Russische Virologen haben in einem vorab veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel einen einmalig nachgewiesenen Stamm des Coronavirus beschrieben, der gleich zahlreiche neue Mutationen aufweist. An der Studie waren mehr als ein Dutzend Mitarbeiter aus vier russischen Forschungseinrichtungen beteiligt. Demnach wurde der neue Stamm aus der Probe einer 47-jährigen Patientin mit einem Non-Hodgkin-Lymphom im vierten Stadium abgesondert.
Der Studie zufolge infizierte sich die Frau mit dem SARS-CoV-2-Erreger bereits Anfang April 2020, während sie eine Chemotherapie durchlief. Bis Anfang September wurde die Patientin immer wieder positiv auf das Coronavirus getestet. Die Wissenschaftler verglichen dann die Proben der 47-Jährigen mit der Probe eines anderen Patienten, bei dem sie sich vermutlich mit der "Ausgangsvariante" des Erregers angesteckt hatte. Auf diese Weise wurden insgesamt 18 neue Mutationen des Virus in dieser Patientin festgestellt. Einige der Mutationen glichen denen im "britischen" Corona-Stamm. Zwei weitere entsprachen sogar denen, die man zwischenzeitlich bei Nerzen in Dänemark nachgewiesen hatte.
Konstantin Krutowski, Professor des Lehrstuhls für Genomforschung und Bioinformatik der Sibirischen Föderalen Universität und zugleich Professor an der Georg-August-Universität in Göttingen, wies in einem Kommentar für die russische Zeitung Iswestija darauf hin, dass man die zahlreichen Mutationen der berüchtigten "britischen" SARS-CoV-2-Variante unter anderem darauf zurückführte, dass das Virus eine lange Zeit im Körper eines immunschwachen Patienten präsent gewesen wäre und sich dabei nach und nach weiterentwickelt haben könnte:
"In eben dieser russischen Studie ist erstmals überzeugend bewiesen, dass eine große Anzahl an Mutationen das Ergebnis einer langen Präsenz des Erregers SARS-CoV-2 in einem einzigen Individuum ist. Gerade unter solchen Bedingungen bekommt das Coronavirus die Gelegenheit, sich ungewöhnlich schnell in Richtung einer Anpassung an den Menschen als Wirt zu verändern."
Der Experte warnte zugleich, es sei noch verfrüht, auf eine schnellere Ausbreitung des neuen Stammes zu schließen, weil es dabei bislang um einen Einzelfall gehe.
Berichte über neue Mutationen des viralen Erregers für COVID-19 hatte es zuvor nicht nur aus Großbritannien gegeben, sondern auch in Südafrika und Brasilien. Auch der Leiter des russischen Nationalen Forschungszentrums für Epidemiologie und Mikrobiologie "N. F. Gamaleja" Alexander Ginzburg schloss zuvor nicht aus, dass ein einzigartiger neuer SARS-CoV-2-Stamm auch in Russland einmal auftauchen könnte.
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurden in Russland bislang insgesamt 3.448.203 Fälle einer Infektion registriert. 62.804 Menschen starben im Zusammenhang mit der Erkrankung an COVID-19. Allein in den vergangenen 24 Stunden wurden in Russland 22.934 weitere Corona-Fälle gegenüber 23.315 noch am Montag bestätigt. In derselben Zeit starben weitere 531 positiv getestete Patienten gegenüber 436 am Vortag. Die wichtigsten Brennpunkte der Pandemie in Russland bleiben Moskau samt Umgebung sowie auch Sankt Petersburg.
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