"Putins Spiele" und die Qualitätsmedien (VIII) – Heute: Die "Fußballromantik" des deutschen WM-Aus
von Leo Ensel
Bei aller berechtigten Enttäuschung und Trauer über das frühe Ausscheiden unserer Fußballmannschaft – einen Vorteil hat dieses Debakel denn doch: Jetzt können sich wenigstens alle Medien wieder mit ganzer Macht auf ihre Kernkompetenz, sprich: die Russlandkritik, konzentrieren! Einen Vorgeschmack auf das Kommende lieferte postwendend noch am selben Abend WDR-Journalist Jochen Leufgens in den Tagesthemen:
Ein Gedanke sei erlaubt: Vielleicht ist es auch eine Chance. Eine Chance, stärker hinter die Fassade dieser WM zu schauen. Der Blick sollte hier jetzt freier sein.
Und mit diesem von der Sorge um das Schicksal unserer Mannschaft befreiten Blick schaut es sich gleich wieder viel freier auf die bekannten Missstände, über die bereits im Vorfeld der WM in allen Medien ausgiebigst berichtet wurde: Auf schuftende nordkoreanische Zwangsarbeiter in Moskau und um ihren ohnehin kargen Lohn geprellte Arbeitsmigranten in Petersburg. „Oder auf die, bei denen nicht wenige von politischen Gefangenen sprechen.“
Merkwürdig, diese gespreizte Formulierung! Glaubt etwa Leufgens seinen eigenen Worten doch nicht so richtig? Das wäre schade. Eins steht jedenfalls fest:
Sie sind in Russland inhaftiert, während Wladimir Putin die WM nutzt, um seine Macht nach innen zu stärken und nach außen ein offenes Russland zu inszenieren. Menschenrechte scheinen dabei wenig wert.
Als ob ein einziges Qualitätsmedium in Deutschland dies jemals bezweifelt hätte!
Schick, dieser leicht zynische Zug in den Mundwinkeln des Nachwuchsjournalisten! Der junge Mann ist begabt. Vielleicht wird aus ihm ja noch ein richtig großer Polemiker. Im ARD-Studio kämpft es sich jedenfalls engagiert und bequem für die Menschenrechte in Russland. Und die Moral hat man auch noch auf seiner Seite. Gut möglich, dass einige Damen das sogar sexy finden!
Nach anderthalb Minuten ist Leufgens bei seiner Conclusio angelangt. Das Ausscheiden der Mannschaft könne unfreiwillig das erreichen, woran der DFB gescheitert sei:
Die Menschenrechtsverletzungen in Russland klar zu benennen. Und der Gedanke trägt doch seine ganz eigene Fußballromantik in sich.
Ja, jedes Ende ist auch ein neuer Anfang. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne!
Immerhin tröstlich: Bei der zweiten deutschen Niederlage in Russland ging es also Jogi Löws Mannschaft nicht anders als vor 75 Jahren unseren Soldaten: Sind diese bekanntlich nicht umsonst gestorben, so ist auch unsere Mannschaft nicht umsonst ausgeschieden!
Ehren wir also das Vermächtnis unserer Jungs und beenden wir die verschämte Russlandkritik. Ab jetzt geht's wieder in die Offensive. Auf, auf zum fröhlichen Jagen!
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