Droht im Nahen Osten ein neuer, großer Krieg?
von Rainer Rupp
In einer dramatischen militärischen Eskalation am Wochenende führte Israel zwei große Luftangriffe in Syrien durch. Beim ersten Angriff trafen die israelischen Kampfflugzeuge vom US-Typ F-16 jedoch auf massives Abwehrfeuer. Dabei wurde nachweislich eine F-16 abgeschossen. Beide F-16-Piloten überlebten, aber einer wurde schwer verletzt. Syrischen Angaben zufolge wurden noch weitere israelische Maschinen beschädigt und mussten Reißaus nehmen.
Die offizielle israelische Rechtfertigung für diese erste Angriffswelle war, dass eine angeblich "iranische" Luftaufklärungsdrohne über der von Israel illegal besetzten Golan-Region aufgetaucht war. Dieser wasserreiche und sehr fruchtbare syrische Landstrich dient al-Kaida-verwandten Gruppen von islamistischen Halsabschneidern als Rückzugsgebiet, in dem sie sich von ihren Terrorüberfällen in Syrien erholen können. Dort werden sie von der israelischen Armee nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt bzw. in israelischen Krankenhäusern für den nächsten Einsatz gegen die Kräfte der Assad-Regierung gesund gepflegt.
Die von Syrien kommende Luftaufklärungsdrohne, die mögliche Angriffsvorbereitungen der islamistischen Schützlinge der Israelis erkunden sollte, diente dem Netanjahu-Kriegsregime als willkommener Vorwand, wegen der "Verletzung der israelischen Souveränität" einen Angriff mit mehreren Kampfflugzeugen auf angeblich iranische Ziele in Syrien zu befehlen. Laut der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post wurden jedoch etwa "20 syrische Luftverteidigungsraketen gegen die israelischen Jets während ihrer Missionen über Syrien abgefeuert". Allerdings scheint es, als hätten die israelischen Kampfflugzeuge ihre Missionen nicht oder nur unzureichend erfüllt.
Die üblichen triumphalen Erfolgsmeldungen Jerusalems fehlen diesmal. Wahrscheinlich waren die Piloten zu sehr damit beschäftigt, dem syrischen Abwehrfeuer auszuweichen. Und zumindest drei der von den F-16 abgefeuerten Luft-Boden-Raketen wurden von syrischen Abfangraketen neutralisiert. Als Erfolg konnte die israelische Luftwaffe lediglich den Abschuss einer Drohne durch einen Hubschrauber und die Zerstörung der mobilen Kontrollstation der Drohne am Boden verbuchen.
Das Ergebnis der ersten israelischen Angriffswelle gegen Ziele in Syrien am vergangenen Samstag war für Israel ein militärisches, vor allem aber ein politisches Desaster; militärisch, weil es Israels erster Verlust eines Kampfflugzeugs seit 1982 war und politisch, weil es den lang und erfolgreich propagierten Nimbus der unbesiegbaren israelischen Luftwaffen erschüttert hat. Das konnten das Netanjahu-Regime und die israelische Luftwaffe nicht auf sich sitzen lassen.
Die Unverschämtheit, dass die syrische Luftverteidigung es gewagt hatte, die Souveränität ihres Landes zu schützen, und das auch noch mit durchschlagendem Erfolg, musste mit einer zweiten Welle von Vergeltungsangriffen bestraft werden. Aber auch dabei waren die Israelis nicht erfolgreich und syrische Berichte sprechen davon, dass weitere Kampfjets des jüdischen Aggressorstaats getroffen und beschädigt worden seien.
Ein Analyst der politisch-militärischen Denkfabrik "International Crisis Group", Ofer Zalzberg, zeigte sich angesichts dieser jüngsten Entwicklungen "überrascht, dass Syrien den Mut dazu gefunden hat, sich stärker gegen Israel Angriffe zur Wehr zu setzen". Der Satz verrät, wes Geisteskind die Israel-hörigen, westlichen "Experten" sind, wenn es eine "Überraschung" ist, dass ein Land es wagt, seine Souveränität gegen Israel zu verteidigen.
Die "Überraschung" hat auch die israelische Börse verunsichert. Laut der US-Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg sorgte sich der Chef eines führenden israelischen Finanzdienstleisters "Psagot Investment House" darüber, dass diesmal die Konfrontation in Syrien "in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich" gewesen sei und man "jetzt weitere Zusammenstöße befürchten" müsse. Das "Ungewöhnliche" verdeutlichte der israelische Kommentator Herb Keinon in der Jerusalem Post mit dem Bekenntnis, dass Israel am Samstag "seine Aura der Unbesiegbarkeit über dem syrischen Himmel verloren hat".
Inzwischen nehmen rund um die Welt die Befürchtungen zu, dass Israel entschlossen ist, die Blamage nicht auf sich sitzen zu lassen und weiter eskalieren wird. Folgt man einem Bericht der Jerusalem Post vom Sonntag, der von langen Kolonnen israelischer Militärfahrzeuge mit Luftabwehrsystemen in Richtung Syrien und Libanon spricht, dann "bereitet sich Israel nach der bedeutenden Konfrontation vom Samstag" jetzt „auf einen Krieg im Norden vor". Eine Eskalation aber würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem überregionalen Krieg im Nahen und Mittleren Osten führen, mit dem Potential, auch die Nuklearmächte USA und Russland hinein zu saugen.
Allerdings hat Israel wenig von einem solchen Krieg zu gewinnen, aber dafür umso mehr zu verlieren. Allerdings wartet die derzeitige israelische Führung schon lange auf eine Gelegenheit zum Losschlagen. Angesichts der Tatsache, dass der israelische Polizeichef Premierminister Netanjahu wegen Korruption verhaften will, juckt es dem rabiaten Kriegsverbrecher an der Spitze der israelischen Regierung, der mit seinen bisherigen Angriffskriegen in Gaza und Libanon bereits Tausende von getöteten Frauen und Kinder auf dem Gewissen hat, wiedermal besonders stark in den Fingern. Denn was lenkt mehr von innenpolitischen Problemen ab als ein Krieg mit dem Nachbarn.
Mit der Frage, welche Optionen Israel hat, wenn es einen großen Krieg anzettelt, und wie die USA und Russland sich positioniert haben, beschäftigt sich ein nachfolgender Beitrag.
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