von Susan Bonath
Die Mieten in Deutschland steigen. Jeder vierte Großstadt-Haushalt gibt bereits mehr als 40 Prozent seines Einkommens für die Unterkunft aus. Auch auf dem Land wird es immer teurer. Zwischen 2007 und 2019 halbierte sich die Zahl von Sozialwohnungen nahezu auf 1,1 Millionen, ein Garant für bezahlbare Mieten sind auch sie nicht mehr. Seit Jahren laufen vermeintliche Gegenmaßnahmen der Regierung ins Leere, wie etwa die Mietpreisbremse, und die Zahl der Wohnungslosen steigt. Ins Leere liefen am Mittwoch auch insgesamt drei diesbezügliche Anträge der Linksfraktion im Bundestag. Ihr Ziel war es, mehr Sozialwohnungen zu schaffen, die Wohnungs-Gemeinnützigkeit wieder einzuführen und ein Grundrecht auf Wohnen zu verankern.
"Sozialen Wohnungsbau retten"
Mit ihrem ersten Antrag forderte die Fraktion Die Linke die Bundesregierung auf, ein Rettungsprogramm für den sogenannten "Sozialen Wohnungsbau" vorzulegen. In Zusammenarbeit mit den Bundesländern müsse der Verlust dieser preisgebundenen Bleiben verhindert werden. Der Bund solle deutlich mehr Fördermittel in den Neubau, Ankauf und die Modernisierung von Sozialwohnungen investieren. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die FDP und die AfD lehnten diesen und die anderen Anträge der Linken ab.
In ihrem zweiten Antrag forderte die Linksfraktion den Bundestag auf, einen Gesetzentwurf zur Gemeinnützigkeit vorzulegen. Danach sollte ein Wohnungsunternehmen als gemeinnützig gelten, wenn es vorrangig und dauerhaft an Menschen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen vermietet, sich wirtschaftlich auf diese Aktivitäten beschränkt und seine Rendite auf höchstens vier Prozent pro Jahr begrenzt.
Gemeinnützige Vermieter müssten zudem darauf verzichten, mit Beteiligungen und Wohnungen zu handeln oder letztere in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Der besondere Status beschert ihnen im Gegenzug Vorteile, wie Steuererleichterungen und einen privilegierten Zugang zu Fördergeld und Bundes-Grundstücken.
Grundrecht auf Wohnraum für jeden
Mit ihrem dritten Antrag wollten die Abgeordneten der Linken einen Artikel 14a in das Grundgesetz aufnehmen. Dieser solle für jeden Bundesbürger ein einklagbares Recht auf bezahlbaren, angemessenen Wohnraum sicherstellen. Um das umzusetzen, müsste der Staat weitergehende Eingriffsrechte auch gegen Unternehmen erhalten, etwa bei dauerhaftem Leerstand oder Mietwucher. Konkret solle nach dem Vorschlag der Linken ein Artikel 14a im Grundgesetz heißen:
"(1) Jeder Mensch hat das Recht auf menschenwürdigen, diskriminierungsfrei zugänglichen und einkommensgerechten Wohnraum.
(2) Die Räumung von Wohnraum ist unzulässig, wenn kein zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt wird."
Linke: Kaum mehr investiert als allein die Stadt Wien
Die Linke-Politikerin Caren Lay warf der CDU/CSU-SPD-Regierung Versagen vor. In den vier vergangenen Jahren der zu Ende gehenden Legislatur-Periode sei der Bestand an Sozialwohnungen um 100.000 gesunken, in den letzten acht Jahren sogar um 400.000.
Dies liege auch daran, dass der soziale Status bereits nach 15 Jahren automatisch aufgehoben wird. "In diesem Jahr wird der Bestand an Sozialwohnungen wohl unter eine Million abrutschen – das ist ein historischer Tiefstand", kritisierte Lay. Nötig seien fünf Millionen neue Bleiben dieser Kategorie. Die Bundesregierung habe zu wenig investiert. Sie gebe für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt "kaum mehr aus, als allein die Stadt Wien" in Österreich. Zehn Milliarden pro Jahr seien für 250.000 gemeinnützige Wohnungen nötig.
Union will "authentisches Einkaufserlebnis"
Der CDU/CSU-Parlamentarier Kai Wegner lobte hingegen den Gegenantrag zum gleichen Thema von den Regierungsfraktionen, der dann letztlich nur mit ihren eigenen Stimmen angenommen wurde. Dieser Antrag stärke ja das bisherige Konzept, freute er sich. Danach soll die Bundesregierung eine "Innenstadt-Strategie" erarbeiten, die sich nun an den Corona-Problemlagen orientiert. Gefördert werden sollen nachhaltige Konzepte für Stadtkerne, die im Wettbewerb um entsprechende Auszeichnungen buhlen sollen. Die Wirtschaft wollen die Fraktionen einbeziehen.
Wegner, seit 16 Jahren im Bundestag, wolle die Innenstädte nach Corona wieder mit Leben füllen. Er sagte: "Wir brauchen ein authentisches Einkaufserlebnis und urbane Nutzungsvielfalt, dazu gehören auch Handwerk und Gewerbe." Ziel sei eine "Stadt der kurzen Wege". "Dafür setzen wir weiter auf das Erfolgsrezept Städtebauförderung." Sein Fraktionskollege Karsten Möring fügte an, er hoffe schließlich darauf, dass sich Privatinvestoren von ihren Forderungen nach maximalen Mieten verabschieden.
AfD fürchtet Sozialismus
Udo Theodor Hemmelgarn von der AfD hat unterdessen bereits große Angst vor "Enteignung und Sozialismus". Die Anträge der Linken zeigten deutlich, "wohin die Reise gehen soll", schimpfte er. Diese Fraktion "fordert Sozialwohnungen, Gemeinnützigkeit und praktisch ein Verbot von Zwangsräumungen!", so Hemmelgarn. Dies sei "ein Angriff auf das private Eigentum, die Freiheit und ein Vorzeichen einer totalitären Gesellschaft", fügte er hinzu. Seiner Ansicht nach passt dies nicht zur sozialen Marktwirtschaft.
SPD: Mit Scholz wird alles besser
Zwar stimmte die SPD-Fraktion von Ulli Nissen mit ihrem großen Koalitionspartner gegen die Linke-Anträge. "Aber ich freue mich sehr, dass das Thema Gemeinnützigkeit auf den Tisch kommt", beteuerte Nissen. Die Abschaffung der Gemeinnützigkeit im Jahre 1990 unter Schwarz-Gelb sei ein großer Fehler gewesen. Sie fügte an: "Mit Olaf Scholz als Bundeskanzler wird es eine neue Wohnungs-Gemeinnützigkeit geben."
FDP will "Märkte in Bewegung setzen"
Hagen Reinhold (FDP) rügte gegenüber der Linksfraktion, dass sie viel zu sehr auf Tempo setze: "So schnell geht es eben nicht", mahnte er und stellte doch zugleich fest: "Die Mietpreisbremse der Großen Koalition funktioniert nicht." Dies hätten die letzten Jahre gezeigt. Er verlangte "Zwischenschritte über das Wohngeld": "Die Menschen könnten beim Umzug die alten Mietpreise durch Wohngeld in die neue, teurere Wohnung mitnehmen", so Reinhold. Sein Ansinnen: "Wir müssen Märkte in Bewegung setzen, damit sich was ändert."
Grüne an Koalition: "Das ist ökonomischer Bullshit"
In die deutsche Nachkriegsgeschichte blickte Christian Kühn von den Grünen zurück. Denn vor dem Anschluss der DDR waren gemeinnützige Wohnungsunternehmen ein fester Bestandteil in der BRD. "Das wurde 1990 unter Schwarz-Gelb abgeschafft", rügte er. Und dies habe "eine Spirale aus Privatisierung, Mietensteigerung und Abbau sozialer Bindung in Gang gesetzt".
Auf diese Negativspirale habe die große Koalition keine Antwort. Ihr Antrag werde lediglich bewirken, die Investoren zusätzlich mit Steuergeld zu beschenken. Bezahlbaren Wohnraum schaffe sie damit nicht. Kühn wetterte in Richtung der Regierungsfraktionen: "Das ist ökonomischer Bullshit, damit begünstigen Sie Investoren gegenüber Kommunen."
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