Einnahme von Semjonowka öffnet russischen Streitkräften Weg nach Karlowka
Von Oleg Issaitschenko
Das russische Militär hat die Kontrolle über das Dorf Semjonowka auf dem Gebiet der Donezker Volksrepublik übernommen, wie das Verteidigungsministerium am Montag bestätigte. Das Dorf wurde bereits in der vergangenen Woche von Einheiten der Gruppe "Zentrum" befreit. Dadurch wird es möglich, die Umzingelung der ukrainischen Armee in der Nähe des Dorfes Berdytschi zu erreichen, so das Ministerium.
Die Behörde fügte hinzu, dass die ukrainischen Streitkräfte entlang der Linie Tonenkoje-Orlowka-Semjonowka-Berdytschi versucht haben, eine Verteidigungslinie zu errichten, um Zeit für den Bau stärkerer Befestigungen im Westen der Volksrepublik Donezk zu gewinnen. Nun sind die Formationen der 23. und 68. Infanteriebrigade sowie der 115. mechanisierten Brigade der ukrainischen Streitkräfte, die 109. Brigade der Territorialverteidigung und Söldner der "Fremdenlegion" durch die russischen Einheiten besiegt worden.
Darüber hinaus schlugen die russischen Truppen im Laufe eines einzigen Tages zehn Gegenangriffe ukrainischer Einheiten bei Netailowo, Nowokalinowo, Nowgorodskoje, Otscheretino, Leninskoje, Semjonowka, Nowobachmutowka und Berdytschi zurück.
Die ukrainische Armee verlor bei diesen Kämpfen etwa 370 Mann, amerikanische Haubitzen vom Typ M777 und M102, zwei gepanzerte Mannschaftstransporter, ein D-20-Geschütz, eine Msta-B-Schlepphaubitze, zwei D-30-Haubitzen und ein MT-12 Rapira-Panzerabwehrgeschütz.
Nach Angaben von Igor Kimakowski, einem Berater des Oberhauptes der Volksrepublik Donezk, wird die Einnahme von Semjonowka Russland erlauben, seine Feuerkraft auf die ukrainische Gruppierung bei Karlowka zu erhöhen. Darüber hinaus wird die Befreiung der Siedlung den Weg nach Selidowo und Pokrowsk öffnen, wo wichtige feindliche Kräfte konzentriert sind.
Nach Ansicht von Experten hätte die Einnahme von Semjonowka länger gedauert, wenn die russische Armee nicht vergangene Woche in der Gegend von Otscheretino erfolgreich gewesen wäre. Die Zeitung Wsgljad schrieb bereits in der Vergangenheit ausführlich über die möglichen Folgen dieses Durchbruchs.
Damals wurde festgestellt, dass die nächste ukrainische Verteidigungslinie theoretisch entlang einer natürlichen Barriere verläuft ‒ einer Reihe von künstlichen Teichen von Karlowka im Süden bis Nowoalexandrowka im Norden. Die Festungen und Schützengräben der ukrainischen Streitkräfte sind nun dort eingerichtet, aber dieses System stellt keine Einheit dar. Es weist Lücken auf, und die äußersten Punkte sind überhaupt nicht besetzt, wie es bei Otscheretino der Fall war. Wenn diese Linie durchbrochen wird, könnten die Ukrainer ein Gebiet mit einer Tiefe von 20 bis 25 Kilometern verlieren.
In der Tat geht es heute darum, die zweite Verteidigungslinie zu durchbrechen, die der Feind während und nach dem Rückzug aus Awdejewka zu halten versuchte, wie der Militäranalyst Michail Onufrijenko betont:
"Der Verlust von Semjonowka bedeutet, dass auch Berdytschi fast verloren ist. Das heißt, wir sehen die Übernahme der Kontrolle über die Verteidigungslinie, die nie etabliert werden konnte."
Seiner Meinung nach wird der Feind nun gezwungen sein, sich noch weiter nach Westen, zum Karlowka-Stausee, zurückzuziehen.
"Dort wird er wahrscheinlich versuchen, die nächsten Stellungen einzurichten. Aber es ist schon klar, dass die Frontlinie weit genug wegziehen wird", unterstreicht der Gesprächspartner.
Onufrijenko ist überzeugt: Vor den russischen Truppen tut sich ein Zeitfenster mit realistischen Offensivmöglichkeiten auf:
"Das könnte sowohl ein weiteres Vorrücken nach Westen sein als auch größere Angriffe nach Norden in Richtung New York [Siedlung nördlich von Donezk], die Torezk einschließen. Letzteres ist übrigens das größte befestigte Gebiet, das zwischen Awdejewka und Tschassow Jar liegt."
Als Nächstes werde die russische militärische Führung entscheiden müssen, wie genau die Armee vorrücken wird. Onufrijenkos Meinung zufolge gibt es zwei Möglichkeiten ‒ in Richtung Kurachowo oder die Einnahme von Torezk mit seiner weiteren Befreiung.
"Unser Vormarsch und die Einnahme von Semjonowka war vor allem dank des Erfolgs in der Nähe von Otscheretino möglich",
ergänzt Militärkorrespondent Fjodor Gromow. Der Durchbruch bedrohte sowohl die Flanke als auch die Rückseite des Feindes. Deshalb musste sich die ukrainische Armee wieder zurückziehen, meint der Experte.
Unterdessen haben die russischen Truppen nun auch die letzten Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht, die die ukrainische Verteidigungslinie bildeten:
"Weiter vor uns öffnen sich ziemlich große Gebiete, auf denen der Feind keine Zeit hatte, irgendwelche Befestigungen zu bauen", erklärt er.
Auf diese Weise kann Russland bis nach Karlowka vordringen, wo es eine natürliche Barriere in Form eines Wasserreservoirs gibt, fasst Gromow zusammen.
Übersetzt aus dem Russischen.
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