Russland

"Erst ein Schützenpanzer, dann ein Bunker": Wie russische Mörserschützen bei Kremennaja kämpfen

Das Umland von Kremennaja hebt sich durch seine Wälder besonders von der Steppenlandschaft des Donbass ab. Hier sind Mörserschützen des Verbands "Otwaschnyje" ("Die Tapferen") stationiert. Eine Korrespondentin von RT besucht die vordersten Stellungen einer Mörserbatterie.
"Erst ein Schützenpanzer, dann ein Bunker": Wie russische Mörserschützen bei Kremennaja kämpfenQuelle: RT

Von Anna Dolgarewa

Um zu den Frontstellungen zu gelangen, muss man erst über einen holprigen Weg in einer UAZ-452 "Buchanka" ("Brotlaib") fahren, dann mehrere Kilometer zu Fuß gehen und sich dabei vor feindlichen "Vögelchen", den Drohnen, unter Bäumen verstecken. In der "Buchanka" beginnen wir ein Gespräch mit dem Kommandeur einer Mörserbatterie mit dem Funknamen Mysch ("Maus").

"Wir stehen ungefähr hier. Zuvor standen wir etwas weiter weg, und es war leichter. Jetzt ist es interessanter, denn der Gegner hat viele Drohnen. Uns gegenüber stehen "Asow" und "Kraken". Das heißt, an der vordersten Linie sind mobilisierte Infanteristen, und hinter ihnen steht eine Sperrabteilung. Wie es uns geht? Uns geht es großartig", erklärt er.

Obwohl das ukrainische Militär regelmäßig Angriffe an diesem Abschnitt unternimmt, gelingt es den russischen Sturmverbänden – natürlich mit Artillerieunterstützung –, vergleichsweise erfolgreich vorzurücken. Eine solche Episode hat sich vor Kurzem ereignet.

"Wir hatten eine Artillerievorbereitung, die eine Stunde lang dauerte. Alle Geschütze aus allen Verbänden feuerten, um der Infanterie zu helfen, den Kopf zu heben und vorzurücken. Damit der Gegner nichts tun kann. Innerhalb eines Tags rückten wir um 500 Meter vor, danach an einem Tag insgesamt um 800 Meter. Nach drei Tagen rückten wir insgesamt um 1,5 Kilometer vor", berichtet Mysch.

Die Fahrt mit der "Buchanka" ist zu Ende, weiter müssen wir zu Fuß gehen. Wir passieren ein schief hängendes Schild mit der Aufschrift "Willkommen in der Hölle" und einen abgeschossenen Panzer mit gelb-blauen ukrainischen Symbolen.

Näher an der Frontlinie stoßen wir immer mehr auf Blindgänger von Streumunition. Sie darf man nicht berühren. Mysch erzählt von einer Gruppe von Mobilisierten, von denen einer ein solches Geschoss aufhob und aus irgendeinem Grund gegen einen Baum warf. Er erlitt eine Verwundung am Arm – zum Glück keine besonders ernste.

"Als du im April da warst, waren das noch ukrainische Stellungen. Gehen wir jetzt dicht beieinander! Du musst genau in meine Fußstapfen treten. Wir liefen hier mit Minensuchern durch, doch es kann immer noch Überraschungen geben", erklärt Mysch.

Schließlich erreichen wir unser Ziel – in einer schweren Schutzweste erscheint der Gang über einige Kilometer recht lang. In einem Unterstand, der genauso wie das Geschütz mit Kiefernzweigen getarnt ist, sitzen einige Mörserschützen. Mit einem von ihnen, Pepel ("Asche"), beginnen wir ein Gespräch.

"Erst war ich bei Donezk, dann bei Isjum, nun bin ich hier. Die Lage ist schwierig, der Gegner unternimmt immer Versuche von Gegenangriffen, schickt seine Kamikaze-Drohnen, es gibt sehr viele von ihnen. Das Schwierigste hier ist das Wetter", berichtet er.

Die Jungs arbeiten an einem 120-Millimeter-Mörser. Seine Höchstreichweite beträgt über sieben Kilometer, deswegen ist er von gegnerischen Stellungen vergleichsweise weit entfernt.

"Fast jeden Tag treffen wir ukrainisches Personal und Technik, doch das Bemerkenswerteste sind die gegnerischen Unterstände. Wenn man sieht, wie die Feinde in einen Unterstand laufen und mein Geschoss dorthin fliegt. Und es gelingt, den Gegner unmittelbar im Unterstand zu treffen, und die Aufklärer bestätigen das", sagt Pepel.

"Gehen wir! Wir gehen zu einem anderen Stützpunkt und kehren dann zu diesen Jungs zurück – sie werden gerade arbeiten", ruft Mysch. Wir gehen weiter. Unterwegs schaut Sosna ("Kiefer"), der Unteroffizier von Mysch, plötzlich hinauf und ruft: "Luftalarm!"

Wir stürzen uns zu den Bäumen. Ich stehe da, die Schutzweste an eine Kiefer gedrückt – so ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kamikaze-Drohne mich bemerkt, geringer. Die Drohne hat ein widerliches Geräusch, als würde eine kleine Kettensäge durch den Himmel fliegen.

Wir warten, bis das Geräusch der Kettensäge verstummt, und gehen weiter. An der neuen Stellung zieht ein junger Mann unsere Aufmerksamkeit auf sich. Auf dem Aufnäher an seiner Schutzweste steht "Duschnila" ("Besserwisser").

"Buchstäblich jede Woche nehmen unsere Sturmverbände und Infanterie neue Stellungen ein", sagt er munter. Nach seiner Einschätzung finden ukrainische Artillerieangriffe in letzter Zeit seltener statt.

"Vor Kurzem arbeiteten wir mit dem Sturmverband "Z-1" zusammen. Der Gegner transportierte Munition heran, wir beschossen sie. Später zeigte man uns ein Video von einer Drohne – es stellte sich heraus, dass wir fünf mit einem Treffer töteten. Und erst gestern kam ein gegnerischer Lastwagen an die gleiche Stelle – wir schossen mit Brandmunition und verbrannten ihn", erzählt Duschnila.

Am meisten stören die Kamikaze-Drohnen, sagt der Kämpfer. Es sind Einwegdrohnen, sie sind billig, können mit einem 3D-Printer gedruckt werden und richten dabei viel Schaden an.

Wir gehen zum Geschütz zurück. Mysch ruft Befehle, der Mörser feuert auf ein im Vorfeld anvisiertes Ziel, einen gegnerischen Bunker. Die Aufklärung wird später berichten, wie erfolgreich der Treffer war. Die Bedienung bereitet sich auf einen zweiten Schuss vor, als erneut der Ruf "Luftalarm!" erklingt.

Ein weiteres "Vögelchen". Das Geschütz wird eilig mit Zweigen bedeckt, die Soldaten verstecken sich unter Bäumen.

Wir treten den Rückweg an, erreichen die "Buchanka", kehren ins "Häuschen" zurück, trinken Tee. Dort trifft uns ein Kämpfer mit dem Funknamen Wichr ("Wirbelsturm"). "Direkt sehen wir das Ziel nicht, wir hören es nur. Man gibt uns das Ziel an, wir bearbeiten es. Wir verbrannten einen Schützenpanzer, davor einen Bunker. Kurzum: Was man uns angibt, das zerstören wir", lacht er.

Übersetzt aus dem Russischen.

Anna Dolgarewa, geboren 1988 in Charkow, ist eine Journalistin, Dichterin und Kriegsberichterstatterin. Seit 2015 lebt und arbeitet sie in Lugansk, Donezk und Moskau.

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