Russland

Was russische Ingenieure von erbeuteten "Leoparden" lernen werden

Nun steht es fest: Russland hat mehrere, während der Kämpfe in Saporoschje außer Gefecht gesetzte Kampfpanzer Leopard 2 sowie Bradley-Schützenpanzer erbeutet. Die werden nun ausgeschlachtet und von russischen Ingenieuren untersucht. Welchen Nutzen die russische Verteidigungsindustrie daraus ziehen könnte, analysiert dieser Artikel.
Was russische Ingenieure von erbeuteten "Leoparden" lernen werdenQuelle: Gettyimages.ru © Soeren Stache/picture alliance

Die von den russischen Truppen erbeuteten deutschen Kampfpanzer und US-amerikanischen Schützenpanzer werden demnächst von Spezialisten des russischen militärisch-industriellen Komplexes eingehend untersucht werden, berichtet der Telegram-Kanal Wojennaja Chronika (zu Deutsch: Kriegschronik). Sowohl deutsche Leopard-Kampfpanzer als auch US-amerikanische Bradley-Schützenpanzer weisen eine Reihe von Merkmalen auf, die für die russische Rüstungsindustrie von großem Interesse sind.

Wie viele solche gepanzerten Fahrzeuge aus westlicher Produktion derzeit den russischen Truppen in die Hände gefallen sind, ist nicht ganz klar. Insgesamt hatten die ukrainischen Truppen in den ersten Tagen ihrer Offensive wohl acht Leopard-2-Panzer verloren, darunter auch solche der 2A6-Modifikation. Mindestens zwei Leopard-Panzer konnten mit einem gewissen, unterschiedlichen Erhaltungsgrad erbeutet werden: einer hat Schäden am Fahrgestell, der andere im beschädigten Kampfabteil. Der "Pulverdampf" des Krieges vernebelt etwas, wie viele der Maschinen insgesamt die Russen vom Schlachtfeld bergen konnten.

Was die Bradley-Schützenpanzer hergeben könnten

Angaben zu der Zahl der erbeuteten amerikanischen Bradley-Schützenpanzer schwanken zwischen zwei und fünf.

An diesen Maschinen sind laut den Experten von Wojennaja Chronika insbesondere die 25-mm-Maschinenkanone M242 Bushmaster sowie das hydraulische System der Mannschaftsluke im Heck von Interesse. In die Ukraine wurde die Modifikation M2A2 im sogenannten ODS-Standard (Operation Desert Storm) geliefert. Diese Modifikation erhielt seinerzeit eine Reihe von Verbesserungen, die auf der Grundlage der Erfahrungen aus dem Irakkrieg 1991 entwickelt wurden.  

Die 25-mm-Maschinenkanone M242 Bushmaster gehört zur Standardbewaffnung vieler Länder, während andere Geschütze der Bushmaster-Familie damit Gemeinsamkeiten der Komponenten oder technischen Lösungen aufweisen. Von ebenso großem Interesse ist die panzerbrechende 25-mm-Munition selbst, die den Experten zufolge in den erbeuteten Fahrzeugen aufgefunden wurde.

Höchstwahrscheinlich werden Testschüsse auf Schießständen zeigen, wie effektiv die Bushmaster-Kanone und –Munition gegen die russischen Fahrzeugpanzerungen ist. Danach wird es möglich sein, Schlussfolgerung für die eventuell notwendigen Verbesserungen der Panzerung der russischen Fahrzeuge zu ziehen.

Nicht weniger interessant ist das hydraulische System der klappbaren Luke und Rampe am Heck, weil derzeit nur drei russische Modelle über ein solches Be- und Entladesystem verfügen: die modernen BMPs "Manul" und "Kurganez", der Schützenpanzer "Bumerang" und der schwere Schützenpanzer auf der Basis der "Armata"-Plattform. Auch hier können russische Ingenieure sicherlich einiges lernen.

Möglicherweise können auch andere Elemente wie Panzerlegierungen, Visiersysteme und Bordelektronik noch untersucht werden. Allerdings hängt das jedoch davon ab, welche Komponenten bei den erbeuteten Exemplaren noch vorhanden sind oder bereits vorher demontiert wurden.

Was ist an den Leopard-Panzern interessant?

Der Leopard 2A6, den die ukrainischen Streitkräfte bei Orechow verloren haben, ist die modernste Panzer-Modifikation unter allen Modellen, die Kiew vom Westen erhalten hat.

Diese Version des Leopard 2 verfügt über eine neue 120mm-Glattrohrkanone L/55 von Rheinmetall (anstelle der früheren L/44). Es wird besonders interessant sein, die Eigenschaften der Kanone beim Testbeschuss der wichtigsten russischen Panzer zu untersuchen, also des T-72B3, T-80BVM, T-90M und T-14 "Armata"-Kampfpanzers.

Von Interesse sind auch das neue Panzer-Informations- und Kontroll-System (TICS) und Elemente des Feuerleitsystems, die speziell für die neue Kanone und deren Munition entwickelt wurden.

Von zusätzlichem Interesse sind das Geschützstabilisierungssystem und das Wärmebildgerät "Saphir" der dritten Generation.

Von großem Interesse für die russische Rüstungsindustrie ist der gepanzerte Rumpf der "Leopard"-Kampfpanzer. Die Auslegung und die Art der Panzerung, die Dicke und die Qualität des verwendeten Stahls, die Zusammensetzung der Füllstoffe und deren Anordnung werden den Panzerschutz ausländischer Panzer besser verstehen lassen und dazu beitragen, die russischen Waffensysteme so weiterzuentwickeln, dass sie westliche gepanzerte Ausrüstung noch effektiver zerstören können. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass ab der Modifikation Leopard 2A6 die kombinierte Panzerung der dritten Generation in Panzern dieser Familie eingebaut wird.

Natürlich wird auch das Antriebsaggregat untersucht, das wie bei den Armata-Panzern nach dem Power-Pack-Prinzip aufgebaut ist: ein halbautomatisches Renk-Getriebe HSWL 354 und ein MTU-Dieselmotor mit einer Leistung von 1.500 PS sind in einem einzigen Modul kombiniert.

Fazit

Die während der stockenden ukrainischen Offensive erbeutete westliche Ausrüstung ist noch bis mindestens 2030 in den NATO-Ländern im Einsatz. Eine Untersuchung des Panzerschutzes und anderer Eigenschaften und Komponenten ausländischer Ausrüstung wird der russischen Rüstungsindustrie Aufschluss darüber geben, wie die NATO-Ausrüstung bekämpft werden kann und welche Waffen zu diesem Zweck gebaut oder weiterentwickelt werden müssen, resümieren die Experten von Wojennaja Chronika.

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