Depressiv, vernachlässigt, suizidgefährdet: Kinder- und Jugend-Psychiatrien laufen über

Laut OECD-Forschern leiden im Zuge des anhaltenden Corona-Lockdowns immer mehr Kinder und Jugendliche unter schweren Depressionen, Suchterkrankungen, Angst- und Schlafstörungen. Risikofaktor sei vor allem die Armut der Eltern.
Depressiv, vernachlässigt, suizidgefährdet: Kinder- und Jugend-Psychiatrien laufen überQuelle: www.globallookpress.com © Florian Gaertner/photothek.net

von Susan Bonath

Immer schärfere Maskenpflicht, strenge Abstandsregeln und Kontaktverbote. Nun auch die Testpflicht in Schulen, um am Präsenz-Unterricht teilnehmen zu dürfen, zwischendurch immer wieder Homeschooling, das kaum funktioniert, Eltern, die ihre Jobs verlieren und in die Armut abrutschen – und seit fast 15 Monaten permanente Angstmache: Kein Wunder, dass psychische Probleme, wie Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, bei Kindern und Jugendlichen in die Höhe schnellen.

In Deutschland und anderen Ländern hat sich die Anzahl psychisch erkrankter Minderjähriger wohl mindestens verdoppelt, mancherorts sogar noch stärker erhöht. Das jedenfalls besagen die Ergebnisse zweier Studien, die Christopher Prinz von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz vorstellte

Armut macht Kinder depressiv

Die Forscher hatten 15 OECD-Staaten miteinander verglichen. In allen Ländern kamen sie zu dem Ergebnis, dass psychische Störungen insgesamt wesentlich häufiger auftreten als vor der Pandemie. In Frankreich beispielsweise verdoppelte sich demnach die Zahl der Menschen mit Anzeichen für eine Depression auf 20 Prozent. In den USA sei ein Viertel der Gesamtbevölkerung davon betroffen, vier mal so viele wie 2019.

Ganz besonders weit verbreitet seien Depressionen bei den schutzlosesten Gruppen der Kinder und Jugendlichen, resümierte Prinz. Diese treffe es in allen Ländern derzeit 30 bis 80 Prozent häufiger als die Gesamtbevölkerung. So klagte in Frankreich jeder dritte Minderjährige über ernste Anzeichen einer depressiven Erkrankung.

Kinder und Jugendliche seien den "Risikofaktoren" eines Lockdowns besonders schutzlos ausgeliefert gewesen, so Prinz. Betroffene litten vor allem unter Erwerbslosigkeit und zunehmender Armut der Eltern. Zukunftsängste, Perspektivlosigkeit und Isolation bestimmten das Leben dieser unter 18-Jährigen. Immer mehr von ihnen würden von der Bildung komplett abgehängt.

Für diese Feststellung der Autoren hätte es eigentlich keine Studie gebraucht: Je besser die heimische Wohnsituation ist und über je mehr Einkommen die Eltern trotz Wirtschaftseinbruchs verfügen, desto höher sind die Chancen für den Nachwuchs, halbwegs unbeschadet durch die Krise zu kommen. 

Schulen öffnen, um Schlimmeres zu verhindern

Die Fachleute plädierten in der Konferenz schließlich dafür, alle Schulen komplett zu öffnen, um die wachsenden Kollateralschäden einzudämmen. Auch Wechselunterricht, wie er derzeit vielfach praktiziert wird, sei keine Lösung. Kinder benötigten einen geregelten Alltag und Kontakte. "Schulen sind nicht nur ein Prüfungsort, sondern auch ein Ort für soziales Lernen", konstatierten sie. Folgt man der Meinung vieler Mediziner, wonach "Kinder keine Treiber der Pandemie" seien, wäre dies wohl kein Problem.

Bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaften (GEW) sieht man das etwas anders. Deren Vorsitzende Marlis Tepe plädierte zuletzt am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin dafür, den Wechselunterricht fortzusetzen, bis die (umstrittene) sogenannte "Sieben-Tage-Inzidenz" konstant unter den Wert 50 gesunken sein werde. Dies empfehle so Tepe, auch das Robert Koch-Institut (RKI). Angeblich habe dieses auch "Hinweise auf hohe Corona-Inzidenzen bei Schülern".

Triage in Kinder-Psychiatrien

Vor einer psychosozialen Katastrophe warnten bereits im März fast 400 Kinder- und Jugendpsychologen und -psychiater. In einem offenen Brief an die Politik skizzierten sie die düstere Realität: Die Psychiatrien seien überlastet mit schwer betroffenen Minderjährigen. Neben Depressionen breiteten sich Angst- und Essstörungen aus, der Missbrauch von Drogen und Alkohol sowie weitere Suchtprobleme, etwa beim Medienkonsum, sei rapide angestiegen. Auch würden mehr Schutzbefohlene Opfer häuslicher Gewalt und massiver Vernachlässigung.

Betroffen seien bereits Kleinkinder, mahnten die Verfasser des Briefes. Eltern berichteten von zunehmenden Trennungsängsten beim Übergang in die Notbetreuung von Kindertagesstätten, von unkontrollierten Wutausbrüchen, von Aggressionen und Schlafproblemen. "Gegenwärtig erscheinen uns die vorgestellten Patienten jünger als gewöhnlich", resümierten die Mediziner.

Die Folgen schätzen sie als dramatisch ein: Psychiatrische Kliniken müssten inzwischen triagieren. Vielfach könnten sie nur noch akut suizidgefährdete Minderjährige aufnehmen, alle anderen würden notgedrungen wieder nach Hause geschickt. "Der Fokus liegt auf stark belasteten Kindern und Jugendlichen, so dass viele Patienten nicht hinreichend versorgt werden", berichteten sie. Die Notfälle hätten stark zugenommen.

Der Politik stellten sie ein miserables Zeugnis aus: Seit Beginn der Pandemie habe diese die Rechte und Bedürfnisse der Jüngsten kaum berücksichtigt. Sie würden behandelt wie potentielle Gefährder. Es gebe kaum Freizeitangebote, die Jugendhilfe arbeite stark eingeschränkt, Kontakte zu Lehrern seien vielfach abgebrochen. "Nebenwirkungen und negative Auswirkungen der bisherigen Maßnahmen sind bereits deutlich spürbar." 

Homeschooling vielfach gescheitert

Dass die Online-Beschulung von Millionen Kindern in Deutschland für viele Kinder gar nicht stattfand, untermauert auch eine ebenfalls am Donnerstag vor Pfingsten veröffentlichte Studie der Universität Tübingen. Das hätten Befragungen von Schulleitungen ergeben. Demnach habe zumindest im ersten Lockdown fast jeder dritte Schüler keinen oder keinen regelmäßigen Kontakt zu seinen Lehrern gehabt.

Vor allem im ländlichen Raum sei das Homeschooling-Konzept gescheitert. Gerade einmal jeder vierte Schüler sei dort von der Schule mit Lernmaterial versorgt worden, in Städten habe zumindest dies bei etwa 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen mehr oder weniger gut funktioniert. Grund sei vor allem eine mangelnde digitale Ausstattung sowohl in Schulen als auch Elternhäusern gewesen. 

Ignorante Politik

Wie sehr die Kinder unter den autoritären Maßnahmen leiden, dokumentierten in den letzten Monaten etliche Studien. Ebenso klar belegt ist, dass Kinder viel seltener an Corona erkranken. Der weit überwiegende Teil der positiv getesteten Minderjährigen hat überhaupt keine oder höchstens sehr leichte Symptome. Laut RKI wurden bislang weniger als ein Prozent der Kinder und Jugendlichen mit einem positiven Test in einer Klinik versorgt, und selbst hier ist nicht klar, ob dies wegen einer COVID-19-Erkrankung erfolgte oder ob die kleinen Patienten nur zufällig positiv getestet wurden. Die Ansteckungsgefahr durch Menschen ohne Symptome ist nach Ansicht nicht weniger Ärzte zu vernachlässigen – also auch bei Kindern.

Dennoch mutet die Bundesregierung den Jüngsten nach wie vor eine Hauptlast zu. Dazu gehören die ihnen auferlegten Pflichten, sich für Schulbesuche mindestens zwei mal wöchentlich zu testen, wodurch ihnen ständig neue Quarantäne-Maßnahmen drohen, sowie stundenlang Masken im Unterricht und auf dem Schulhof zu tragen.

Lediglich eine fragwürdige Maßnahme nahm der Bundestag kurz vor Pfingsten zurück: Sechs- bis 16-Jährige müssen zumindest keine FFP2-Masken mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln tragen. Über Wochen waren auch sie dazu verpflichtet, obwohl es keinerlei Daten über etwaige Nebenwirkungen für diese Altersgruppe gibt. Die Kleinen "dürfen" also bald wieder OP-Masken in Bus und Bahn tragen.

Allerdings: Mehr Einfühlungsvermögen der Regierenden in die schwächste Gruppe der Gesellschaft ist vorerst nicht zu erwarten. Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen spielen politisch weiterhin eine untergeordnete Rolle. Ihre Bedürfnisse bleiben weitgehend ignoriert.

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