewinn erzielt als mit allen anderen Filialen weltweit", berichtete die britische Zeitung Financial Times.

In diesem Jahr werden die russischen und die belarussischen Geschäftsbereiche der Raiffeisen Gruppe zusammen weitere 1,2 Milliarden Euro Nettoertrag einbringen, was 69 Prozent des gesamten Nettogewinns der Gruppe ausmachen wird. Im Vergleich dazu würden die wirtschaftlichen Aktivitäten der anderen RBI-Filialen insgesamt nur 500 Millionen Nettogewinn bringen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Analysten des Finanzkonzerns Citigroup.

Im Jahr 2022 betrug der RBI-Nettogewinn in Russland 2,05 Milliarden Euro, im Jahr 2023 immer noch 1,3 Milliarden Euro. Im Jahr 2022 war die Raiffeisenbank nach der Sberbank die zweitprofitabelste Bank in Russland. Auf diese Bank entfallen etwa zu einem Viertel alle Überweisungen in Euro.

Das bedeutet, diese Bank ist für das russische Bankensystem und die russische Wirtschaft systemrelevant. Das Vertrauen in die Bank darf durch nichts untergraben werden, dessen Erhalt ist vielmehr eine wichtige Aufgabe für die Stabilität des gesamten Bankensektors, und zwar gänzlich unabhängig davon, wem die Bank gehört.

Meri Walischwili, Dozentin am Lehrstuhl für Staats- und Kommunalfinanzen an der Plechanow-Universität der Russischen Wirtschaft, meint: "Die Raiffeisenbank ist in der von der russischen Zentralbank erstellten Liste der systemrelevanten russischen Banken aufgeführt. Die Bank verfügt über eine starke Marktposition, eine hohe Geschäftseffizienz und eine hohe Bewertung der Qualität ihrer Vermögenswerte. Daher ist das Management dieser Bank nicht bestrebt, die EZB-Anforderungen zu erfüllen, um nämlich den Wert der Aktiva und des Unternehmens als Ganzes für einen weiteren Verkauf zu bewahren."

Automobilfabriken etwa können schnell aufgegeben werden – die Produktionsstätten werden dennoch neue chinesische oder russische Eigentümer finden. Auch die Handelseinrichtungen für Kleidung, Möbeln und Fastfood, deren Eigentümer geflohen sind, finden problemlos neue Vermieter. Aber es ist unmöglich, die zweitprofitabelste Bank einfach ohne Konsequenzen aus dem System entfernen. Und es liegt auch im Interesse Russlands, dabei vorsichtig zu handeln und keine harten Schnitte zu wagen.

Aber warum gehen dann die USA nicht härter gegen die Raiffeisenbank, sondern beschränken sich auf nichtssagende Drohbriefe, statt zu handeln? Wahrscheinlich würde ein Schlag der USA gegen die österreichische Bank der Europäischen Union nicht gefallen, die bereits in den vergangenen Jahren ihre eigenen Banken vor dem Bankrott retten musste, um nicht in eine schwere Finanzkrise zu stürzen. Ähnliche Probleme traten ja auch in den Vereinigten Staaten selbst auf.

Angesichts der Verflechtungen zwischen den Banken und deren Geschäften untereinander ist es unmöglich, das ganze Ausmaß der Folgen im Voraus abzuschätzen, wenn eine große Bank auf dem Markt in Konkurs geht. Die US-Amerikaner befürchten vermutlich, wenn sie die Bank eigenhändig erdrosseln, könnte eine Finanzkrise in der EU ausbrechen, die sowohl an den US-Banken als auch am gesamten globalen Finanzsystem nicht spurlos vorbeigehen würde.

Das ist der Grund, weshalb die USA vorsichtig mit den Banken umgehen, die weiterhin in Russland tätig sind. Es lohnt sich für sie nicht, mit der EU zu streiten, und sie wollen sich nicht leichtfertig bloßstellen.

Auch die Forderung der EZB selbst, Raiffeisen solle den russischen Markt verlassen, steht bisher nur auf dem Papier. Im März wurde bekannt, was die EZB genau will: sie fordert keinen sofortigen Rückzug, sondern will einen Aktionsplan für die Abwicklung der Bankaktivitäten in Russland sehen. Dabei könnte es sich um den Verkauf einer russischen Tochtergesellschaft oder einfach um die Schließung russischer Niederlassungen handeln. Doch selbst in zwei Jahren rechnet die EZB nicht mit einem vollständigen Rückzug der Bank aus Russland.

Der Chef der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) Johann Strobl sicherte zu, die Raiffeisenbank werde – wie von der EZB gefordert – bereits im dritten Quartal 2024, also noch in diesem Sommer damit beginnen, ihr Russlandgeschäft zu reduzieren. Die Gruppe erstelle jetzt einen Plan, was getan werden muss, und dann werde diese Entscheidung anhand der finanziellen Ergebnisse der Gruppes Konzerns beurteilt. Das Reduzieren des Geschäfts in Russland bedeutet laut dem RBI-Chef einen fast vollständigen Stopp der Kreditvergabe, obwohl die Bank wahrscheinlich weiterhin Zahlungen für alte Kredite akzeptieren wird.

Die Raiffeisenbank ist fast die einzige Bank, über die Euro-Transaktionen abgewickelt werden können, zum Beispiel Überweisungen nach Europa und generell internationale Transaktionen. Wenn sie Russland verlässt, muss man neue Finanzsysteme schaffen, für die man höchstwahrscheinlich mehr bezahlen muss. Es wird jedoch Interessenten geben, die bereit sind, beispielsweise in Kasachstan oder Kirgisistan an die Stelle der Raiffeisenbank in Russland zu treten.

Allerdings ist der Verkauf einer ausländischen Bank in Russland ohne Genehmigung durch den russischen Präsidenten nicht möglich. Dies könnte einen Kompromiss für alle Beteiligten in Aussicht stellen. Meri Walischwili bemerkte dazu: "Ursprünglich wurde die Option eines Vermögensaustausches in Betracht gezogen, nämlich die Übertragung von Vermögenswerten auf die Sberbank unter Anrechnung der in Europa eingefrorenen Vermögenswerte. Allerdings tendiert die Raiffeisen Bank International derzeit aber zu einer Entflechtung ihres Russland-Geschäfts, zu dem eine Bank sowie Versicherungen und Verwaltungsgesellschaften gehören. Auf jeden Fall hat die RBI Zeit zum Nachdenken und kann eine weitere Pause einlegen, da der Anforderungsentwurf der EZB eine Reduktion der Kreditvergabe und des Zahlungsverkehrs lediglich um 65 Prozent bis 2026 vorsieht.".

Nach eigenen Angaben arbeitet die Gruppe an einem Verkauf oder einer Abspaltung der russischen Tochterbank, aber für beide Optionen sind zahlreiche Genehmigungen verschiedener russischer und europäischer Behörden sowie der Zentralbanken dieser Länder erforderlich. Das heißt, dieser Prozess hängt keineswegs von der Bank allein ab. Die Raiffeisenbank erklärte, dass sie ihr Geschäft in Russland nicht so schnell abbauen werde, um den Wert des Vermögens dort zu bewahren, um ihn verkaufen zu können. In den vergangenen zwei Jahren gab es bereits Kaufangebote von vielen russischen und ausländischen Partnern, die nicht den Sanktionen unterliegen.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen in der Zeitung Wsgljad am 19. Mai 2024.

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