Ausländische Geheimdienste, Nawalny, Kryptowährung: Was steckt hinter dem Mord an Wladlen Tatarski?
Der Mord am Militärkorrespondenten Wladlen Tatarski wurde laut dem Nationalen Antiterrorkomitee Russlands von den ukrainischen Geheimdiensten unter Mitwirkung von Anhängern Alexei Nawalnys geplant. Die Behörde erklärte in einer Mitteilung:
"Der am 2. April in St. Petersburg begangene Terrorakt gegen den bekannten Journalisten Wladlen Tatarski wurde von den ukrainischen Geheimdiensten unter Mitwirkung von Agenten aus dem Kreis derjenigen geplant, die mit der sogenannten Nawalny-Stiftung zur Bekämpfung der Korruption zusammenarbeiten, deren aktive Unterstützerin die inhaftierte Darja Trepowa ist."
Eine Explosion erschütterte am 2. April die Street Bar in Sankt Petersburg. In dem Lokal fand ein Treffen mit dem Kriegsberichterstatter und Blogger Tatarski (eigentlicher Name Maxim Fomin) statt. Der Journalist kam dabei ums Leben. Etwa 40 Menschen wurden verletzt, 25 Personen befinden sich weiterhin in Krankenhäusern in der Stadt, fünf von ihnen in kritischem Zustand.
Nach der Meldung der russischen Terrorismusbekämpfungsbehörde folgte prompt eine weitere Meldung: Die Nationale Republikanische Armee (NRA) hat sich zum Mord an Tatarski bekannt. Die entsprechende Stellungnahme wurde auf dem Telegram-Kanal Rospartizan veröffentlicht – der als Sprachrohr der NRA gilt. Diese ist eine illegale terroristische Organisation, die von der Ukraine aus gesteuert wird. Im vergangenen Jahr hatte die NRA die Verantwortung für die Ermordung der Politologin Darja Dugina übernommen.
Laut den NRA-Mitgliedern haben sie die Aktion gegen die Gruppe russischer Aktivisten und vor allem gegen Tatarski selbst geplant und durchgeführt. In der Erklärung wurde besonders betont, dass die NRA keinerlei Verbindungen zu ausländischen Strukturen oder Geheimdiensten habe.
Das sei jedoch zu bezweifeln, so die Journalisten der russischsprachigen Redaktion von RT. Nach Angaben des Internetportals Prigowor, mit dem RT wiederholt investigativ zusammengearbeitet hat, wird der Telegram-Kanal Rospartizan von dem flüchtigen ehemaligen Abgeordneten der russischen Staatsduma Ilja Ponomarjow kontrolliert. Auch der Journalist und Aktivist Roman Popkow, der Trepowa für den Anschlag ihren Angaben nach rekrutiert haben soll, steht mit Ponomarjow in Verbindung. Investigative Journalisten der russischsprachigen RT-Redaktion vermuten zudem, dass der russische Ex-Politiker eng mit der ukrainischen Geheimdienstzentrale verbunden ist.
Der flüchtige Oppositionelle sei dabei nicht unabhängig, sondern befolge nur die Befehle seiner Auftraggeber, so der Duma-Abgeordnete Oleg Matweitschew, Mitglied der Kommission zur Bekämpfung ausländischer Einmischung, gegenüber RT. Die wirkliche Arbeit werde von anderen Strukturen geleistet, Ponomarjow sei nur ein "Sprachrohr".
"Ponomarjow hat den schmutzigsten Job bekommen", erklärte der Abgeordnete RT. "Egal, was in Russland passiert (ein Flugzeug stürzt ab, ein Zug entgleist, eine Bombe explodiert), Ponomarjow wird behaupten, seine Freiwilligen und die geheime Opposition hätten es getan, und er wird die Verantwortung übernehmen."
Bei ihrer Vernehmung sagte Trepowa aus, sie sei von Popkow angeworben worden. Danach habe er sie mit den ukrainischen Hintermännern in Verbindung gebracht, die höchstwahrscheinlich dem ukrainischen Geheimdienst angehörten.
Vor dem Anschlag und an dem Tag, an dem Tatarski getötet wurde, erhielt sie ständig Anweisungen von ihren Betreuern, so der Telegram-Kanal SHOT. Diese bestanden beispielsweise darauf, dass Treptowa, nachdem sie dem Kriegsberichterstatter die mit Sprengstoff gefüllte Büste übergeben hatte, an seiner Seite hätte bleiben sollen – doch sie ging in den Zuschauerraum. Glaubt man diesen Angaben, sollte auch Trepowa bei dem Anschlag ums Leben kommen.
Wie die Bombe zur Explosion gebracht wurde, ist noch offen. Zu Beginn der Ermittlungen gab es Medienberichte, wonach die Bombe ferngesteuert gewesen sein könnte und Trepowa selbst nichts von dem tödlichen Inhalt der Plastik wusste. Laut der Zeitung Moskowski Komsomolez ist eine der Versionen der Ermittler jedoch, dass Trepowa sie selbst gebaut und den Knopf zur Aktivierung der Bombe selbst gedrückt habe, während sie im Café war:
"Unsere Quelle teilte mit, dass die Attentäterin den Sprengsatz höchstwahrscheinlich selbst bediente und ihn im richtigen Moment aktivierte. 'Die Fenster des Cafés, in dem alles passierte, sind groß, aber man kann von der Straße aus nicht sehen, was drinnen vor sich geht, sie sind getönt', erklärte der Polizeibeamte. 'Und die Wucht der Explosion war übrigens genau auf den Militärkorrespondenten gerichtet. Das heißt, das Ziel der Terroristen war genau das, nämlich Tatarski zu töten.'"
Was ist derzeit sonst noch über den Mordanschlag auf Tatarski bekannt?
- Im Netz ist ein Video aufgetaucht, das die letzten Sekunden vor der Explosion in dem Café in Sankt Petersburg zeigt. Laut dem Telegram-Kanal Baza wurde das Video von dem Augenzeugen des Anschlags Marat Arnis veröffentlicht. Die Aufnahmen zeigen, dass sich Trepowa direkt im Saal befand, bevor die Explosion erfolgte. Die junge Frau sitzt nur wenige Meter von Tatarski entfernt, der eine von ihr geschenkte Büste in der Hand hält.
- Die Täterin lebte vor dem Attentat etwa zwei Monate lang in einem Haus im Moskauer Stadtteil Medwedkowo. Die Komsomolskaja Prawda berichtet, dass die 26-Jährige auf Anweisung ihrer Auftraggeber in die Hauptstadt zog, um sich dem sozialen Umfeld des Bloggers anzuschließen und ihm näherzukommen. Es funktionierte: Bei dem fatalen Treffen mit den Lesern erkannte Tatarski sie wieder – denn Trepowa hatte ihn eine Woche zuvor bei einer Veranstaltung an der Russischen Neuen Universität angesprochen und ihm sogar einen Satz ihrer Postkarten überreicht.
- Die Nachbarn der Wohnung Trepowas im Moskauer Stadtteil Medwedkowo berichteten dem Telegram-Kanal WeTscheKa-ОGPU, dass "von dem Moment an, als sie einzog, der Hof mit bis dahin unbekannten Autos überschwemmt war und die Frau selbst fast immer von ihren vermeintlichen Freunden begleitet wurde". Außerdem teilte eine Nachbarin mit, sie habe zweimal Drohnen gesehen, die zum Fenster von Trepowas Wohnung hochflogen.
- Nach Trepowas Aussage erhielt sie regelmäßig Aufträge von ihren ukrainischen Betreuern – und wurde dafür jeweils mit 20.000 Rubel (rund 200 Euro) in Kryptowährung bezahlt. Die Journalisten der russischsprachigen Redaktion von RT haben den Inhalt der Krypto-Wallet des Telegram-Kanals Rospartizan analysiert, die in der Beschreibung des Kanals zu finden ist. Laut dem Blockchain-Verzeichnis erhielt die Krypto-Wallet in den vergangenen sechs Monaten 0,0659 Bitcoin oder umgerechnet 2.000 US-Dollar. RT konnte allerdings die konkreten Empfänger der Gelder, die auf die Krypto-Wallet überwiesen wurden, nicht ermitteln. Unklar ist zudem, ob sich unter ihnen auch Trepowa befindet.
- Der Sankt Petersburger Dmitri Kasinzew, der Trepowa versteckt hat, nachdem sie vom Tatort geflohen war, ist nun Zeuge in dem Fall des Terroranschlags. Nach Angaben der Zeitung Iswestija ist Kasinzew ein Freund von Trepowas Ehemann – er erklärt, er habe nichts von der Vorbereitung des Anschlags gewusst und "das Mädchen nur aus Gutmütigkeit bei sich aufgenommen". "Nach den vorliegenden Informationen wusste Kasinzew jedoch zu dem Zeitpunkt, als Trepowa festgenommen wurde, von der Beteiligung des Mädchens an dem Terroranschlag", so die Iswestija.
- Dmitri Rylow, der Ehemann Trepowas, könnte sich jetzt in Georgien aufhalten, berichtet die Iswestija.
- Einige Monate vor dem Anschlag änderte Trepowa, die zuvor Nawalny und seine Anhänger aktiv unterstützt hatte, abrupt ihre politische Ausrichtung. Sie eröffnete einen Telegram-Kanal zur Unterstützung der russischen Militäroperation in der Ukraine und begann, an patriotischen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach dem Terroranschlag, so fand der Fernsehsender REN-TV heraus, wurden alle Einträge, die der Militäroperation und Tatarski gewidmet waren, aus Trepowas Telegram-Kanal gelöscht.
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